Montag, 15. Februar 2021

Seraphim Falls (2006)

https://www.imdb.com/title/tt0479537/

Irgendwo in den Rockies, einige Jahre nach dem Ende des amerikanischen Bürgerkriegs. Der Trapper Gideon (Pierce Brosnan) macht sich in den schneebedeckten Bergen am Lagerfeuer einen kleinen Happen zu Essen, den er zuvor erlegt hat. Plötzlich knallen Schüsse, einer trifft ihn in den Arm. Kein Zweifel, der Mann wird gejagt. Ihm auf den Fersen ist ein Trupp von skrupellosen Jägern, angeführt von dem verbissenen Hühnen Carver (Liam Neeson). Warum die Männer auf der Jagd sind, wissen die angeworbenen Söldner nicht. Ihnen ist nicht bewusst, dass Carver Gideon für den Tod seiner Familie verantwortlich macht und nun blutige Rache geschworen hat. Nur eines wird von vornherein klar: Es geht um Leben und Tod. Gideon macht sich Hals über Kopf und ohne Pferd auf die Flucht durch die verschneiten Berge und schlägt Haken über Haken, nur bewaffnet mit einem riesigen Jagdmesser. Doch zu sterben ist er noch nicht bereit und man muss sich fragen, wer ist hier Jäger und wer Gejagter?

"Seraphim Falls" beginnt auf eine recht ungewöhnliche Art und Weise. Völlig ohne Kontext sehen wir dabei zu, wie eine Gruppe von Menschen um einen gewissen Carver (Liam Neeson) einen anderen Menschen namens Gideon (Pierce Brosnan) durch die verschneite Wildnis Nevadas jagen. Wir wissen nichts über die beiden Personen. Gideon, der Gejagte, könnte ein Mörder sein, ein Deserteur oder ein unschuldig Verurteilter - es macht keinen Unterschied. Als Zuschauer identifiziert man sich auf der Stelle mit ihm, einfach deswegen, weil wir dabei zusehen, wie energisch und verbissen er um sein Leben kämpft. Die Handlung des Films ist hier auf die nahezu elementarste Struktur heruntergebrochen - Jäger und Gejagter - und der Film macht für lange Zeit ein Geheimnis darum, was es mit beiden Figuren auf sich hat und wie ihre Geschichte miteinander verbunden ist. Im Laufe der nächsten 75 Minuten streut der Film immer wieder Hinweise ein, bis er schließlich alles mit einem Mal auflöst. Bis dahin jedoch erstreckt sich die Jagd über verschneite Eislandschaften, grüne Hügel, einer Zeltstadt und schließlich bis in die Wüste, wo sie zu einem nahezu biblischen Schluss kommt. Sowohl Carver als auch Gideon sind allerdings keine leeren Charaktere; ihre Rollen werden durch Liam Neeson und Peirce Brosnan auf eine Weise verkörpert, die erkennen lässt, dass es sich bei ihnen um innerlich zerrissene Personen handelt. Es gibt hin und wieder Charaktermomente der beiden - etwa wenn Gideon im Haus der Trapper zu Beginn des Films Unterschlupf findet und der Anblick der Familie ihn in Tränen ausbrechen lässt - welche eine Ahnung, ein Gespür für sie vermitteln, allerdings erst im Nachhinein einen Sinn ergeben. 

In "Seraphim Falls" gibt es keine Politik, keine sozialen Konflikte oder großartigen Nebenhandlungen, welche von der Jäger-und-Gejagten-Handlung ablenkt. Und dies spiegelt sich auch in der Landschaft wider, welche die meiste Zeit über völlig leer ist. Die verschneiten Winterlandschaften, die grünen Hügel und Ebenen und schließlich die Hitze der Wüste, in welcher der niedergedrückte Konflikt schließlich ausbricht und zu seiner Entscheidung kommt; das Einzige, was in dieser endlosen Leere wichtig ist, sind die beiden Figuren und ihr Schuld- und Rachemotiv. Die Weite der Landschaften spiegelt zugleich die Leere und Einsamkeit von Carver und Gideon wieder, welche nur noch von ihren Dämonen getrieben werden. Dies gibt dem Film vor allem eine metaphorische, wenig auf Realismus bedachte Note, welche im Vergleich zu Westernfilmen der letzten Zeit durchaus erfrischend ist. Die Art, wie dieser Konflikt schließlich aufgelöst wird, irritiert zunächst. Das eigentliche Finale hingegen ist wunderbar gelungen, sowohl durch die Schauspieler, die Inszenierung als auch durch den langsamen, aber effektiven emotionalen Build-Up. 

"Seraphim Falls" ist trotzdem leider nicht gänzlich gelungen. Gerade im Mittelteil schleichen sich einige Längen ein und die Struktur der dargestellten Jagd ist letztendlich immer dieselbe. Diese Längen sind Bestandteil des Konzeptes; sie verdeutlichen ja geradezu, dass man der Schuld nie davonlaufen kann und die Rache ewig an einem nagt, wenn man nicht in der Lage ist, seinen Frieden mit den Geschehnissen zu machen. Dennoch ändert das nichts daran, dass die minimale Handlung mit zunehmender Laufzeit ein wenig schlaucht, gleichwohl sich die Macher viel einfallen lassen, die Schauspieler ihr bestes geben und die visuelle Pracht des Films schlicht beeindruckend ist, um diesen Sachverhalt zumindest zum Teil zu kaschieren. Doch am Ende ist es ist einfach schön, nach all den Blockbuster- und Over-the-Top-Spektakeln mal wieder einen Genrefilm zu sehen, welcher all seine Elemente einem überliegenden, zwar nicht neuen, aber doch schön umgesetzten Konzept zugrundeliegt. In Zukunft gerne mehr davon. 

7/10

Quellen
Inhaltsangabe: Hightlight Film

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