Dienstag, 27. Mai 2025

Fear Street: Prom Queen (2025)

https://www.imdb.com/de/title/tt31433402/

Nach Abstechern in die Jahre 1994, 1978 und 1666 führt dieser Teil der Netflix-Horrorfilmreihe ins Shadyside des Jahres 1988. An der Shadyside High stehen alle Zeichen auf Schuljahrsende – und eng damit verbunden ist natürlich das wohl größte Ereignis im Leben eines US-Highschool-Kids: die „Prom Night“. Mehrere Schülerinnen, darunter Megan Rogers (Suzanna Son) und ihre Freundin Lori Granger (India Fowler) hoffen darauf, Abschlussballkönigin zu werden und putzen sich dafür noch mehr heraus, als es ohnehin schon immer der Fall ist. Doch während des Abends verschwindet eine der Nominierten nach der anderen und allmählich wird klar, dass ein Killer – oder eine Killerin – in einem roten Regenmantel und mit einer Axt bewaffnet an der Schule unterwegs ist und die Teilnehmerinnenliste blutig ausdünnt.

Skrupellose, aber inspirierte Morde, eine tiefgründige Geschichte und eine temperamentvolle Persönlichkeit machten Leigh Janeks "Fear Street"-Trilogie, basierend auf den Romanen von R.L. Stine, zum Horror-Sommer-Event des Jahres 2021. Der neue eigenständige Teil "Fear Street: Prom Queen", chronologisch zwischen "Fear Street: 1978" und "Fear Street: 1994", bietet leider nichts von dem damiligen Drive. Stattdessen setzt der im Jahr 1988 spielende Slasher auf oberflächliche Pastiche, fade Morde und eine nervtötende Besetzung. Es ist eine qualvolle Rückkehr in die verfluchte Stadt Shadyside.

Eine kurze Zusammenfassung, die die Zuschauer an Shadysides Vorliebe für maskierte Serienmörder erinnert, eröffnet "Fear Street: Prom Queen", bevor die Liste der Kandidatinnen für den Titel der Abschlussballkönigin vorgestellt wird, die vom neuesten Bösewicht ins Visier genommen werden. Die sanftmütige Außenseiterin Lori Granger (India Fowler) hofft, dem angeschlagenen Ruf ihrer Familie zu entkommen, indem sie die begehrte Krone der Ballkönigin gewinnt. Doch sie hat starke Konkurrenz: Das Wolfsrudel, die Clique gemeiner Mädchen um die brutale Tyrannin Tiffany (Fina Strazza), die vor nichts Halt macht, um zu gewinnen. Klassenrebellin und Wildfang Christy (Ariana Greenblatt) ist ebenfalls im Rennen, aber nur knapp. Greenblatts Abspann weist ihre Figur als erste aus, die fällt, und der uninspirierte Tod bereitet den Boden für das jüngste Blutbad.


Regisseur Matt Palmer, der das Drehbuch gemeinsam mit Donald McLeary schrieb, tut sich von Anfang an schwer mit dem Ton. Humorvolle Versuche verpuffen oder werden von einer der unsympathischsten Besetzungen der jüngeren Vergangenheit überschattet. Die Charakterisierung wird über Bord geworfen, um direkt zum Slasher-Genre zu gelangen, sodass den Schauspielern außer ein paar archetypischen Charakterzügen kaum etwas bleibt, an dem sie sich festhalten können. Strazza trägt die Rolle des gemeinen Mädchens viel zu dick auf. Tiffany ist die Karikatur einer Tyrannin, die noch nerviger wird, wenn die Eifersucht ihr hässliches Haupt erhebt. Die Ballkönigin besteht darauf, dass ihr Freund Tyler (David Iacono) ein Auge auf ihre Rivalin Lori geworfen hat, doch die eklatante Unstimmigkeit zwischen Fowler und dem unemotionalen Iacono macht diesen wichtigen Handlungspunkt schwer verdaulich. Fowlers süße Rehaugen kennzeichnen Lori von Anfang an als Final Girl, dem es an Intelligenz und Handlungskompetenz mangelt. Ihre Entwicklung vom sanftmütigen Außenseiter zum Final Girl ist weder gut durchdacht noch glaubwürdig. Persönlichkeiten ändern sich hier ganz spontan, je nach Handlungsbedarf.


Das ist nicht Fowlers Schuld; die Ballkönigin scheint darauf zu bestehen, dass die Schüler der Shadyside High entweder besonders grausam oder unglaublich dumm sind. Nicht einmal Loris horrorbegeisterte beste Freundin Megan (Suzanna Son), die eigentlich der klare Liebling der Fans sein sollte, kommt gut weg in einem Film, der sich eher wie die schlechte Simulation eines 80er-Jahre-Slashers anfühlt als wie ein echter Slasher. Palmer tötet seine Teenager gnadenlos und willkürlich, aber es ist schwer, sich dafür zu interessieren, wenn man jedem Einzelnen so sehr mitfiebert, dass sein Tod gar nicht schnell genug eintreten kann. 

Das historische Setting ist nachgeahmt und bedeutungslos, eine Ansammlung lauter 80er-Jahre-Tropen und -Klischees. Es ist ein generischer Slasher, der überall und jederzeit hätte spielen können, nur eben in peinlichem 80er-Jahre-Dress. Wer auf etwas gehofft hat, das dem kreativen Brotschneidetod von 1994 auch nur nahekommt, wird enttäuscht sein, hier nur 08/15-Verstümmelungen und -Schneiden zu finden, die durch CGI und einige praktische Tricks zu blutigen Effekten aufgebauscht werden. Auch die Morde sind völlig spannungsfrei. Aber das spricht für das massive Tonproblem des Films. "Fear Street: Prom Queen" kann sich nicht ganz entscheiden, ob er ein bösartiger Slasher oder ein albernes Abschlussball-Horror-Camp sein will, und übertreibt stattdessen die Oberflächlichkeit und Grausamkeit der Jugend auf ein uninteressantes Maß. Der Höhepunkt möchte unbedingt ins Camp abdriften, ist aber zu düster, um zu funktionieren. Nicht einmal erfahrene Schauspieler wie Chris Klein oder Katherine Waterston können ihre schrägen Charaktere in diesem unzusammenhängenden Fehlschlag zum Funktionieren bringen. 


Eine Mid-Credit-Szene verbindet "Fear Street: Prom Queen" mit dem Fier-Fluch, der in der "Fear Street"-Trilogie eingeführt wurde, doch ansonsten ähnelt nichts an diesem eigenständigen Film dem Shadyside, das den Zuschauern 2021 präsentiert wurde. Es ist eine schwache Imitation und ein frustrierend langweiliges Sammelsurium viel besserer Slasher, die es zuvor gab. Diesen Abschlussball kann man sich getrost entgehen lassen.

5/10

Quellen
Inhaltsangabe: Netflix
Poster/Artwork: Netflix

Montag, 26. Mai 2025

Venom: The Last Dance (2024)

https://www.imdb.com/de/title/tt16366836/

Als ihm nach dem Triumph über Carnage der Mord am Polizisten Patrick Mulligan (Stephen Graham) in die Schuhe geschoben wird, ist Reporter Eddie Brock (Tom Hardy) mitsamt seinem Alien-Symbionten Venom endgültig auf der Flucht vor dem Gesetz. Auch eine geheime Spezialeinheit des US-Militärs unter Führung des skrupellosen General Rex Strickland (Chiwetel Ejiofor) hat es auf Eddie oder vielmehr auf Venom abgesehen. Doch das ist längst nicht die größte Gefahr für das ungleiche Duo. Verbannt in ein fernes kosmisches Gefängnis, entsendet der Symbionten-Schöpfer Knull (Andy Serkis) mehrere blutrünstige Kreaturen in die Weiten des Universums, um die beiden ausfindig zu machen, da sie den Schlüssel in sich tragen, der den finsteren außerirdischen Herrscher von seinen Fesseln befreien würde. Bald steht nicht nur das Leben von Eddie und Venom, sondern das Schicksal der gesamten Welt auf dem Spiel...

Ach ja. Selbst wenn man die Peinlichkeit außer Acht lässt, dass Sony Pictures einen Film über eine Spider-Man-Figur ohne Spider-Man drehte, nur um die Charakterrechte von Marvel fernzuhalten, war der erste "Venom"-Film von 2018 in gewisser Weise ein guter Comic-Film aus der Zeit vor dem MCU der 2000er. Der Nachfolger von 2021, "Venom: Let There Be Carnage", war schon schlechter und eine schon beinahe ärgerliche Studie verschwendeten Ausgangsmaterials und dummer kreativer Entscheidungen. Doch beide Filme überzeugten zumindest mit der unterhaltsamen, kompromisslosen und körperlich völlig aus dem Gleichgewicht geratenen Darstellung von Star Tom Hardy - sowohl als Journalist Eddie Brock als auch als mit ihm verbundener außerirdischer Symbiont. In "Venom: The Last Dance" wirkt Hardy jedoch durchgehend sichtlich müde, was dazu führt, dass die Gags merklich ins Leere laufen, während die seltsam charmante Atmosphäre des ungleichen Paares, die Eddie und Venom zuvor teilten, nun nervig und kindisch wirkt.

Da dies der epische letzte Hurra für diese Version der Figur auf der Leinwand sein soll (bis irgendein Sony-Studiomanager seine Meinung ändert), ist das eher enttäuschend. Hardys Lethargie könnte jedoch darauf zurückzuführen sein, dass er scheinbar mehrere Versionen dieses Films gleichzeitig drehen musste. Drehbuchautorin und Regisseurin Kelly Marcel (die auch "Venom: Let There Be Carnage" schrieb und hier ihr Regiedebüt gibt) versucht scheinbar, die Handlungsstränge von drei Filmen in einen einzigen zu packen, indem sie einige Aspekte mit eklatanter Offensichtlichkeit abrupt herausschneidet. Nebenfiguren, die kaum Dialoge haben, stehen im Finale des Films plötzlich im Mittelpunkt, während Marcel unbeholfen versucht, das Publikum für ihr Schicksal zu interessieren. Andere Charaktere werden stark als wichtiger angedeutet, nur um am Ende nicht mehr als zufälliges Geschwätz zu sein. Und eine mysteriöse, namenlose Figur im Film wird im Abspann sogar unverhohlen als wiederkehrende Figur aus den ersten beiden Filmen enthüllt, deren Schicksal sich irgendwie grundlegend geändert hat - all das wird in diesem Film einfach mit keinem Wort erwähnt. 

Was die verschiedenen Handlungsstränge angeht, landet der erste in der Eröffnungsszene des Films. Man lernt Knull kennen, einen dunklen Gott des Abgrunds, der vor langer Zeit Venoms Symbionten erschaffen hat. Diese sperrten ihn auf einem stürmischen Planeten ein, hinterließen aber den Schlüssel zu seiner sprichwörtlichen Zelle in sich. Dieser Schlüssel wurde von Eddie/Venom im Laufe des vorherigen Films versehentlich aktiviert, und Knull schickt nun seine neuen Schergen, die Xenophagen, los, um ihn ihnen zu entreißen. Man weiß das alles, weil Knull es einem erzählt, indem er direkt zum Publikum spricht - in der ersten von vielen lächerlich ungeschickten Erklärungen im Laufe des Films (seid bereit für Militärangehörige und Wissenschaftler, die jahrelang zusammengearbeitet haben und sich gegenseitig ihre Aufgaben und Hintergründe erklären).

Chiwetel Ejiofors General Strickland, der stürmische Militärverbindungsmann einer geheimen Spezialeinheit, die alle Symbionten der Erde fangen soll, und Juno Temples Dr. Teddy Payne, der moralisch fragwürdige Wissenschaftler, der die außerirdischen Wesen erforscht. Beide wollen Venom aus unterschiedlichen Gründen in ihre Finger bekommen. Eddie und Venom sind derweil auf der Flucht und versuchen, Eddies Namen reinzuwaschen, nachdem die Behörden vermuten, er stecke hinter dem Tod eines von Carnage infizierten Polizeidetektivs im vorherigen Film. Unterwegs begegnen sie auch Rhys Ifans’ Martin Moon, einem Hippie, der mit seiner Familie quer durchs Land zur Area 51 reist, um seinen Lebenstraum zu erfüllen: einem Außerirdischen zu begegnen. Außerdem gibt es ein halbes Dutzend neuer Symbionten, Tanzeinlagen, ein Venom-Pferd, eine überarbeitete Version der Post-Credit-Szene aus "Spider-Man: No Way Home" und mehr. Eine ganze Menge. Nicht gerade hilfreich ist dabei Marcels ständig schwankendes Tempo. Wir hetzen durch bestimmte Schlüsselstellen und bekommen dann eine ausgedehnte Mitsing-Sequenz für die ganze Familie zu David Bowies Meisterwerk "Space Oddity". Zugegeben, es ist der emotional mitreißendste Moment des gesamten Films, als Eddie über die Normalität nachdenkt, die er für sein verrücktes Symbiontenleben aufgegeben hat. Ähnlich verhält es sich mit einem gelungenen Battle Royale im dritten Akt, das Fans der Venom-Comics ein breites Grinsen ins Gesicht zaubern dürfte.

Zugegeben, ein paar weitere unterhaltsame Momente wie diese sind in "Venom: The Last Dance" zwar durchzogen, aber ihre Präsenz unterstreicht nur, wie plump der Rest ist. Man muss nicht auf Kino-Niveau maßlos kleinlich sein, um die klaffenden Handlungslücken und Charakterinkonsistenzen sofort zu spüren. Im Großen und Ganzen ist keiner der Darsteller schlecht, trotz Hardys gelegentlichem Schlafwandeln. Ihnen fehlt einfach das Material, oder sie scheinen im falschen Film verloren zu sein. Und als Marcel und Co. uns einen vermeintlich emotional kathartischen Moment bescheren, der alle bisherigen Abenteuer von Eddie und Venom berührt (ausgerechnet mit dem zuckersüßen Maroon-5-Liedchen "Memories"), wirkt das so unaufrichtig, dass es unfreiwillig komisch ist. Zumindest hatte der Zuschauer erwartet, dass "Venom: The Last Dance" besser wird als "Venom: Let There Be Carnage", da die Messlatte so niedrig lag, dass selbst ein unbewohnter Symbiont sie übersteigen könnte. Und am Ende dieses Teils hat man auch zunächst das Gefühl, dass diese Mindestanforderung erfüllt wurde. Doch nach längerem Nachdenken ist klar, dass dieses große Finale der Franchise ein noch größerer Misserfolg ist. Das spiegelte sich auch an den Kinokassen wider, mit dem mit Abstand schlechtesten Start der gesamten Trilogie. Mit ähnlichen kreativen und kommerziellen Implosionen für "Morbius", "Madame Web" und "Kraven The Hunter" und ohne weitere in Planung befindliche Großbildprojekte markierte dies den Anfang vom Ende für Sonys Spider-Man-loses Spider-Man-Universum.

5,5/10

Quellen
Inhaltsangabe: Sony Pictures
Poster/Artwork: Sony Pictures

Sonntag, 25. Mai 2025

Mission: Impossible: The Final Reckoning (2025)

https://www.imdb.com/de/title/tt9603208/

Die Jagd ist noch nicht vorbei: Ethan Hunt (Tom Cruise) und sein Team von der legendären Impossible Mission Force (IMF) sehen sich weiterhin einer extrem mächtigen und die Welt bedrohgenden künstlichen Intelligenz, die nur die „Entität" genannt wird, gegenüber. Dafür müssen sie das den Namen „Sewastopol“ tragende russische U-Boot finden, dem eine Schlüsselrolle in diesem brodelnden Konflikt zukommt. Doch mit diesem Ziel sind Hunt und sein Team natürlich nicht alleine: Auch Gabriel (Esai Morales), letztlich ein Handlanger der Entität, sucht fieberhaft nach der Sewastopol. Denn für ihn ist sie der Schlüssel, der sozusagen das Tor zur Hölle auf Erden öffnet, mit dem die Welt ins Chaos gestürzt werden kann. Gabriel scheint in diesem erbitterten Kampf eine Geheimwaffe in der Hinterhand zu haben, denn er und Hunt haben offenbar eine gemeinsame Vergangenheit, die den IMF-Agenten nun endgültig einholt...

Die Popkultur neigt seit jeher zur Überfrachtung. "Mission Impossible" ist eine jener Popkultur-Erfindungen, die 1966 als straff-unprätentiöse einstündige Fernsehserie mit einem fantastischen Thema von Lalo Schifrin begann. 1996 wurde daraus ein 110-minütiger Film mit dem Megastar Tom Cruise und dem Autorenregisseur Brian De Palma, der die alberne Geschichte mit großen, knalligen Actionszenen würzte. Und nun sieht der Zuschauer die letzte Mission, "The Final Reckoning", und alles führt zu diesem Punkt. Und das wird nicht nur einmal im achten und voraussichtlich letzten Agententhriller der "Mission: Impossible"-Reihe erwähnt.Und man kommt nicht umhin, dies für bare Münze zu nehmen, denn der aktuelle Teil wirkt auch wie das letzte Segment eines futuristisch anmutenden Raumschiffs, das dann ionosphärisch in einem Feuerball nach oben schießt, während Tom Cruise in einen Zustand jenseits von Ruhm und geistigem Eigentum aufsteigt. Mit der KI-feindlichen und internetskeptischen Botschaft des Films und der atemberaubenden letzten Luftszene wiederholt Cruise seine Forderung nach einem echten Kinoerlebnis. Natürlich vollführt er seine übermenschlichen Stunts selbst - aus demselben Grund, wie er selbst einmal treffend formulierte, aus dem Gene Kelly selbst tanzte. Wie erwartet ist dieser neue Film aufgebauscht, hat eine alberne Handlung, ist vollgestopft mit erklärenden Dialogen und maßlos selbstgefällig.


Aber er macht auch Spaß. Mit seinem riesigen Budget - man rast vom touristischen London über norwegische Schneelandschaften ins sonnenverwöhnte Südafrika - bietet dieser aufgemotzte Thriller die verantwortungslose Fahrt, die sich die meisten von Hollywood-Blockbustern wünschen. "Mission: Impossible: The Final Reckoning" ist eine neue und ultimative Mission (genauer gesagt die zweite Hälfte der Mission aus dem vorherigen Film), in der Cruises taffer und einfallsreicher IMF-Agent Ethan Hunt auf eine letzte, eigenwillige, aber undurchsichtige Mission geht, um seine steifen Vorgesetzten in Washington und Langley zur Verzweiflung zu bringen und zugleich einzuschüchtern. Und was könnte das sein? Natürlich die Rettung der Welt, wie alle anderen Missionen.


Mit seinem altbaknnten, tapferen Team, darunter Grace (Hayley Atwell), Luther (Ving Rhames) und Benji (Simon Pegg), muss Hunt sich nun einem finsteren und metastasierenden KI-Gehirn namens "Die Entität" stellen, dem ultimativen MacGuffin-Bösewicht, der mit Lügen und Deepfakes die Wahrheit auf der ganzen Welt untergräbt, Nationen gegen Nationen und Atommächte gegen Atommächte aufhetzt und so zum Anti-Gott, dem bösen Herrscher über alles wird. Und um ihn aufzuhalten, muss Ethan den einfachen „Kreuzschlüssel“, den er im letzten Film geborgen hat, an der "Podkova"-Maschine anbringen, die sich an Bord des gestrandeten russischen U-Boots "Sewastopol" irgendwo auf dem Meeresgrund befindet. Die Kombination aus beidem ergibt eine "Giftpille", die die Entität vernichten wird.


Da dies angeblich der letzte Teil ist - es sei denn, er bringt ein Vermögen ein -, legt "Mission: Impossible: The Final Reckoning" großen Wert darauf, die gesamte Serie zusammenhängend zu gestalten und ihr emotionales Gewicht zu verleihen. Es ist ein etwas albernes, aber unglaublich unterhaltsames Abenteuer, das den Zuschauer in regelmäßigen Abständen mit einer Greatest-Hits-Rückblende aus den anderen sieben Filmen des Mission: Impossible"-Franchise beschenkt - und trotzdem gibt es eine brandneue Szene, in der Cruise durch die Straßen Londons sprintet, ohne die es auch nicht "Mission: Impossible" wäre. Darüber hinaus präsentiert dieser achte Film eine grandiose neue Figur: den US-U-Boot-Kommandanten Captain Bledsoe, der mit Eleganz und einem Hauch von Ungehorsam gespielt wird und der das Zeug zu einem weiteren Teil von "Mission: Impossible" hat, wann immer das passiert.

Und so wie es kein "Mission: Impossible" ohne eine Sprintszene wäre, wäre es kein "Mission: Impossible" ohne Tom Cruise, der in unerreichbarer Höhe um sein Leben kämpft; hier klammert er sich an die Tragfläche eines altmodischen Propellerflugzeugs. Klar. Wofür Cruise - und damit auch Ethan - lebt, sind atemberaubende Stunts. Und das schon seit dem ersten Teil von "Mission: Impossible", in dem er sich an der Außenseite eines Hochgeschwindigkeitszuges festklammerte, der durch den Eurotunnel von England nach Frankreich brauste. "Mission: Impossible: The Final Reckoning" bietet zwei gigantische Actionsequenzen - eine Unterwasserszene, die unglaublich spannend (und vor allem zum Ende hin etwas unglaubwürdig) ist, und einen wahrhaft bravourösen Höhepunkt, in dem Cruise sich an der Tragfläche eines Doppeldeckers festhält, der durch und über den Blyde River Canyon in Südafrika saust. Diese Szene wird jedem in Erinnerung bleiben. Und natürlich wird man darüber reden, dass Cruise diesen Stunt selbst gemacht hat. Wie Anthony Hopkins es schon in "M:I-2" formulierte: "Nun, das ist keine schwierige Mission, Mr. Hunt, es ist eine unmögliche Mission." ("Well, this is not mission difficult, Mr. Hunt, it's mission impossible").


Spätestens an diesem Punkt wird dem Zuschauer klar, dass Tom Cruise weniger Gene Kelly als vielmehr der übermenschliche Actionheld Harold Lloyd ist, der 1923 in "Ausgerechnet Wolkenkratzer!" an der Uhr hing, am Minutenzeiger baumelte, ihn daran hinderte, auf die 12 zu steigen, der Schwerkraft trotzte und die Zeit anhielt. Genau das hat Cruise getan: ewig jung, ewig fit, niemals aufgeben angesichts dieser absurden Weltuntergangsuhr. Cruise ist seit über 40 Jahren an der Spitze, so lange wie John Wayne, länger als Cary Grant. Er ist kein großartiger Schauspieler, aber ein großartiger Filmstar. Obwohl man ihm mit 62 langsam sein Alter ansieht, besitzt er immer noch die jungenhafte Energie und das Engagement seines jüngeren Ichs. Egal, ob er an Big Ben vorbeisprintet, ohne Neoprenanzug in eiskaltes Wasser springt oder sich einfach vom Film vergöttern lässt - Cruise spielt den Helden, und - meine Güte - er ist verdammt gut darin. Und trotz der 169 Minuten Laufzeit muss man am Ende neidlos anerkennen: Was für ein Rausch! 

7,5/10

Quellen:
Inhaltsangabe
: Paramount Pictures
Poster/Artwork
Paramount Pictures

Dienstag, 20. Mai 2025

Final Destination: Bloodlines - Final Destination 6: Bloodlines (2025)

https://www.imdb.com/de/title/tt9619824/

College-Studentin Stefanie (Kaitlyn Santa Juana) wird von wiederkehrenden Albträumen geplagt, in denen sie nicht nur ihre eigene Familie sterben sieht, sondern auch sich selbst. Doch ein Detail stimmt dabei nicht: die Zeit. Denn diese sich in Stefanies Kopf wiederholenden Bilder scheinen aus einem längst vergangenen Jahrzehnt zu stammen. Doch mit der Zeit scheint sie auf ein Muster zu kommen und erkennt, dass der für sie so qualvolle Traum eine 50 Jahre alte Vision ihrer Oma ist. Die konnte damals nämlich zahlreichen Menschen vor dem Tod bewahren, weil sie einfach geahnt hat, dass etwas schlimmes passieren wird. Wie sich nun jedoch zeigt, ist die Gefahr doch noch nicht gebannt. Also kehrt Stefanie in der Hoffnung in ihre Heimat zurück, die eine Person ausfindig zu machen, die den Kreislauf durchbrechen und ihre Familie vor dem sicheren Tod bewahren kann...

Das "Final Destination"-Franchise, in dem der Sensenmann immer cartoonhaftere und komischere Wege findet, sich an denen zu rächen, die glauben, dem Tod entgangen zu sein, ist seit über einem Jahrzehnt auf Eis gelegt. Vielleicht ist das bezeichnend. Doch die Regisseure Zach Lipovsky und Adam B. Stein, die mit dem einfallsreichen Low-Budget-Science-Fiction-Spektakel "Freaks" für Furore sorgten, verleihen dem Film Klasse, ohne sich dabei allzu ernst zu nehmen. 

Ihr sechstes Kapitel bedient sich der bewusst albernen Prämisse und dem grausigen Nervenkitzel, den man von einer 25 Jahre alten Serie erwarten, in der verfluchte Charaktere durch Solarien, Augenoperationen und Holztransporter ihr Ende finden. In "Final Destination" macht der Tod mit seiner Vorliebe für komplizierte Methoden im Stil von Rube Goldberg selbst die banalsten und leblosesten Objekte zu einer Bedrohung, die wir nie wieder mit denselben Augen betrachten werden. Doch wo "Final Destination: Bloodlines" brilliert, ist die clevere und oft teuflische Erzählkunst und die visuelle Umsetzung. Die Dekadenz des Films steht nicht im Widerspruch zum kitschigen Charakter von "Final Destination", sondern entfaltet dessen volles Potenzial.

Nirgendwo wird das deutlicher als in der atemberaubenden Eröffnungsszene, die mit einer Nahaufnahme einer jungen Frau (Brec Bassinger) mit verbundenen Augen beginnt - ein witziges Detail, denn sie ist diejenige, die in die Zukunft sehen wird. Ihr Name ist zufällig auch Iris. Es sind die 60er. Iris wird von ihrem Freund zu einem Überraschungsabend chauffiert. Sie besuchen die Eröffnung eines schicken neuen Restaurants auf einer Aussichtsplattform, wo die magische Aussicht mit gehobenem Essen und Tanz gepaart wird; eine Hausband steigert die ausgelassene Stimmung mit "Shout" der Isley Brothers. Jeder, der die Formel von "Final Destination" kennt, weiß, dass wir Iris’ Vorahnung erleben und dass es für die Feiernden, die sich auf der Tanzfläche mit Glasboden drehen und schreien, nicht gut ausgehen wird. Die Sequenz ist so angelegt, dass sie uns auf Trab hält und uns neugierig auf das macht, was kommt. Doch die Spannung wird auf wundervolle, entspannte Weise gehalten, liebevoll in Szenerie und Chemie zwischen den Figuren vertieft, während die rasante Romantik des Abends die Zuschauer fesselt.

Die vereitelte Katastrophe bereitet nicht nur Iris' Schicksal vor, sondern rückwirkend auch das gesamte "Final Destination"-Franchise. "Final Destination: Bloodlines" führt im Prolog eine Ursprungsgeschichte ein, die spielerisch mit der Mythologie der Serie spielt. Generationen später, in der Gegenwart, wird Iris' Enkelin Stefani (eine perfekt ausgelaugte Kaitlyn Santa Juana) von derselben Vorahnung auf der Aussichtsplattform heimgesucht. Sie gräbt vergrabene Familiengeheimnisse aus, um herauszufinden, was das alles bedeutet. Währenddessen häufen sich die Geheimnisse an den Familiengräbern. Diesmal verfolgt der Tod nicht nur diejenigen, die die auslösenden Ereignisse überlebt haben, sondern auch diejenigen, die deren Fluch geerbt haben. Und weil die Besetzung so charmant sein kann, insbesondere Richard Harmon als bissiger, aber sentimentaler Cousin, drücken wir einigen von ihnen vielleicht sogar die Daumen, dass sie überleben - eine Seltenheit in einem Franchise, in dem wir uns ein Ticket gekauft haben, um alle auf spektakuläre Weise sterben zu sehen. 

Die unterhaltsamsten Morde, die diesmal alles von Gartengeräten bis zu einem MRT beinhalten, haben ein Buster-Keaton-artiges Flair für physische Komik. Diese Sequenzen, wie auch die Handlung als Ganzes, enthalten oft kleine Anspielungen auf die Vergangenheit: Busse, Grills, Deckenventilatoren und Holzscheite haben Cameo-Auftritte - spannende kleine Erinnerungen an das Chaos, das sie in Final Destination anrichten können. Klar, es ist Fanservice, wie ihn so viele feige Reboots bieten. Aber in "Final Destination: Bloodlines" fühlt er sich verdienter an, weil sie oft auf etwas Neues und in einem Fall sogar Bewegendes hinarbeiten.

Die sentimentalste - und vielbeachtete - Hommage an die Vergangenheit des Franchise ist die Rückkehr des verstorbenen Tony Todd als William Bludworth. Der legendäre "Candyman"-Darsteller ist regelmäßig in „Final Destination“ zu sehen und spielt den schelmischen Bestatter, der den potenziellen Todesopfern oft die eine oder andere rätselhafte Wahrheit vor die Füße wirft. Todd, der im Herbst starb, tritt ein letztes Mal als Bludworth auf und hält einen improvisierten Monolog. Zum Abschied regen seine Worte an, die wenige Zeit, die uns noch bleibt, optimal zu nutzen. Die Charaktere, die in dieser Szene zuhören und versuchen, dem Unvermeidlichen zu entgehen, befolgen seinen Rat nicht ganz. Der Film, der einem Franchise über die Verfolgung durch den Tod neues Leben einhaucht, nimmt sich die Idee zu Herzen, jeden Moment auszukosten.

7/10

Quellen:
Inhaltsangabe: Warner Bros.
Poster/Artwork
New Line Cinema/Practical Pictures/Freshman Year/Fireside Films

Mittwoch, 14. Mai 2025

Thunderbolts* (2025)

https://www.imdb.com/de/title/tt20969586/

Nachdem Yelena Belova/Black Widow (Florence Pugh), Alexei Shostakov/Red Guardian (David Harbour), Antonia Dreykov/Taskmaster (Olga Kurylenko), John Walker/U.S. Agent (Wyatt Russell), Ava Starr/Ghost (Hannah John-Kamen) und Bucky Barnes/Winter Soldier (Sebastian Stan) in eine von Valentina Allegra de Fontaine (Julia Louis-Dreyfus) gestellte Todesfalle geraten sind, sehen sich die hoffnungslosen Außenseiter gezwungen, eine riskante Mission zu übernehmen. Diese führt sie nicht nur an gefährliche Orte, sondern auch tief in die dunklen Kapitel ihrer eigenen Vergangenheit. Zwischen Misstrauen, inneren Konflikten und alten Wunden steht die Frage im Raum: Wird sich die dysfunktionale Gruppe gegenseitig zerstören – oder gelingt es ihnen, über sich hinauszuwachsen und gemeinsam etwas Größeres zu erschaffen, bevor die Zeit abläuft?

Es ist merkwürdig. Denn als "Avengers: Endgame" 2019 erschien, wirkte die Tagline rückblickend wie eine Vorausdeutung auf kommende MCU-Projekte. Nicht, dass Marvel in den 2020er-Jahren keine Hits gehabt hätte, aber es gab einfach keine ununterbrochene Kette von Blockbustern mehr, und auch die Geschichte, die sich wie ein roter Faden bis dato durch alle Filme zog, fesselte das Publikum nicht mehr. Doch mit "Thunderbolts" findet diese Durststrecke ihr Ende.

Die Marvel-Filme, die seit "Avengers: Endgame" am erfolgreichsten waren, haben sich am weitesten vom Muster der sogenannten "Infinity Saga" entfernt - den ersten 22 Teilen der Reihe, die sich um den Kampf gegen den Superschurken Thanos drehten. Der letztjährige Film "Deadpool & Wolverine" enthielt fast keine Charaktere aus dem Marvel Cinematic Universe (MCU); der postmoderne "Spider-Man: No Way Home" war eine Hommage an die Spider-Man-Filme, die nicht von den Marvel Studios produziert wurden; und auch der neueste Marvel-Film "Thunderbolts"* (man beachte den Stern) hat seine ganz eigene Identität. Das soll nicht heißen, dass er nicht zum MCU gehört. Tatsächlich ist es eine seiner cleveren Eigenheiten, dass er gezielt die Niedergeschlagenheit der Menschen in einer Welt thematisiert, in der Iron Man, Thor und Captain America nicht mehr existieren. Doch dem zum Trotz haben Regisseur Jake Shreier und die Drehbuchautoren Eric Pearson und Joanna Calo eine eigenwillige Interpretation des Superhelden-Genres geschaffen, die ihn zum erfrischendsten MCU-Angebot seit Jahren macht.

Der Clou: Anstatt zu versuchen, so hochglänzend und ausufernd wie die Filme der "Infinity Saga" zu sein, bietet "Thunderbolts"* kämpferischen, schmuddelig wirkenden und bodenständigen Spaß. Es ist nicht die epische Geschichte unzerstörbarer Titanen, die das Universum, geschweige denn das Multiversum, retten; es ist ein komödiantisch angehauchtes Abenteuer über stümperhafte Geheimagenten, die von ihrer ehemaligen Arbeitgeberfirma als Belastung angesehen werden. Das Szenario ist nicht neu: Nach "Die Bourne Identität" gab es unzählige Actionfilme, in denen sich desavouierte Spione ihren ehemaligen Auftraggebern entzogen. Doch "Thunderbolts"* sticht heraus, weil er eine ganze Gruppe solcher Spione zeigt: einen zusammengewürfelten Haufen depressiver, dysfunktionaler Einzelgänger, die zusammenarbeiten müssen und ständig darüber nörgeln. Besonders ungewöhnlich an dem Film ist für Marvel-Verhältnisse, dass seine Prämisse auch ohne wirkliche Superkräfte der Charaktere tragfähig wäre. Und tatsächlich sind sie im Vergleich zu den bereits erwähnten Captain America und Thor gar nicht so superstark. Ein Teil ihres Reizes liegt darin, dass sie durch Kugeln getötet und in verschlossenen Räumen gefangen gehalten werden können, was sie viel greifbarer macht als nordische Götter.

Daraus kann der Zuschauer eine Lektion lernen, die die Macher von Box-Office-Enttäuschungen wie "Eternals" und "The Marvels" hätten lernen sollen. Nicht die Kräfte der Figuren sind entscheidend, sondern ihre Persönlichkeit. In "Thunderbolts"* sind diese Figuren Yelena (Florence Pugh), eine russische Auftragsmörderin und Adoptivschwester von Scarlett Johanssons Black Widow, die nun wegen der sinnlosen Gewalt in ihrem Leben zutiefst unglücklich ist; ihr Adoptivvater Red Guardian (David Harbour), ein abgehalfterter Chaot, der seinen Tagen als Nationalheld nachtrauert; der mit bionischen Waffen ausgestattete Winter Soldier (Sebastian Stan), der im Zweiten Weltkrieg Captain Americas Kumpel war und sich im 21. Jahrhundert immer noch unwohl zu fühlen scheint; John Walker (Wyatt Russell), ein verbitterter Supersoldat, der der neue Captain America werden sollte, dieser Aufgabe aber nicht gewachsen war; der verwirrte, hin- und hergerissene Bob (Lewis Pullman), ein weiterer misslungener Versuch, einen Ersatz für Captain America zu schaffen; und Ghost (Hannah John-Kamen), ein schiefgelaufenes wissenschaftliches Experiment - ​​die aber im Gegensatz zu den anderen Charakteren darüber hinaus nicht sehr gut definiert ist. Auf verschiedene Weise sind sie alle mit einer der denkwürdigsten, schlüpfrigsten Bösewichte von Marvel verbunden, Valentina Allegra de Fontaine (Julia Louis-Dreyfus), einer Geschäftsfrau mit all dem spröden, herablassenden Selbstbewusstsein, das man von dem zuverlässig hervorragenden Star auch erwarten würde.

Die Handlung von "Thunderbolts*" ist so clever konstruiert, dass man den Kern der Geschichte versteht und die Geschichte genießen kann, egal ob man Marvel-Fan ist oder nicht. De Fontaine, so scheint es, steckt hinter mehreren geheimen Superhelden-Operationen. Als ihre politischen Gegner ihr nun auf die Fersen kommen, beschließt sie, alle Beweise für ihre zwielichtigen Machenschaften zu vernichten, einschließlich derer, die sie durchgeführt haben. Und so kommt es, dass Yelena und die anderen nicht mehr versuchen, sich gegenseitig umzubringen, sondern sich gegenseitig am Leben zu erhalten. Sie werden zu einer Art Team, sind sich aber nicht sicher, ob sie sich "Thunderbolts" nennen sollen. Der Stern im Titel bedeutet daher, dass es sich nur um einen Platzhalter handelt, bis ihnen etwas Besseres einfällt. 

Ein kleiner Haken: Die Hintergrundgeschichten der meisten Charaktere finden sich in anderen Filmen und der Fernsehserie "The Falcon And The Winter Soldier" wieder, nicht in "Thunderbolts*". Ein weiterer Haken ist, dass die Verfolgung der Bande durch De Fontaines Truppen den Großteil der Filmlaufzeit einnimmt, sodass es kaum Szenen gibt, die nicht schon in den Trailern zu sehen waren. Andererseits sind Superheldenfilme selten so fokussiert und entwickeln sich selten so nahtlos von Szene zu Szene, ohne Atempausen und ohne plötzliche Sprünge an verschiedene Enden der Welt. "Captain America: Brave New World", der im Februar in die Kinos kam, ähnelte "Thunderbolts"* insofern, als er sich um die Politik in Washington D.C. drehte und an "The Falcon And The Winter Soldier" anknüpfte. Doch dieser Film war ein chaotisches Durcheinander, während dieser hier so geschickt konstruiert ist, dass man den Kern versteht und die Fahrt genießen kann. Die zugrunde liegenden Themen in "Thunderbolts"* sind genauso fokussiert wie die Erzählung. Alle Charaktere müssen mit der Scham und dem Trauma ihrer schwierigen Vergangenheit fertig werden - und dieses Thema zieht sich von der Eröffnungsszene bis zum obligatorischen "Final Battle" durch, welcher zwar etwas überhastet, aber stilvoll surreal genug ist. Dazwischen wird die Schuld der Charaktere in einigen berührenden und überraschend brutalen Sequenzen sowie in einigen scharfsinnig geschriebenen, zügig geschnittenen und gekonnt gespielten komischen Szenen thematisiert.

An beiden Enden des Spektrums liefert Pugh eine Leistung ab, die ihr Preise einbringen würde, wäre sie nicht in einem Superheldenfilm. Sie liefert ihre Pointen mit perfektem Timing, besonders wenn sie mit Red Guardian zankt und scherzt. Aber sie kann auch pure Emotionen ausstrahlen - und das alles, während sie einen ordentlichen russischen Akzent behält und sich durch ihre akrobatischen Kampfszenen wälzt. Letztendlich ist "Thunderbolts"* deshalb so viel besser als die meisten Marvel-Filme nach "Avengers: Endgame". Nicht nur, weil es ein knallharter, großherziger Spionagethriller über liebenswert ahnungslose Antihelden ist. Sondern weil ein so charismatischer Schauspieler wie Pugh im Mittelpunkt steht. Und damit bietet der neueste Teil der Superhelden-Reihe kämpferischen, schmuddeligen und bodenständigen Spaß, der von Anfang bis Ende wunderbar unterhält.

8/10

Quellen:
Inhaltsangabe: Marvel
Poster/Artwork: Marvel

Sonntag, 11. Mai 2025

The Rule Of Jenny Pen (2024)

https://www.imdb.com/de/title/tt6874690/

In einem abgeschiedenen Pflegeheim, weit entfernt von der Außenwelt, lebt ein ehemaliger Richter, dessen Körper durch einen Schlaganfall schwer gezeichnet ist. Gefangen in seiner eingeschränkten Beweglichkeit wird er Zeuge einer Reihe unheimlicher Ereignisse: Ein älterer Psychopath nutzt eine scheinbar harmlose Kinderpuppe, um die anderen Bewohner zu manipulieren und in tödliche Situationen zu treiben. Trotz seiner körperlichen Einschränkungen muss der einstige Gesetzeshüter all seine geistige Stärke und seinen Scharfsinn aufbieten, um das perfide Treiben zu durchbrechen und die Gefahr zu stoppen, bevor es zu spät ist.

Normalerweise handeln Horrorfilme, die ältere Schauspieler für den Schockeffekt ausnutzen, von Frauen. "The Rule Of Jenny Pen" ist in jeder Hinsicht anders. Anders, als alles, was man bisher so sehen konnte. In dem Film spielen John Lithgow und Geoffrey Rush zwei regelrecht melodramatischen Rollen, die den grotesken Schrecken des Alterns und das Dasein in einem Seniorenwohnheim hervorheben. Gleichzeitig behandelt "The Rule Of Jenny Pen" einige sehr ernste (manche würden sogar sagen traumatische) Themen, legt den Finger in die offenen Wunden von medizinischem Gaslighting, Misshandlung älterer Menschen und sexuellem Missbrauch. In Kombination mit der überzeugenden Kameraführung und der kunstvollen Regie wirkt der Film sehr typisch Ari Aster, insbesondere als zu Beginn des Films ein alter Mann willkürlich verbrennt.

Regisseur James Ashcroft versucht hier etwas ähnlich Schelmisches wie Aster und wenn "The Rule Of Jenny Pen" den Zuschauer einmal packt, hat er schon gewonnen. Leider wechselt Ashcroft jedoch zu oft plump zwischen schwarzer Komödie und verstörender Gewalt, anstatt die schwierigere Aufgabe zu meistern, beides zu einem widerlichen, aber dennoch unbestreitbar spannenden Erlebnis zu verbinden. Lithgow und Rush sind gleichsam ein ungleiches Paar unangenehmer Persönlichkeiten. Stefan (Geoffrey Rush) ist ein angesehener (und scheinbar freundloser) neuseeländischer Richter, der nach einem Schlaganfall in der Eröffnungsszene an den Rollstuhl gefesselt ist. (Er verkündet vor Gericht das Urteil in einem Fall von Kindesmissbrauch) Stefan ist außerdem ein herablassender Snob, unhöflich zu seinem Zimmergenossen im Pflegeheim (George Henare) und verächtlich gegenüber dem überwiegend weiblichen Pflegepersonal. Dave (John Lithgow) hingegen ist verrückt, psychotisch und viel gefährlicher, als er aussieht.

Der langjährige Bewohner Dave hat Royale Pine Mews zu seinem persönlichen Lehen gemacht, terrorisiert seine Landsleute jede Nacht nach dem Lichtausschalten und manipuliert das Personal, um seinen Willen durchzusetzen. Wer sich weigert, das Knie zu beugen und das Arschloch der titelgebenden Puppe zu lecken - wirklich; so wird es im Film formuliert und die körperliche Handlung verlangt –, könnte "im Schlaf sterben". Die Szenen, in denen Dave seine Mitbewohner foltert, sind erschreckend, wie sadistische Dominanzdarstellungen gegenüber hilflosen Menschen es sein sollten. Merkwürdig wird es, wenn später Aufnahmen derselben Nebenfiguren, von denen viele in unterschiedlichen Stadien der Demenz sind, für Lacher sorgen.

Ist das ein Albtraum oder ein schwarzhumoriger Witz? "The Rule Of Jenny Pen" wirkt die meiste Zeit wie ein Albtraum, während Stefans Dilemma sich verschärft und sein Körper gleichzeitig verfällt. Am Ende des Films kann er kaum noch Essen im Mund behalten, und wieder ist die Kluft zwischen Mitgefühl für diese Figur und dem Schwelgen in seinem Leiden unglaublich groß. So kommt es, dass Lithgow und Rush gegen Ende des Films in eine cartoonhafte körperliche Auseinandersetzung geraten, wobei die Kamera nur wenige Zentimeter von ihren Nasen entfernt ist, um einen maximalen karnevalesken Effekt zu erzielen.

Ein großer Teil der Anziehungskraft liegt in Lithgows Besetzung. Man kann nur fasziniert zuschauen, wenn dieser sanftmütige Mann sich völlig übertrieben böse gibt, und Lithgow kommt dem in bis über den Bauchnabel hochgezogenen Hosen und einer gruseligen Babypuppe an der Hand nach. "The Rule Of Jenny Pen" findet auch oft genug die Balance, sodass der angestrebte Witz letztendlich auch zündet. Er könnte jedoch noch stärker wirken, wenn seine Wirkung nicht durch die überlange Laufzeit und den uneinheitlichen Ton abgeschwächt würde. Für einen Film, der sich selbst zu seinem eigenen Vergnügen unterbietet, ist er jedoch durchaus in Ordnung.

6,5/10

Quellen:
Inhaltsangabe: Filmstarts
Poster/Artwork
Light in the Dark Productions