Mittwoch, 15. April 2020

Darlin' (2019)

https://www.imdb.com/title/tt8396294/

Eine Kannibalin (Pollyanna McIntosh) hat die junge Darlin' (Lauryn Canny) unter ihre Fittiche genommen. Als das verdreckte und verwilderte Mädchen eines Tages Hilfe in einem Krankenhaus sucht, wird sie von ihrer Beschützerin getrennt. Um sie zu resozialisieren, bieten ein Bischof (Bryan Batt) und die Nonne Jennifer (Nora-Jane Noone) ihre Unterstützung an. Sie hoffen, mit der "Zähmung" des Mädchens ihre klamme Gemeinde vor der Pleite zu bewahren. Darlin' landet so in einer abgelegenen Klosterschule. Doch ihre wutschnaubende "Mutter" ist schon auf der Suche nach ihr – und schreckt bei dem verzweifelten Versuch, ihr Kind zu finden, auch nicht vor brutaler Gewalt zurück...

Es war Stephen King, der sich einst zu der Äußerung hinreißen ließ und verkündete, dass Jack Ketchum der wohl furchteinflößendste Horrorschriftsteller der Vereinigten Staaten ist. Im literarischen Bereich stellt der 2018 verstorbene Autor zweifelsohne eine Kapazität dar, die Adaptionen seiner Romane allerdings sind – im besten Fall – gedämpfte Genre-Empfehlungen. Mit einer Ausnahme, denn der 2011 erschienene "The Woman" ist eine unbedingt sehenswerte Abrechnung mit dem Patriarchat. Mag Jack Ketchum die Vorlage, die in Deutschland unter dem Titel "Beuterausch" veröffentlicht wurde, auch zusammen mit Lucky McKee – dem Regisseur des Films – verfasst haben, so ist sein Einfluss doch exorbitant. Nicht zuletzt, weil hier nach "Beutezeit" und "Beutegier" seine bisweilen kontrovers diskutierte und teilweise radikal zensierte Kannibalen-Trilogie abgeschlossen wurde.

"Darlin'" von Pollyanna McIntosh, die hier nicht nur die Regie übernommen hat, sondern sich auch für das Drehbuch mitverantwortlich zeigt und ihre Rolle der wilden Frau erneut aufgenommen hat, versteht sich nun als direkte Fortsetzung zu "The Woman". Es gibt keine Romanvorlage, stattdessen wird das Kannibalen-Universum aus Ketchums Feder nun gezielt filmisch weitergesponnen. Nach den Vorkommnissen des Vorgängers treffen wir also erneut auf die inzwischen pubertierende Darlin' (Lauryn Canny), die von ihrer archaischen Ziehmutter zu einem katholischen Krankenhaus gebracht wird und über Umwege schließlich in einer christlichen Mädchenschule landet, wo sie resozialisiert und domestiziert werden soll. Natürlich steckt hinter diesem Vorhaben des Bischofs (Bryan Batt) kein ehrenhaftes Anliegen, sondern eher schmutziges Kalkül.

Der Grund, warum die Frau "Darlin'" vor die Türen des Hospitals geführt hat, wird im Verlauf der Handlung nach und nach deutlich gemacht. Dass diese allerdings überhaupt nicht erfreut darüber ist, dass man ihr ihre (Schein-)Tochter kurzerhand entrissen hat, generiert dann auch für den Gewaltfaktor, der zwar letztlich in einem überschaubaren Rahmen bleibt, die gnadenlosen Pfade purer Mütterlichkeit aber sehr eindeutig zum Ausdruck bringen. Dass Pollyanna McIntoshs (Solo-)Regiedebüt aber weitestgehend unterwältigt, liegt daran, dass man sich hier ausschließlich damit beschäftigt, altbekannte Allgemeinplätze maskuliner Unterdrückungsstrukturen, pervertierter Zustände innerhalb katholischen Kirchenmauern und einer dem Coming-of-Age-Kino entlehnten Identitätssuche abzuklopfen. "Darlin'" ist so halbgar wie klischiert und lässt den widerborstigen Charakter des Vorläufers nahezu vollständig vermissen. Immerhin darf Hauptdarstellerin Lauryn Canny wahrlich glänzen.

Während also "The Woman" noch die Übermacht der Frau dem männlichen Geschlecht gegenüber offenbarte und so garstig wie schwarzhumorig tradierte Geschlechterrollen zu hinterfragen verstand, setzt "Darlin'" diese erzählerische Marschroute nun insofern fort, dass weiterhin maskuline Machtstellungen auf dem garstigen Prüfstand stehen. Pollyanna McIntosh tritt hier indes nicht mehr nur als kannibalistische Wilde in Erscheinung, sondern verdingt sich hier auch als Autorin und zum ersten Mal als Solo-Regisseurin. Das Ergebnis ist durchwachsen und klischiert: Den inhaltlichen Allgemeinplätzen über die vererbten Unterdrückungsstrukturen innerhalb der katholischen Kirche fehlt die groteske Durchschlagskraft und der polarisierende Mut, den Zuschauer kalt zu erwischen. Gut gespielt ist "Darlin'" vor allem in der Hauptrolle durchaus, dem unangenehm-widerborstige Wesen des perversen Menschendramas in "The Woman" aber hinkt der Film unentwegt hinterher.

4/10

Von CAPELIGHT PICTURES erschien die "The Woman"-Trilogie hierzulande in 4K Ultra-HD einem tollen Mediabook, welches alles drei Teile ("Beutegier", "The Woman" und "Darlin'") in ihrer ungeschnittenen Originalversion beinhaltet:


Quellen
Inhaltsangabe: Capelight

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