Aufgrund seiner Probleme mit Autoritäten hat es Flieger-Ass Maverick (Tom Cruise) nie geschafft, die ganz große Karriere in der Navy zu machen. Anstatt Orden konnte er so vielmehr disziplinarische Verfahren sammeln. Nachdem er erneut über das Ziel hinausgeschossen ist, wird er kurzerhand zu seiner alten Elite-Flugschule Top Gun versetzt. Dort soll er die jungen Flieger*innen, unter denen sich auch Rooster (Miles Teller), der Sohn seines verstorbenen besten Freundes Goose (Anthony Edwards) befindet, auf eine Mission vorbereiten, die eigentlich unmöglich zu bewerkstelligen ist: Das schwer geschützte Nuklearprogramm eines fremdes Landes muss zerstört werden. Weniger als drei Wochen bleiben zur Vorbereitung. Maverick hat nun alle Hände voll damit zu tun, die besten Absolvent*innen der vergangenen Jahre zu einem Team zu formen, damit der Einsatz nicht zum Selbstmordkommando verkommt.
36 Jahre, nachdem "Top Gun" mit seiner actionreichen Formation an Grumman F-15 Tomcats die Kinoleinwände und die Herzen der Zuschauer mit Mach 2,2 eroberte, kommt nun, mit 2 Jahren Verspätuzng, bedingt auch hier durch die Covid-19-Pandemie, die Fortsetzung in die Kinos. In "Top Gun: Maverick", der atemlosen, Schwerkraft und Logik widersprechenden Fortsetzung, die irgendwie allen Sinn der Welt ergibt, obwohl sie mehr als drei Jahrzehnte nach dem Original des verstorbenen Tony Scott spielt, bezeichnet ein Admiral Tom Cruises Marineflieger Pete Mitchell - Rufzeichen "Maverick" - als "the fastest man alive". Eine Szene, die zum Schmunzeln einlädt und die sicher nicht ganz unabsichtlich an eine Szene in "Mission: Impossible - Rogue Nation" erinnert, als Alec Baldwins hochrangiger Alan Hunley Cruises Ethan Hunt für "die lebende Manifestation des Schicksals" hält. In keinem dieser Fälle beziehen sich Cruises Co-Stars ausschließlich auf seine fiktive Leinwandfigur. Sie sprechen auch (oder besser gesagt, in erster Linie) über das fortwährende Vermächtnis von Cruise, dem Schauspieler selbst.
Ganz realistisch betrachtet, verdient unser furchtloser und immer gut aussehender Actionheld beide Beurteilungen mit einer großzügigen Portion Applaus, denn er ist einer der kostbaren Überbleibsel echter Film-Superstars von einst, ein langsam schwindender Begriff von ikonischer Unsterblichkeit, den kein Actionstar heutzutage mehr in der Lage ist zu erreichen. In der Tat verdient Cruises beständiges Engagement für die Hollywood-One-Man-Show - zusammen mit dem irrsinnigen Maß an körperlichem Geschick, welches er unfehlbar auf den Tisch legt, indem er darauf besteht, seine Stunts selbst zu machen - den gleichen hohen Respekt, der normalerweise für die ganz und gar methodischen Typen wie Daniel Day-Lewis reserviert ist. Selbst wenn man die Tatsache übersieht, dass Cruise mit Filmen wie "Geboren am vierten Juli", "Magnolia", "Tropic Thunder" und "Collateral" einer der begabtesten und vielseitigsten dramatischen und komödiantischen Schauspieler ist, wird man nie vergessen, warum man sich einen Tom-Cruise-Film anschaut, was zu einem großen Teil seinem oben erwähnten dauerhaften Engagement zu verdanken ist. Wie viele andere bekannte Namen und Gesichter können heutzutage von sich behaupten, "ein einzigartiges Kinoerlebnis" zu garantieren und dieses auch jedes Mal zu liefern- und das noch ohn Ausnahme?
"Top Gun: Maverick" ist ein guter Adrenalinschub von Regisseur Joseph Kosinski, der seinem Hauptdarsteller erlaubt, genau das zu sein, was er ist - ein etablierter Star - und der gleichzeitig die emotionalen und dramatischen Aspekte seines Vorgängers mit einer gesunden (aber nicht übertriebenen) Dosis Nostalgie aufwertet. Nach einer Titelkarte, die erklärt, worum es sich bei "Top Gun" handelt - dieselbe, die den Zuschauer 1986 in die Welt der erstklassigen Navy-Piloten einführte -, findet man Maverick in einer Rolle am Rande der US-Marine, wo er als unerschrockener Testpilot vor der vertrauten Kulisse von Kenny Loggins' "Danger Zone" arbeitet. Es ist wenig überraschend, dass er schon bald zu einer Art One-Last-Job-Mission als Lehrer für eine Gruppe von Top-Gun-Absolventen gerufen wird. Und sein Auftrag ist genauso obskur und politisch verquer wie im ersten Film. Es gibt einen ungenannten Feind - nennen wir ihn Russland, weil es wahrscheinlich Russland ist -, einige Ziele, die zerstört werden müssen, einen Flugplan, der verrückt klingt, und einen Plan, der von allen erfolgreichen Top-Gun-Rekruten verlangt, in gefährlich niedriger Höhe zu fliegen. Aber ist es machbar?
Die Chancen stehen wie immer schlecht, wenn man sich Details der Operation - die den Fliegeranwärtern in einem an "Mission: Impossible" erinnernden Stil erklärt werden - so ansieht. Aber man darf durchaus überrascht sein, dass das menschliche Drama, das die Drehbuchautoren Ehren Kruger, Eric Warren Singer und Christopher McQuarrie nach einer Geschichte von Peter Craig und Justin Marks inszenieren, ansprechender ist als die Aussicht auf die halsbrecherische Mission. Zu den potenziellen Rekruten gehört unter anderem Leutnant Bradley "Rooster" Bradshaw (großartig: Miles Teller), der Sohn des verstorbenen "Goose", dessen Unfalltod Maverick immer noch genauso verfolgt wie jeden Fan des ersten Teils. Und als ob Roosters verständliche Abneigung gegen ihn nicht schon genug wäre (trotz Mavericks unverhohlenem Beschützerinstinkt ihm gegenüber), gibt es auch noch Skeptiker, die Mavericks Referenzen anzweifeln - Jon Hamm's Cyclone zum Beispiel kann nicht verstehen, warum Mavericks Feind, der sich in einen Freund verwandelt hat, Iceman (Val Kilmer, der mit einer zu Tränen rührenden Rolle zurückkehrt), auf ihn als Lehrer für die Mission besteht. Erschwerend kommt hinzu, dass Maverick mit Penny Benjamin (eine bezaubernde Jennifer Connelly) liiert ist. Hui-ui-ui, was für eine Verstrickung, in der man seine Nation verteidigen und eine bestimmte Art von amerikanischem Stolz zelebrieren soll...
In einer anderen Verpackung hätte dieses ganze Tohuwabohu und stolze "High-Five", welches in "Top Gun: Maverick" zu sehen ist, grenzwertig bis unerträglich sein können. Aber glücklicherweise scheint Kosinski, dessen allgemein unterbewerteter Film "Only The Brave" jetzt hoffentlich ein zweites Leben findet, genau zu wissen, welche Art von Film er abzuliefern hat. In seinen Händen hält der Ton von "Top Gun: Maverick" eine feine Balance zwischen gut gelaunter Eitelkeit und halb ernster Selbstironie, komplett mit vielen zitierfähigen Sprüchen und überraschenden, emotionalen Momenten.
In gewissem Sinne nimmt der Film Begriffe wie Freundschaft, Loyalität, Romantik und Bro'mance am ernstesten. Alles andere, was diese Begriffe umgibt - wie der patriotische Egoismus - wirkt wie ein spielerisches Augenzwinkern und eine Verschönerung, um einen Actionfilm der alten Schule zu gestalten. Und weil dieser Modus eindeutig von der gesamten Besetzung geteilt wird - von einem denkwürdigen Ed Harris, der um mehr Leinwandzeit bittet, über den immer großartigen Glen Powell als verführerisch übermütiger "Hangman", Greg Tarzan Davis als "Coyote", Jay Ellis als "Payback", Danny Ramirez als "Fanboy", Monica Barbaro als "Phoenix" und Lewis Pullman als "Bob" -, läuft "Top Gun: Maverick" voll und ganz auf der Siegergeraden. "Top Gun: Maverick" lebt zuweilen ganz von seiner mitreißenden Harmonie auf der Leinwand. Ein Beweis dafür ist die intensive, feurige Chemie zwischen Connelly und Cruise - das ist wirklich sexy - und (in einer nostalgischen Anspielung auf das Original) eine ziemlich sinnliche Strandfußballsequenz, die von Claudio Miranda mit karminroten Farbtönen und suggestiven Schatten aufgenommen wurde.Doch auch die Actionsequenzen - all die Tiefflüge, Luftkämpfe und Cruise auf einem Motorrad in seiner originalen Top Gun-Lederjacke - sind die atemberaubenden Stars von "Top Gun: Maverick", oft untermalt von Harold Faltermeyers feierlicher Originalmusik (unterstützt durch Einschübe von Hans Zimmer und Lorne Balfe). Berichten zufolge wurden alle Flugszenen - von denen einige für Cruise die reinsten Höllenmomente sind - in echten F/A-18 der US-Marine gedreht, für die die Darsteller in einem verblüffenden Prozess ausgebildet werden mussten. Die authentische Arbeit, die in jede Einstellung eingeflossen ist, zeigt sich deutlich. Wenn die Jets die Atmosphäre durchschneiden und in rasiermesserscharfen Bewegungen über den Boden ihres Ziels streifen - alles kohärent geschnitten von Eddie Hamilton -, dann erzeugen sie damit ein Gefühl, was sich wunderbar anfühlt und der größten Leinwand würdig ist, die man überhaupt finden kann. Ebenso würdig für die große Leinwand sind die emotionalen Einschläge von "Top Gun: Maverick", die eine unerwartete Wucht entfalten. Sicher, man könnte sich auf einen weiteren Ausflug mit "Maverick" gefasst machen, aber vielleicht nicht auf einen, der am Ende ein oder zwei Taschentücher erfordert.
8,5/10
Quellen:
Inhaltsangabe: Paramount
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen