Fritz Honka (Jonas Dassler) lebt in den 1970er-Jahren im Hamburger Stadtteil St. Pauli. Auf andere wirkt er wie ein Verlierer, fast schon bemitleidenswert. Wenn Fritz nicht gerade als Hilfsarbeiter einer Tätigkeit nachgeht, verbringt er die Nächte gerne in der örtlichen Kiezkneipe „Zum Goldenen Handschuh“. Denn zwischen Trinkern, Prostituierten und anderen Gestalten der Nacht, kann man einsamen Frauen am Besten näherkommen und ihnen nachstellen. Was keiner weiß: Der unscheinbar wirkende Mann mit Hornbrille und eingedrücktem Gesicht ist der wahrscheinlich berüchtigtste Serienmörder der deutschen Nachkriegszeit. Mit Vorliebe vergewaltigt, schlägt und erwürgt Fritz Honka seine Opfer in seiner Wohnung und zerstückelt anschließend die Leichen, ehe er sie in der Abseite entsorgt. Damit der Verwesungsgestank nicht überhandnimmt, verteilt er hunderte Wunderbäume in seiner Wohnung und wird lange Zeit nicht gefasst...
Hamburg, St. Pauli, 1970er Jahre. Aus der Musikbox knistert und schmalzt Heintje "Du sollst
nicht weinen" und verbreitet eine heile Welt, während ungepflegte, schmierige Typen mit fettigen Haaren und zahnlose, in die Jahre gekommene Nutten in der von
Zigarettenqualm und Pissegestank vernebelten Kneipe mit gelben Vorhängen einen Korn nach dem
anderen saufen. Doch so lernt der Zuschauer Fritz "Fiete" Honka nicht kennen, einen nicht minder heruntergekommenen Menschen um die 40 mit fettigem Haar, ungepflegtem Erscheinungsbild, schiefen Zähnen und schielenden Augen, Hilfsarbeiter und Alkoholiker, der wegen seiner abstoßenden Hässlichkeit keine Chancen bei Frauen hat. Man lernt ihn kennen, als er sein erstes Opfer in seiner Wohnung umbringt und dieses mit einem Fuchsschwanz mehr schlecht als recht zerlegt.
"Der goldene Handschuh" ist dreckig, eklig, brutal und keine leichte Kost. Doch nicht nur damit punktet der Film; es ist die unglaublich intensive und authentische Atmosphäre, die die gleichnmamige Verfilmung von Heinz Strunks Roman so interessant macht. Ungeschönt wird das morbide, kaputte, düstere und trostlose St.-Pauli-Milieu gezeigt. Die vom Honka brutal begangenen Morde werden unverfälscht gezeigt und verstärken die verstörende Stimmung des Filmes. Gespeist wird die beeindruckend reale Atmosphäre zusätzlich durch die großartigen Darsteller (allen voran Jonas Dassler als Fritz Honka), die mit ihrer guten Performance glaubwürdig wirken. Die verwahrloste Wohnung von Honka ist mit enorm viel Aufmerksamkeit und Aufwand detailgetreu mit Originalrequisiten aus den 70ern nachgebaut worden, ebenso wie die Kneipe "Zum goldenen Handschuh", so dass man glaubt, es habe sich bis heute nichts verändert. Abgerundet wird das ohnehin schon vorhandene Top-Niveau des Filmes mit derben und vulgären Dialogen, die kein bisschen gestellt oder geschauspielert, sondern wie aus dem richtigen Leben gegriffen wirken. Dazu gesellen sich Altherrenwitze und genuschelte Mundart, die zwischen sächsischem und hamburgschen Dialekt schwankt. Maske, Setting und filmische Umsetzung sind tadellos.
Dem Film gelingt meisterlich der Drahtseilakt, abstoßend ekelhafte
Szenen so zu inszenieren, dass sie die Qualität des Filmes nicht im
Geringsten schmälern und auch von Zuschauern akzeptiert werden können, die
normalerweise mit solchen abscheulichen Bildern nichts anzufangen wissen. Die Gewalt steht auch nicht im
Mittelpunkt der Handlung, wird aber auch nicht verharmlost. Sie werden nicht
völlig explizit dargeboten, sondern entweder verdeckt durch einen Türrahmen
oder aus der Distanz durch die geöffnete Schlafzimmertür gezeigt. Auch
die Szene, als Honka einer seiner Opfer brutal mit einer Flasche
erschlägt, ist nicht direkt zu sehen, sondern wird nur angedeutet. "Der goldene Handschuh" ist defintiv kein typischer Serienkiller-Film,
sondern eher eine ausdrucksstarke und düstere Milieustudie über die Hamburger
Reeperbahn und gescheiterte Existenzen, die am Rande der Gesellschaft
ihr trostloses und von Hoffnungslosigkeit geprägtes Dasein fristen. Regisseur Fatih Akin hat mit "Der goldene Handschuh" eine ausgezeichnete
deutsche Produktion auf die Beine gestellt, die den Zuschauer in eine der Säuferkneipen auf dem Kiez der 70er Jahre wirft und von dort nicht mehr weg lässt. Allein das ist so widerlich, dass einem übel wird. Und an dieser Stelle ist man mit den Morden noch nicht einmal konfrontiert worden.
8/10
Quellen:
Inhaltsangabe: Warner Bros.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen