Mittwoch, 3. November 2021

[KINO] Eternals (2021)

https://www.imdb.com/title/tt9032400/

Seit Tausenden von Jahren leben die ursprünglich außerirdischen Eternals auf der Erde. Als Menschen getarnt haben die übermächtig begabten Wesen den Auftrag, die Erde vor den bösen Deviants zu beschützen. Ajak (Salma Hayek) ist die Anführerin der zehnköpfigen Eternals-Gruppe. Mit ihrer stoischen Art und ihren Fähigkeiten zur Selbstheilung ist sie wie eine Mutter für die anderen und bildet die Brücke zwischen den Eternals und ihren Erschaffern, den Celestials. Zur Gruppe gehören auch die Kriegerin Thena (Angelina Jolie), die Waffen per Zauberkraft erschaffen kann, und der mächtige Ikaris (Richard Madden), der seit 7.000 Jahren eine On-Off-Beziehung mit seiner Eternals-Kollegin Sersi (Gemma Chan) führt. Als Thanos die Hälfte aller Lebewesen des Universums auslöschte, haben die Eternals nicht eingegriffen. Nun aber wird es Zeit...

Seit 2018 verdichteten sich die Gerüchte um eine Verfilmung von MARVELS "Eternals". Ein waghalsiges Projekt, das, auch laut Aussage von Kevin Feige, das Superheldenuniversum neu definieren sollte. In den Comics spielt die Geschichte der Eternals Millionen von Jahren in der Vergangenheit, als die Celestials genetische Experimente an Menschen durchführten, wobei einerseits die eher bösartigen Deviants und andererseits die mit Superkräften ausgestatteten Eternals entstanden, die sich über die Zeit hinweg durchweg bekriegt hätten. Im März 2019 kamen nun erste Gerüchte über eine mögliche Besetzung des Films auf und die Dreharbeiten begannen im Sommer desselben Jahres unter dem Arbeitstitel "Sack Lunch" in den Pinewood Studios nahe London. Als Kameramann fungierte dabei Ben Davis, der zuvor für die MCU-Filme "Captain Marvel" und "Guardians Of The Galaxy" verantwortlich war. Der im Mai 2021 veröffentlichte Trailer brach dann sogar noch einen Rekord: In den ersten 24 Stunden nach Veröffentlichung konnnte dieser plattformübergreifend 77 Millionen Aufrufe verzeichnen. Doch auch "Eternals" traf die COVID-19-Pandemie. Nach der Verschiebung von "Black Widow" kam "Eternals" Ende 2021 in die Lichtspielhäuser.

Man sagt, dass Alexander der Große geweint haben soll, als er die Größe seines Reiches betrachtete und sich bewusst wurde, dass er nichts mehr erobern konnte. So ähnlich muss es auch Kevin Feige gegangen sein, der aber im Gegenzug nicht weinte, sondern lediglich seine Baseball-Kappe richtete und verkündete, dass es an der Zeit sei, die nächste Phase seines Kreuzzuges einzuleiten. Er wusste, dass es mehr Planeten zu beherrschen, mehr parallele Dimensionen zu erforschen (und mehr Einnahmequellen für Disney-Aktionäre zu erschließen) gab. Nicht umsonst wird aktuell in den Serien das Multiversum, eine schier unerschöpfliche Quelle an Inspiration und Geschichten, eingeführt. Der neueste Film der Marvel Studios ist nun irgendwie zu gleichen Teilen Puzzleteil und Experiment. "Eternals" erweitert die Grenzen des MCU und gibt zudem Hinweise darauf, was die Zukunft bringen könnte, ist aber auch ein Projekt mit formalen Ambitionen. Regisseurin Zhao bricht bewusst mit der etablierten MARVEL-Formel, um eine weitreichendere und reifere Geschichte zu erzählen - die Art von Geschichte, für die die Filmemacherin bekannt ist. Das Drehbuch umspannt einen Zeitraum über Tausende von Jahren, und zwar durch die Augen der bewusst vielfältigsten Besetzung in einem Superhelden-Blockbuster. "Eternals" wird jedoch auch letztlich von der etablierten Formel verfolgt und gibt immer wieder dem Vertrauten nach, gerade wenn der Film versucht, dem Zuschauer etwas Neues zu zeigen. "Eternals" ist außerdem mit einer der dichtesten Prämissen in der Geschichte der Marvel Comics behaftet und so kann selbst die erheblich gestraffte Filmversion die den Comiclesern bekannten Grundlagen nicht ohne haufenweise Exposition legen: Die Eternals, so heißt es im Eröffnungstext des Films, sind übermenschliche Wesen aus einer Welt namens Olympia, die von einem kosmischen Gott namens Arimesh auf die Erde geschickt wurden, um die Menschheit vor den monströsen Deviants zu schützen. Im Laufe der Geschichte haben die Eternals der Menschheit geholfen, indem sie die Deviants bekämpften und langsam den technologischen Fortschritt vorantrieben - bis zu einem gewissen Punkt. Denn die Eternals haben noch einen weiteren Auftrag: Sie dürfen sich nicht in irdische Konflikte einmischen, die nicht mit den Deviants zu tun haben. Doch ab einem gewissen Punkt beginnen die Eternals, dies zu hinterfragen und die Intenetion ihres Schöpfers, Arimesh, in Zweifel zu ziehen. An dieser Stelle wird der Zuschauer abgesetzt. Mit anderen Worten: MARVEL hat einen Superheldenfilm in "Dune"-Größe, in "Dune"-Länge und mit fast "Dune"-Anmutung gedreht, in dem es buchstäblich um die Konfrontation mit Gott geht.

Auf dem Papier sollte das auch ausreichen, um "Eternals" zu einer radikalen Abkehr vom Rest des MCU zu machen, sowie zu einer scharfen Eskalation gegenüber den beiden vorangegangenen Teilen der aktuellen Phase des Mega-Franchises (das Prequel "Black Widow" und die relativ in sich geschlossene Ursprungsgeschichte "Shang-Chi And The Legend Of The Ten Rings"). In der Praxis läuft es immer noch darauf hinaus, dass man mehrere Stunden lang guten Schauspielern dabei zusehen kann, wie sie die Welt in großartigen CGI-Kämpfen retten und philosophische Differenzen in einer schwerelosen Schlacht ausbrechen, während die gesamte Weltbevölkerung auf dem Spiel steht. Man gewinnt den Eindruck, dass MARVEL sich innerhalb dieses Konstrukts traut, aus altbekannten Schemen auszubrechen. Das MCU veranschaulicht was heraus kommen kann, wenn man unabhängigen Filmemachern, die in der Lage sind eine Reihe, welche mittlerweile auch einen Antrieb zur Veränderung hat, weiterzuentwickeln, das Steuer überlässt. Was ebenso bedeutet, dass "Eternals" mit seinem Umfang und seinem Sinn für Action-Set-Pieces punktet und dass man die Wege deutlich bemerkt, auf denen sich der Film gegen die Plastizität des Franchise wehrt. Chloé Zhao, die ihren Oscar-gekrönten Film "Nomadland" während der Vorproduktion zu diesem Film drehte, ist nicht die erste Autorin, die einem dieser Spektakel aus Feiges Geldfabrik ihren ganz eigenen Stempel aufdrückt.

Dennoch ist es ein himmelweiter Unterschied, ob man einen Shane Black engagiert, um "Iron Man 3" eine bittere Dosis Schwermut zu verleihen, oder ob man die Zügel eines 200 Millionen Dollar teuren Blockbusters einem Arthouse-Liebling überlässt, die noch nie an einem Set gedreht, die meisten seiner Rollen mit Laiendarstellern besetzt hat und deren Werk aus zwei Indie-Dramen mit kleinem Budget besteht. Zhao diesen Job zu geben, ist einfach die interessanteste (und gleichzeitig klügste) Entscheidung, die MARVEL je in der Chefetage getroffen hat. Das spiegelt auch der Stil des Films wider: Außenszenen sind der Ernsthaftigkeit halber entsättigt, aber mit natürlichem Licht gedreht, Dialoge werden oft ohne bombastische Untermalung ausgetauscht, und viele der Eternals, die von Zhao, Patrick Burleigh und dem Drehbuch von Ryan und Kaz Firpo eingeführt werden, sehen aus wie echte Menschen und verhalten sich auch so (auch wenn sie in Wirklichkeit unsterbliche Aliens sind, die für alle Zeiten in denselben Körpern stecken).

Einige der größeren Spezialeffekte sind so monumental, dass sie wieder einmal über den Realismus hinausgehen, bis sie hier ein Gefühl der Ehrfurcht beim Zuschauer hervor raufen, das im MCU schmerzlich vermisst wurde. In einer für diese Filme erfrischenden Abwechslung wird die kulminierende CGI-Orgie dennoch mit einem Fingerspitzengefühl dargestellt, das eher bedrohlich als betäubend wirkt. Aber es gibt auch andere Momente digitaler Erhabenheit. Der Prolog, in dem sich die beiden Ewigen Sersi (Gemma Chan) und Ikaris (Richard Madden) zum ersten Mal an Bord des erdgebundenen Raumschiffs ihrer Besatzung begegnen, hat etwas von der majestätischen Erhabenheit, die Stanley Kubrick in "2001" einbrachte.

Die Besetzung des Films ist indes zu groß, um jeder Figur einen erfüllenden Handlungsbogen zu geben, aber das Drehbuch von Zhao, Patrick Burleigh, Ryan Firpo und Kaz Firpo widmet den größten Teil der Laufzeit des Films den überzeugenden Figuren. Sersi (Gemma Chan) mit ihrer Fähigkeit, unbelebte Materie von einer Form in eine andere zu verwandeln - am wirkungsvollsten gezeigt, als sie einen rasenden Bus in Rosenblätter verwandelt - ist de facto die Protagonistin: Sie ist hin- und hergerissen zwischen ihrem Leben, in dem sie vorgibt, sterblich zu sein und mit ihrem Freund, dem Historiker Dane (Kit Harington), zusammen zu leben, und ihrem größeren Ziel, das sie zu hinterfragen beginnt, allerdings erst, als sie dazu gezwungen wird. Es ist eingangs beinahe so, als würden die Eternals ihr Gelübde der Nichteinmischung so ernst nehmen, dass sie sich auch weigern, die Handlung des Films voranzutreiben. Keine Beziehung im MCU hat dem zum Trotz so viel Wärme ausgestrahlt wie die zwischen dem Ingenieur-Mystiker Phastos (ein unglaublich symphatischer Brian Tyree Henry) und seinem Mann. Die ewig vorpubertäre Sprite (Lia McHugh) wird von dem Wissen gequält, dass sie nie erwachsen sein wird. Der bewusstseinskontrollierende Druig (ein überzeugend unnahbarer Barry Keoghan) ist durch die Bewusstseinskontrolle, die er über die Menschen ausübt, von ihnen isoliert, ebenso wie der sanftmütige Gilgamesh (ein herrlich robuster Don Lee) von seiner platonischen Lebenspartnerin abgeschnitten ist, weil ihre tödliche außerirdische Demenz sie auf Abstand hält (Thena wird von Angelina Jolie gespielt, deren immense Starpower eine so kleine Rolle tatsächlich unabsichtlich aus dem Gleichgewicht bringt). Sersi und Ikaris (Richard Madden) mögen nun durch das schiere Gewicht ihrer moralischen Positionen geplättet sein, aber der Rest der ungewöhnlich menschlichen Nebenfiguren dieses Films hilft dabei, "Eternals" wunderbar in der Realität zu verankern, während das Ausmaß der Story so groß wird, dass sich die gesamte "Avengers"-Saga im Vergleich dazu wie ein sprichwörtlicher Klacks anfühlt. Sogar Kumail Nanjianis Kingo, der dem am wenigsten komischen MARVEL-Film die dringend benötigte Leichtigkeit verleiht und mehr Spaß an der Sache mit der Unsterblichkeit hat als jeder seiner außerirdischen Freunde, erhält den Raum, um in der Vorbereitung auf die finale Schlacht eine bizarre, aber äußerst nachvollziehbare Entscheidung zu treffen. Das dramatische Gewicht von Zhaos Film rührt von dem Gefühl her, dass sie die Geschichte erzählt, die allen anderen Geschichten im MCU zugrunde liegt, und wenn die Eternals unweigerlich in Rivalen aufgespalten werden, sind ihre kämpferischen Worte mit dem Gewicht der gemeinsamen Jahrtausende geerdet.

Ein Großteil der Dialoge in "Eternals" konzentriert sich auf die wichtige Rolle, die der Tod bei der Wiedergeburt spielt, und doch sind es die sich ständig weiterentwickelnden Deviants, die die natürliche Ordnung der Dinge darstellen und die dafür viel zu belanglos fallen gelassen werden. Die meisten von Zhaos Helden hingegen beschließen, die Weisheit, die sie in 7.000 Jahren auf der Erde gesammelt haben, zu verwerfen und sich gegen den Kreislauf des Lebens zu stellen. Man kann es ihnen nicht verübeln - selbst unsterbliche Weltraumwesen sind bereit, für die Liebe zu sterben -, aber den Eternals dabei zuzusehen, wie sie den unendlichen Wandel des Universums ablehnen und für den Schutz des Status quo kämpfen, ist eine ebenso berührende Metapher für die Filme im Allgemeinen wie eine vernichtende Selbstkritik an ihnen im Besonderen.

"Eternals" war in einzigartiger Weise geeignet, das MCU in neue Richtungen voranzutreiben, und Feiges Entscheidung, das Projekt einer so eigenwilligen Filmemacherin anzuvertrauen, scheint auf die Bereitschaft hinzudeuten, dieses Potenzial auszuschöpfen. Die Geschichte mag den Kern der Reihe treffen, aber abgesehen davon ist sie fast vollständig vom Rest der Saga abgekoppelt. Das gilt auch für den Stil und den Ton des Films, zumindest im Kontext eines Franchise, das bisher nur zwischen verschiedenen Geschmacksrichtungen desselben Grundgerichts wechselte. Den Eternals wird gesagt, dass sie sich nicht in die Abläufe unserer Welt einmischen sollen, und so ist es nur logisch, dass ihr Abenteuer ein Stückchen außerhalb des MCU stattfindet. Trotz all der beiläufigen Entscheidungen, die "Eternals" von anderen Filmen abheben, die zu versprechen scheinen, dass MARVEL die nötige Chuzpe gefunden hat, um die Form des Vibranium-Blockbusters zu brechen (oder zumindest zu verbiegen), die es von Anfang an so kühn geschmiedet hat, hält sich Zhaos Film im Hintergrund an die althergebrachte Vorlage.

Der zugrundelegende Konflikt ist auch beileibe nicht neu: hier wird eine intergalaktische Version desselben Problems aufgewärmt, das Iron Man in "Civil War" gegen Captain America aufbrachte - ist aber wesentlich nachvollziehbarer aufgezogen. Und während die Deviants hier einen seltsam anderen Zweck erfüllen, als man von früheren MCU-Bösewichten erwarten könnte, ist der Endkampf dann ebenso besser gelöst. Man merkt deutlich: Filme können groß genug für Ideen wie diese sein: schwierige Gespräche von kosmischer Bedeutung ohne eindeutige Antwort, wütende Konfrontationen mit einem gefühllosen Gott und die Frage, ob sich unser moralischer Kompass verschieben sollte, wenn Perspektive und Reichweite wächst. "Eternals" hat eine Welt erschaffen, in der diese Fragen eine Rolle spielen, für seine Figuren und für sein Publikum. "Eternals" ist erstaunlicherweise auch groß genug dafür. So sehr, dass sich das Marvel Cinematic Universe jetzt einfach zu klein anfühlt. Es wird sich in absehbarer Zukunft weiter ausbreiten, und man darf gespannt sein, was da noch auf den Zuschauer zukommt. Die erwartete, unvermeidliche und gleichwohl heißbegehrte End-Credits-Sequenz offenbart zumindest mehr Screentime für einen weiteren, bis dato wenig beachteten Charakter.

8,5/10

Von WALT DISNEY Studios Home Entertainment gibt es den Film auch in Ultra-HD im limitierten Steelbook.


Quellen

Inhaltsangabe: Marvel / Disney

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