Beth (Lily Sullivan) reist nach Los Angeles, um ihre ältere Schwester Ellie (Alyssa Sutherland) zu besuchen. Dort angekommen, trifft sich voller Freude auf die drei Kinder von Ellie. Die total vernachlässigte Wohnung, aber auch ein seltsames Buch, das in den Mauern des Gebäudes versteckt war, bereiten ihr jedoch große Sorgen. Was sie zu dem Zeitpunkt noch nicht weiß: Es handelt sich dabei um das Necronomicon Ex-Mortis oder anders gesagt das Buch der Toten, welches das Böse heraufbeschwört und Dämonen auf die Einwohner loslässt. Beth und Ellie werden fortan mit ihren schlimmsten Albträumen konfrontiert, die sich als sogenannte Deadites manifestieren. Die Wesen, die sich an den Seelen lebender Kreaturen ergötzen, verlangen den Frauen alles ab. Doch nicht nur das: Als der Punkt gekommen ist, an dem sich beide Schwestern entzweien, muss Beth all ihre Grenzen überwinden, um sich und die Kinder beschützen zu können...
Mit dem neuesten Teil im "Evil Dead"-Franchise startet das diesjährige FantasyFilmFest nights gleich mit einem Film, der rein gar nichts an Schockwerte und Horror vermissen lässt. Und das hat Tradition, denn zumindest die "Evil Dead"-Filme waren schon immer umstritten. Der ursprüngliche "Evil Dead" war in Deutschland aufgrund seiner grausamen Gore-Effekte jahrelang indiziert und war, neben "Muttertag", "Ein Zombie hing am Glockenseil" und "Man-Eater: Der Menschenfresser", einer der Filme, die die Diskussion über Gewaltfilme anheizten und schließlich zu einer Verschärfung der Mediengesetze in Deutschland und einem größeren Einfluss der BPjS führten. "Tanz der Teufel" wurde etwa ein halbes Jahr nach Veröffentlichung beschlagnahmt und diese Beschlagnahmung erst im Juli 2016 wieder aufgehoben. Der Film bekam nach einer Neuprüfung die Freigabe "ab 16 Jahren". Das gleichnamige Remake von 2013 hatte es dann nicht minder leichter: es wurde zunächst als NC-17 eingestuft, bevor der blutige Horror herausgeschnitten wurde, um ein vertraglich vorgeschriebenes R-Rating zu erhalten. Irgendwie verständlich, wenn man weiß, dass immerhin 70.000 (ja, siebzigtausend) Gallonen (Kunst-)Blut für vor allem die Finalszene verwendet wurden.
Der neue "Evil Dead"-Film ist jedoch weit davon entfernt, sich der Nostalgie der 80er Jahre hinzugeben, und hat eine noch extremere, schockierendere Wendung genommen als alle früheren Filme der Reihe, da es sich um einen "Evil Dead"-Film mit Kindern in der Hauptrolle handelt. In der Vergangenheit haben die "Evil Dead"-Filme erwachsene Männer und Frauen in Stücke gehackt, aber immerhin Kinder aus dem Gemetzel herausgehalten, was "Evil Dead Rise" bereits mit einem besonders gruseligen Teaser-Trailer ad acta legte, der eine besessene Mutter zeigt, die versucht, ihre eigenen Kinder anzugreifen. Und das hebt die Anspannung (vor allem bei Eltern), denn schließlich sind die "Evil Dead"-Filme voll von massiv blutigem Horror und nihilistischem schwarzen Humor, was diese Welt für Kinder denkbar ungeeignet macht. Auch wenn "Army Of Darkness" der vergleichsweise lustigste Film der Reihe ist, so hat diese Fortsetzung doch ein unerbittlich düsteres, gemeines Ende, während in "Evil Dead II" jede Figur tot oder dem Untergang geweiht war. Die jungen Darsteller von "Evil Dead Rise" verleihen dem Franchise völlig neue Emotionen, aber dies geschieht zu einem Preis, der schon beinahe zu hoch erscheint. Gruselige Kinder sind eine Sache, aber dass unschuldige Kinder von dämonisch besessenen Eltern angegriffen werden, ist eine Hardcore-Horror-Prämisse, die "Evil Dead Rise" zum extremsten Teil der Reihe macht. Dass die Helden Kinder sind, erhöht dann auch automatisch den Einsatz, da sie sich nicht selbst verteidigen können, und es ist viel erschütternder, sie sterben zu sehen."Evil Dead Rise" stellt jedenfalls die Talente seines vielversprechenden Regisseurs zur Schau, während er den Vorgängern reichlich Tribut zollt. Gore, Blut, unruhige Perspektiven und starke Leistungen von Alyssa Sutherland und Lily Sullivan machen diesen Film zu einem würdigen Einstieg in das Franchise. Sutherland und Sullivan spielen Ellie bzw. Beth, zwei Schwestern, deren Beziehung je nach Tourneeplan und Kinderbetreuungspflichten auf und ab schwankt. Beth ist Bühnentechnikerin für Bands (obwohl ihre Schwester sie insgeheim und auf grausame Weise als Groupie bezeichnet) und Ellie ist Tätowiererin und lebt mit ihren drei Kindern in Los Angeles. Ihre Beziehung steht auf einem liebevollen Fundament, aber unter der Oberfläche zeigen sich Risse, weil die Kommunikation zwischen den beiden nicht stimmt. Auf Tour verpasst Beth, die vom Tourleben eingenommen ist, oft die Anrufe von Ellie, die eine unerwartete Scheidung durchmacht. Cronins Drehbuch zeichnet die Beziehung der beiden in groben, aber effizienten Zügen, indem es die Dynamik zwischen der älteren, verantwortungsvolleren Figur (Ellie) und der jüngeren, ständig Rat suchenden Schwester (Beth) aufzeigt. In gewisser Weise ist "Evil Dead Rise" sowohl eine Hommage als auch ein Korrektiv zu Raimis ursprünglichem Low-Budget-Film, der für seine oberflächliche und frauenfeindliche Behandlung von Frauen kritisiert wurde. Sie werden nicht nur weitgehend als unterbewertet angesehen, sondern müssen auch die sadistischsten Szenen über sich ergehen lassen. Die Frauen, die Cronins Film bevölkern, leiden nicht weniger unter den dämonischen Geistern, aber zumindest haben sie die Chance, sich selbst zu retten.
Nach einer angemessen beunruhigenden Eröffnungssequenz beginnt "Evil Dead Rise" mit einer ängstlichen Beth, die in einem düsteren Nachtclub einen Schwangerschaftstest macht. Ein Klopfen an der Tür unterbricht sie kurz, aber Beth ist mehr mit dem Ergebnis ihres Tests beschäftigt. Man sieht nicht, was darauf steht, aber man kann es erahnen, spätestens wenn die jüngere Schwester an der Tür ihrer älteren Schwester auftaucht. Nahaufnahmen von Ellies Tätowierungen und Tintenstationen führen uns in ihr ruhiges Leben in L.A. ein. Ihre drei Kinder - Danny (Morgan Davies), Bridget (Gabrielle Echols) und Kassie (Nell Fisher) - schwirren um sie herum und gehen ihren eigenen Beschäftigungen nach. Sie sind ein vielseitiger Haufen, deren Interessen den vertrauensvollen Erziehungsstil ihrer Mutter widerspiegeln: Danny, ein DJ, legt in seinem Zimmer auf, seine Schwester Bridget gestaltet Plakate für eine Demonstration, und Kassie, die Jüngste, enthauptet eine Puppe. Fans der Reihe können sich schon denken was passiert, wenn ein Erdbeben eine unterirdische Gruft unter Ellies Wohnblock mit Abbruchcharakter zum Vorschein bringt: die Neugierde überkommt ihre Kinder. Danny ist besonders scharf darauf, die geheimnisvollen Schränke und staubigen Artefakte in der darunterliegenden Gruft zu erkunden. Gegen die Proteste seiner Schwester Bridget schnappt sich der Audiophile ein paar Schallplatten und das Necronomicon - jenes bekannte fleischgebundene Buch. Cronin nutzt alle Möglichkeiten der Effekte, um fast jedes Element von "Tanz der Teufel" aufzuwerten, einschließlich des Buches, das Seiten mit blutverschmierten Zeichnungen enthält und dessen Beschwörungsformeln nur mit den beiliegenden Vinylscheiben enthüllt werden.
Cronin siedelt seine Version von "Evil Dead" in Ellies Stadtwohnung an und schafft so einen eher klaustrophobischen, kammerspielartigen Horror. Sein Stil - eine destabilisierende Mischung aus Kameraschwenks und Zooms, eine Farbpalette, die von einer unheimlichen Mischung aus Blau und Rot dominiert wird - beschwört eine Atmosphäre der Angst und des Misstrauens herauf. Auch das Sounddesign (von Peter Albrechtsen), das zwischen grellen Geräuschen und völliger Stille schwankt, ist ein eindringliches, stakkatoartiges Experiment. Aber es sind die Leistungen seiner Darsteller, die dem Film Ballast verleihen. Sullivan spielt Beth als eine angespannte Figur - eine Person, deren kühles Äußeres ausgefranste Nerven und allgemeine Unsicherheit verrät. Als sie bei Ellie vor der Tür steht, sucht sie Rat und Trost bei ihrer älteren Schwester, die nach ihren Worten immer weiß, was zu tun ist. Sutherland ist sicher in der Rolle der abgeklärten älteren Schwester, aber noch besser ist sie als dämonische Mutter. Der entfesselte Geist ergreift sofort Besitz von Ellie, und während der 97-minütigen Laufzeit des Films verwandelt sich Sutherland in einen mütterlichen Albtraum. Die besessene Ellie schleppt sich mit bedrohlich dröhnenden Schritten zurück in die Wohnung und begibt sich direkt in die Küche, wo sie methodisch Eier in eine gusseiserne Pfanne knallt. In Cronins Drehbuch gibt es nur wenig Charakterentwicklung, aber es besteht ein sichtlich großes Interesse daran die Schrecken der Mutterschaft herauszuarbeiten. Die satanischen Geister in Ellie manipulieren die Bindung zwischen Mutter und Kindern, um Danny, Bridget und Kassie auszutricksen. Das Kochen, das Singen von Schlafliedern und die Badezeit erhalten durch Sutherlands geschmeidige und beängstigende Darstellung einen unheimlichen Unterton.Cronins geschickte Regie geht über seine Schauspieler hinaus. Es wäre kein "Evil Dead"-Film ohne ein Maximum an Gore und Blut, und der Regisseur enttäuscht nicht. Er steigert die Spannung, indem er jeden Folterakt genialer gestaltet als den letzten. Kochgeschirr und andere Küchenutensilien werden zu perversen Werkzeugen für die Verstümmelung von Fleisch und die Umgestaltung von Menschen. Jeder Raum in der Wohnung schwankt zwischen sicherem Zufluchtsort und Kriegsschauplatz hin und her. Blut ist überall - es durchdringt die Wände eines Fahrstuhls und tropft aus verschiedenen Öffnungen. "Evil Dead Rise" ist auf diese Weise unerbittlich, auch wenn es einen Hauch von Humor gibt, der den Druck zumindest etwas mildert. Cronins Film ist ein wunderbar kranker Einstieg in die Serie, der geschickt kalibriert ist, um Fans zu befriedigen und Uneingeweihte zu traumatisieren. Und das Ende lässt auf mehr hoffen. Es wäre wünschenswert.
8/10
Quellen:
Inhaltsangabe: Warner Bros.
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