Šarlota (Natalia Germani) und ihre jüngere Schwester Mira werden von ihrer Mutter misshandelt. Die beiden Mädchen versuchten, ihr zu entkommen, doch der Versuch geht schief und Šarlotas kleine Schwester stürzt von einer Klippe in den Tod. Als Šarlota als Erwachsene in das abgelegene Bergdorf zurückkehrt, um die Angelegenheiten der verstorbenen Mutter zu regeln, kommt eine Menge ungelöster Traumata an die Oberfläche. Die Einheimischen begegnen ihr mit Misstrauen bis hin zur Verachtung, und sie schläft in einer verfallenen Hütte, die einst der örtlichen "Hexe" Otyla (Eva Bittová) gehörte. Sie freundet sich mit einer anderen Frau aus dem Ort an, Mira (Eva Mores), die ähnlich misstrauisch ist, und beginnt langsam, sich mit Aspekten ihrer Vergangenheit zu versöhnen. Als jedoch zwei kleine Kinder verschwinden, wenden sich die Dorfbewohner gegen die beiden Frauen und beschuldigen sie der Hexerei - mit erschreckenden Folgen.
Der Begriff "Hexe" wurde ja lange Zeit verwendet, um frauenfeindliche Gewalt aufrechtzuerhalten, und rechtfertigte jahrhundertelang grausame Misshandlungen, Missbrauch und Verfolgung. In Tereza Nvotovás "Nightsiren" sind Hexen die Frauen, die es wagen, sich von den traditionellen Dorfbewohnern in den slowakischen Bergen hervorzuheben. Der spannende, aber etwas zusammenhangslose Film nutzt Elemente des surrealistischen Horrors, um Themen wie Frauenfeindlichkeit und Trauma zu erforschen, und zeigt, dass Nvotová das Potenzial hat, eine neue, überzeugende weibliche Stimme in diesem Genre zu sein. Der vielleicht beeindruckendste Aspekt von "Nightsiren" ist die Art und Weise, wie die Behandlung von Šarlota und Mira als Symbol für das übergreifende Thema der Frauenfeindlichkeit verwendet wird. Ein großer Teil der Ressentiments der Dorfbewohner rührt daher, dass die beiden Geistergeschichten offen ablehnen, dass sie eine andere Einstellung zu Sex haben und dass sie die patriarchalische Natur des Dorflebens verachten. Sie halten sich nicht an die religiösen, traditionellen und "akzeptierten" Gepflogenheiten. Und als solche sind sie den gewalttätigen Reaktionen ausgesetzt, die Angst, Vorurteile und Wut oft hervorrufen.
Der Film nutzt diese Gewalt - die in den meisten Fällen stark sexualisiert ist -, um metaphorisch die dunkelsten Aspekte der weiblichen Erfahrung zu untersuchen. Das ist mutig und überzeugend, aber auch beunruhigend und frustrierend. Und dass ist genau der Punkt. Die Frauenfeindlichkeit und die sexuelle Gewalt sind nichts Neues, und die Blicke auf eine moderne Autobahn im Hintergrund machen deutlich, dass es sich um ein modernes Problem handelt, obwohl das Leben - und die Einstellungen - im Dorf sehr an die Vergangenheit erinnern. Und genau durch diese thematische Erkundung erzeugt der Film einen Großteil seiner Spannung. Als Šarlota im Dorf ankommt, hat man fast sofort das Gefühl, dass etwas nicht stimmt. Die Leute glauben nicht, dass sie diejenige ist, für die sie sich ausgibt, und beobachten sie ungeniert, während sie durch den Wald wandert. Frederico Cescas Kamera schleicht durch die atemberaubend atmosphärischen Schauplätze, verweilt auf merkwürdigen Details und schwenkt dramatisch aus, um die Schönheit und Weite der Welt zu zeigen, in die Šarlota zurückgekehrt ist. Das erzeugt Spannung und baut eine Welt der Intrigen und des Unbehagens auf, auch wenn die Erzählung selbst ein wenig vorhersehbar ist.
Nvotová scheut sich nicht, Risiken einzugehen, und nutzt den Surrealismus, um die Themen des Films in Abschnitten zu erkunden, die gleichermaßen verblüffend und fesselnd sind. Eine sich windende Masse von neonbeleuchteten Körpern erhellt den dunklen Wald als Darstellung unterdrückter sexueller Energie; ein Wolf lauert in Šarlotas Umgebung wie ein unausgesprochenes Geheimnis, und die Klippe taucht bedrohlich auf wie der einzige Ausweg. Als visuelles Mittel sind sie wirkungsvoll, aber erzählerisch tragen sie nicht dazu bei, dass "Nightsiren" ein wenig zusammenhanglos wirkt. Aufgeteilt in sieben Kapitel wirkt es etwas abgehackt und ein wenig so, als sei die Geschichte zugunsten einiger surrealer Sequenzen in den Hintergrund getreten, was die Belohnung am Ende vielleicht etwas weniger lohnenswert macht. Aber auf jeden Fall zeigt "Nightsiren" Nvotová als Filmemacherin, die bereit ist, komplexe Themen zu erforschen und die Möglichkeiten des Genrefilms zu nutzen. "Nightsiren" ist ein unvollkommener, aber fantastischer Blick auf Frauenfeindlichkeit und Trauma und ein sicheres Zeichen dafür, dass die Regisseurin noch viel vor hat.
7/10Quellen:
Inhaltsangabe: Busch Media Group
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