Eddie Brock (Tom Hardy) lebt nun schon seit einiger Zeit mit dem außerirdischen Parasiten Venom in seinem Körper und die beiden haben sich mehr oder weniger miteinander arrangiert. Allerdings will Venom am liebsten den ganzen Tag Bösewichte verhauen und seinen gewaltigen Hunger stillen, während Eddie darum kämpft, seine Karriere als Journalist wieder in Gang zu bringen. Eine passende Gelegenheit könnte der Serienkiller Cletus Kasady (Woody Harrelson) sein, dessen Opfer immer noch nicht gefunden wurden und der nur mit Eddie über seine Taten sprechen will. Als Cletus dann hingerichtet werden soll, überlebt er, weil er sich ebenfalls mit einem Parasiten verbunden hat: Als Carnage sorgt er fortan für ein wahres Gemetzel, wobei ihm Frances Barrison alias Shriek (Naomie Harris) hilft, die über Schall-Superkräfte verfügt. Eddie und Venom haben also einiges zu tun...
Der Vorgänger "Venom" mag einer der am schlechtesten bewerteten MARVEL-Filme aller Zeiten gewesen sein - der Film hat eine recht undankbare (und eigentlich auch ungerechtfertigte) 30%-Bewertung auf Rotten Tomatoes -, aber das hielt das Publikum nicht davon ab, in Scharen in die Kinos zu kommen, um einen Tom Hardy zu sehen, der die Figur in dem kitschigen Alleinunterhalter von 2018 verkörpert, der weltweit erstaunliche 864 Millionen Dollar einspielte. Kein Wunder also, dass das Mutterstudio Sony (dessen Anteil des ertragreichen MARVEL-Kuchens sich auf das "Spider-Man"-Franchise und seine Spin-offs beschränkt) bereits Anfang 2019 grünes Licht für eine auch in "Venom" angeteaserte Fortsetzung gab, in der Venom gegen seine bekanntesten Nemesis antreten sollte: Carnage.
Die Fortsetzung "Venom: Let There Be Carnage" ist nun vieles: eine Blockbuster-Comic-Fortsetzung, eine Komödie mit ungleichen Freunden und eine großartige Gelegenheit für herrlich selbstbewusstes Overacting. Aber in seinem Kern, unter den verrückten Witzen, dem Zähnefletschen und dem Glibber, ist er etwas ganz anderes: eine Beziehungsgeschichte. Nicht zwischen Tom Hardys Eddie Brock und Michelle Williams als der Entflohenen, nicht einmal zwischen Woody Harrelsons schurkischem Carnage und Naomie Harris' missverstandener Mutantin Shriek, sondern zwischen Eddie und dem in ihm wohnenden, riesigen Symbionten Venom. Das hört sich verrückter an, als es tatsächlich ist und wenn man bedenkt, dass es sich um einen Film handelt, in dem ein völlig wahnsinniger außerirdischer Parasit im Inneren eines unerschrockenen Reporters wohnt und mit ihm mit knurrigen Lauten zankt und stichelt. Klar, Venom schimpft ständig darüber, dass er nicht oft genug ausbrechen und Menschen (Gehirne) fressen kann und dass ihm eine Diät aus Hühnern und Schokolade nicht ausreicht, um ihn zu ernähren. Er ist oft die Stimme von Eddies Urängsten und Unsicherheiten, aber er ist auch Eddies wichtigster Untertsützer, der ihn ermutigt, sich mit Williams' Anne zu versöhnen, die inzwischen mit dem weitaus passenderen Dr. Dan Lewis (Reid Scott) verlobt ist.
Wie schafft man in einer Welt der Helden einen Platz für ein Monster? Im
Fall von "Venom" scheint Sony/MARVELs Antwort zu sein: Man macht ihn
lustig und lässt ihn gegen Monster kämpfen, die noch mordlustiger sind
als er selbst. Albernheit war die Stärke des ersten Films, und das scheinen alle Beteiligten erkannt zu haben und sich daher für die Fortsetzung kräftig ins Zeug gelegt. Unter der Regie von Motion-Capture-Star und aufstrebenden Blockbuster-Regisseur Andy Serkis, der für Ruben Fleischer einsprang, ist "Venom: Let There Be Carnage" etwas spritziger und lockerer. Dafür sorgt auch die knackige Laufzeit.
Cletus' Verwandlung in den blutrote gefärbten Carnage - eine größere, wildere und schwerer bewaffnetere Version von Venom - ist ein wahres Feuerwerk aus Lärm und Wut. Es ist auch das erste Anzeichen dafür, dass die Action in dieser Fortsetzung nicht annähernd so fesselnd sein wird wie die Komödie. Aber wenigstens sieht man das Geschehen deutlicher als im ersten Film, vor allem dank der Arbeit von Robert Richardson, der oft als Kameramann für Martin Scorsese arbeitete. Im ersten "Venom" war mit Matthew Libatique ein wahrer Künstler am Werk, aber viele der Szenarien fanden im Dunkeln und bei Nacht statt, dass es oft schwer zu erkennen war, wer was mit wem machte. Hier ist es immer noch düster - vor allem während eines nächtlichen Showdowns vor einer Schule für gestörte Kinder -, aber insgesamt ist die Action sehr lebendig. Richardson ist übrigens auch eine amüsante Wahl, wenn man Scorseses skandalöse Kommentare darüber bedenkt, ob MARVEL-Filme Kino sind. Der Kameramann ist offenbar der Meinung, dass sie es so ist.
Doch leider hat "Venom: Let There Be Carnage" auch so seine Probleme. Es gibt beispielsweise nie einen Moment oder eine Sequenz, in der Cletus über seine schockierenden, neu entdeckten Fähigkeiten überrascht ist, was sich irgendwie falsch anfühlt. Vielmehr trägt er den Parasiten Carnage sofort wie einen maßgeschneiderten Anzug, als wäre er damit geboren worden. Und seine erste Aufgabe besteht darin, die Frau, die er liebt, aus einem Hightech-Gefängnis zu befreien: Frances Barrison (Harris), die wegen ihrer ohrenbetäubenden Stimme besser als "Shriek" bekannt ist.
Das passt gut, weil ihre lauten Geräusche auch die beiden Kontrahenten Venom und Carnage schwächen. Doch unabhängig davon ist Cletus' Wiedersehen mit der Frau, die er seit seiner Kindheit liebt, wie der Zuschauer in einer Rückblende erfährt, nie so interessant wie die Auswirkungen von Eddies sich ständig ändernder Beziehung zu Venom. Trotzdem wird es irgendwann der Albenheiten zu viel. Der Tiefpunkt des Films ist Venoms Soloausflug zu einem Halloween-Rave, bei dem er der Hit der Party ist, in einem Kostüm, von dem alle annehmen, dass es ein sehr aufwändiges ist. Es gibt auch eine kleinere Szene mit der Supermarktbesitzerin Mrs. Chen, die von Peggy Lu zwar mit perfektem Timing und Technik gespielt wird, die aber völlig belanglos ist. Was diese beiden Szenen zeigen, ist die sanftere Seite dieses Symbionten und die unerwartete Wirkung, die er nicht nur auf Eddie hat. Das ist zwar ganz okay, fühlt sich aber unnütz an. Was der Zuschauer nämlich sehen will, sind die grandiosen Momente, in denen sich die riesigen schwarzen und roten Viecher aufeinander stürzen.Es gibt auch nichts, was sich an der letzten ultimativen Schlacht falsch anfühlt, aber das Beste, was man über die Action in "Venom: Let There Be Carnage" sagen kann, ist, dass sie den Film nicht willenlos über die anderthalb-Stunden-Marke hinauszieht. Und trotz aller Hinweise auf eine freundlicher Version des Symbionten überwiegt glücklicherweise der bösartige Venom und angesichts nun zweier engagierter Filme und einer prominenten Rolle in Sam Raimis enttäuschendem "Spider-Man 3" verfügt Venom immer noch über ein enormes, ungenutztes Potenzial, das sicher irgendwann jemand ausschöpfen wird. Der Abspann lässt zumindest auf weitere Filme und sogar einen Crossover hoffen.
6/10
Quellen:
Inhaltsangabe: Sony Pictures
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