Der ehemalige Polizist und jetzige Zuhälter Joong-ho (Yun-seok Kim) vermisst zwei seiner Mädchen, die von ihrem Kunden nicht zurückgekehrt sind. Eines Nachts muss er deshalb Mi-jin (Seo Yeong-hee) zu einem Freier schicken. Als sie bereits unterwegs ist, stellt er fest, dass es sich dabei um denselben Kunden handelt, der bereits die anderen zwei Prostituierten bestellt hatte.
Joon-ho denkt, dass der Mann seine Mädchen verkaufen will und beschließt, ihn aufzuspüren. Zur gleichen Zeit ist Mi-jin in der Gewalt von ihrem Freier, dem psychopathischen Killer Young-min (Jung-woo Ha), der genau in dem Moment von einem älteren Pärchen gestört wird, als er das Mädchen umbringen will. Joon-Ho macht sich an anderer Stelle ohne die Hilfe der Polizei, die ihrer Meinung nach Besseres zu tun hat, auf die Suche nach Mi-jin. Bei ihm ändern sich dabei auch die Motive seiner Suche. Ging es ihm zunächst nur ums Geld, denkt er jetzt an das Mädchen und ihre kleine Tochter Eun-ji (Kim Yoo-jeong). Plötzlich hat er einen Autounfall und der Fahrer, mit dem er zusammengestoßen ist, ist kein geringerer als Young-min...
Der südkoreanische Film "The Chaser" von Regisseur Hong-jin Na handelt in seiner ersten halben Stunde quasi als Prämisse bereits ab, wofür andere Filme zwei Stunden brauchen. Viele Crime-Thriller dieser Art enden mit dem Geständnis des Killers, nicht aber "The Chaser". Wo andere Filmemacher ihre Schlussnote setzen, da legt Na überhaupt erst richtig los und wandelt damit auf ausgesprochen interessanten erzählerischen Pfaden, entfesselt er seine zunehmend finsterer werdenden menschlichen Abgründe erst so richtig, wenn der Täter vermeintlich sicher hinter Schloß und Riegel sitzt. Das Geständnis des Täters eben nicht an den Schluss zu setzen, sondern zum Aufhänger und Ausgangspunkt für eine ungleich spannendere Geschichte zu machen, das zeugt von großartigem Handwerk in puncto Drehbuch und Spannungsbogen. Zudem bedarf es durchaus auch etwas an Mut, mit Joong-ho Eom einen Zuhälter zur treibenden Kraft des Filmes zu machen, der dazu zumindest anfangs noch nicht sonderlich sympathisch wirkt. Zwar wandelt sich dessen Verhalten im Laufe des Plots genre-gemäß deutlich hin zum Positiven, bis zum bitteren Schlusspunkt jedoch bleibt der Blick auf diese Figur ausgesprochen ambivalent und Na stilisiert ihn nie zum strahlenden Helden oder läuft Gefahr der Glorifizierung.
Ihm gegenüber steht Young-min Jee als Serienkiller ohne jegliches Unrechtsbewusstsein und vollkommen ohne Empathie. Wie Jung-woo Ha diesen verkörpert, das kann einem echt unter die Haut gehen. Er ist absolut unberechenbar in seinen Aussagen und Reaktionen, ist eben noch der freundliche Nachbar von nebenan und im nächsten Moment ein abscheuliches Monster. Wenn er auf dem Polizeirevier im Verhör detailliert schildert, wie er seine Opfer fachgerecht zerlegt und entsorgt, dann geschieht das mit einer kaum zu fassenden Selbstverständlichkeit, als würden Kochrezepte ausgetauscht werden. Überhaupt verbringt der Film nicht unähnlich dem ebenfalls aus Südkorea stammenden Thriller "Memories Of Murder" von Joon-ho Bong relativ viel Zeit auf dem Polizeirevier und prangert unfähige Polizisten, Ermittlungspannen, willkürliche Polizeigewalt und eine festgefahrene Justiz an, wenn das alles in Kombination mit Glück und Zufall Young-min immer wieder zu Gute kommt und hilft, denn der ist alles andere als sonderlich intelligent und macht Fehler zuhauf. Auch Joong-ho hat Glück bei der Suche nach seinen Mädchen, kann aber auch Hartnäckigkeit und Akribie in die Waagschale werfen. Die atemlose Jagd kulminiert dann in einem meisterhaft inszenierten und regelrecht schweißtreibendem, emotional anstrengendem letzten Drittel, in welchem Na nochmals gewaltig an der Spannungsschraube dreht und schließlich Young-min auf Joong-ho treffen lässt. Alles mündet in einem brachialen und rohen Schlusskampf, weit entfernt von hübsch choreografierten Szenen und ist vielmehr dreckig, unangenehm und schmerzhaft anzusehen. Erlösung gibt es keine, nur Schmerz, Wut und Trauer. Die letzte Einstellung ist sehr bezeichnend, wenn Joong-ho müde, erschöpft, blutüberströmt und am Ende seiner Kräfte auf einem Stuhl am Krankenhausbett der kleinen Eun-ji einfach in sich zusammen sinkt.Wenn man bedenkt, das "The Chaser" die erste Regiearbeit von Hong-jin Na ist, dann fällt es noch schwerer zu glauben, wie selbstbewusst und smart er seinen Film inszeniert und sich vielmehr auf die Stärken des Drehbuchs, die hervorragend geschriebenen Figuren sowie starke Dialoge verlässt als auf plumpe Action und lautes Spektakel. Darüberhinaus sieht "The Chaser" auf der visuellen Ebene geradezu unverschämt gut aus und versteht es gekonnt, diese eine lange Nacht in den Vororten von Seoul in einprägsame Bilder zu überführen. Solche Erstlingswerke verdienen Respekt.
8/10
Inhaltsangabe: MFA+ Filmdistribution
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