Paris, am Ende des 19. Jahrhunderts: Der französische Artillerie-Hauptmann Alfred Dreyfus (Louis Garrel) ist vielen ein Dorn im Auge, denn er ist Jude, der einzige im gesamten französischen Generalstab. Am 22. Dezember 1884 erreichen seine Gegner ihr Ziel: Weil er Militärgeheimnisse verraten haben soll, wird Dreyfus wegen Landesverrat von einem nicht-öffentlichen Militärgericht zu lebenslanger Haft verurteilt und auf die sogenannte Teufelsinsel vor der Küste von Französisch-Guayana verbannt. Weil Dreyfus seine Unschuld beteuert und es Hinweise gibt, wonach das zentrale Schriftstück, auf dem die Verurteilung Dreyfus' basiert, gar nicht von diesem geschrieben wurde, nimmt der neue Geheimdienstchef, der Oberstleutnant Marie-Georges Picquart (Jean Dujardin) auf eigene Faust Ermittlungen auf. Doch damit bringt er sich selbst in größte Gefahr, denn es darf unter keinen Umständen der Eindruck entstehen, dass das Militär, der Geheimdienst und die Gerichte fehlbar seien...
Es hat irgendwie immer einen bitteren Beigeschmack, wenn man Filme von Roman Polanski schaut. Einerseits ist der Mann auf cineastischem Sektor und in seinem Output ein Genie, versteht er es doch, den trockensten Stoff aller Zeiten für den Zuschauer ansprechend und greifbar zu inszenieren. Nicht, dass die in seinen Filmen behandelten Thema jemals belanglos oder gar uninteressant wären; es sind aber weitestgehend Themen, die sich in ihrer Aufbereitung bereits sperrig und unbequem anfühlen. Nun mag man von Roman Polanski aufgrund seiner strafrechtlich relevanten Vergangenheit halten was man will, bei der Rezension seiner Werke sollte man diese außen vor lassen - auch wenn das schwer fällt, oft zu kontroversen Reaktionen führt und sich kaum aus dem Gedächtnis verbannen lässt.
Sein aufwändiger Film "J’accuse" behandelt nun als Historiendrama in einem überzeugenden Paris zur Jahrhundertwende, mit Hunderten von Statisten und beinahe verschwenderisch in Szene gesetzten Kostümen, eine Art historische Enthüllungsgeschichte, die an Relevanz bis heute kaum etwas eingebüßt hat. Mit präziser, fast schon pingeliger Genauigkeit, gestalterischer Brillanz, der souveränen Kunst des Erzählens und der Gestaltung von Spannungsbögen arbeitet sich Polanski am Thema eines kippenden gesellschaftlichen Diskurses in faschistische Muster ab, in dem der jüdische Protagonist Alfred Dreyfus (Louis Garrel), einziger seines Glaubens in der französischen Garde, mit Diskriminierung, Rassismus und Antisemitismus konfrontiert wird. Der Film wirft den Zuschauer auch gleich ins Geschehen, ohne großes Vorgeplänkel, aber dies erscheint auch nicht wirklich relevant, da sich der Dämon des Rassismus bereits in hohen Ämtern eingenistet hat und als staatlich sanktionierter Antisemitismus gelebt wird. In seiner Aufarbeitung wirkt "J’accuse" fast schon wie ein Mahnruf der Geschichte und damit, angesichts des erneut in Europa wachsenden Antisemitismus, aktueller denn je.
Spannungsspitzen findet man im Film nur selten bis gar nicht, eher ruhig und verhalten breitet dieses Drama die Geschichte aus, doch langweilig ist diese ohnehin nie. Der Film illustriert, wie Menschen (zu diesem Zeitpunkt noch nur Männer) in hohen Machtpositionen diese schamlos ausnutzen und sich ihr Recht nach eigenen Denken zurecht stricken. Ein Film, der damit noch mehr Unbehagen beim Zuschauer auslöst, als die schon längst schwelende judenfeindliche Stimmung an sich. Die Dringlichkeit seiner Aussage wird spätestens am Ende des Filmes klar und der Warnruf in Richtung des Publikums überdeutlich. Das der Film beinahe ohne Soundtrack auskommt, fällt dem Zuschauer erst nach einer Weile auf, zu interessant ist die Geschichte von Anfang an. Roman Polanskis "J’accuse" ist bedeutsam. Ein sehr wichtiger Film. Ein mahnender Film. Ein Film, den man gesehen haben und dem man jeden ans Herz legen sollte, de sich heutzutage immer noch fragt "wie so etwas jemals passieren konnte".
7,5/10
Quellen:
Inhaltsangabe: Weltkino
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