Mittwoch, 15. April 2020

Heaven's Gate (Director's Cut) (1980)

https://www.imdb.com/title/tt0080855/

James Averill (Kris Kristofferson), Absolvent der Harvard-Universität in Neuengland, hat das Amt des Marshals von Johnson County in Wyoming übernommen. Das Land ist Anziehungspunkt für viele arme Menschen aus Osteuropa. In den Augen der reichen Viehbarone sind dies lauter Diebe und Anarchisten, die es auszurotten gilt; daher stellen sie mit Billigung des Gouverneurs eine Todesliste mit 125 Namen auf und setzen Mordschützen auf die Einwanderer an. Averill ekeln diese Machenschaften an. Er liebt die schöne Ella Watson (Isabelle Huppert), die in Johnson County ein Bordell betreibt. Sein Rivale ist Nate Champion (Christopher Walken), ein gefürchteter Einzelgänger, der zunächst gemeinsame Sache mit den Viehzüchtern macht. Als Champion erfährt, dass auch Ellas Name auf der Todesliste steht, wechselt er angewidert die Fronten. Auch Averill ergreift entschlossen Partei für die Siedler, als diese sich gegen die Killer und ihre Hintermänner zur Wehr setzen.

Michael Ciminos legendärer Western-Flop "Heaven's Gate" verschlang seinerzeit mit über 30 Millionen US-Dollar mehr als das Doppelte der ursprünglich veranschlagten Produktionskosten und wurde von Kritikern regelrecht zerrissen. Nach einem angeblich 325-minütigen Rohschnitt lief die ursprünglich 1980 ins Kino gebrachte Version 219 Minuten. Recht schnell kürzte Cimino auf Drängen des Studios nochmal über eine Stunde, diese Variante kam 1981 wieder in die US-Kinos. Weltweit kennt man dennoch seit jeher vor allem den 219-minütigen "Director's Cut", während die 149-minütige "Re-Cut"-Kino-Zweitfassung nur in z. B. Frankreich oder den Niederlanden erschien. "Die Geschichte eines Einschüchterungsfeldzuges amerikanischer Großfarmer gegen osteuropäische Einwanderer, der in einem Blutbad endet (Johnson-County-War 1892). Ein aufwendiger, imposanter Spätwestern, der soziale Anklage, pessimistisch-kritische Geschichtssicht und wehmütigen Abgesang auf die Legenden des Westens verbindet. Die in breiten, schwelgerischen Bildern eingefangene Schönheit wird dabei als humane Gegenkraft zu den grausamen Vorgängen und der fatalistischen Grundstimmung der Geschichte eingesetzt. Als "Nestbeschmutzung" verunglimpft, wurde der an die 50 Mio. Dollar teure Film an den Kinokassen Amerikas ein Misserfolg, der die Produktionsfirma United Artists finanziell ruinierte."

Es waren Kritiken wie diese aus dem "Lexikon des internationalen Films", die die Zuschauer auf den Film aufmerksam machten. Vielleicht waren die Erwartungen vieler dadurch zu hoch, vielleicht waren viele beim Sehen nicht konzentriert genug, aber so ambitioniert der Film auch wirkt - er begeistert schlicht nicht. Im hier besprochenen "Director's Cut" nimmt sich Michael Cimino fast vier Stunden Zeit, ein Epos zu erzählen, welches die amerikanischen Gründerjahre nicht besonders rosig erscheinen läßt. Dabei erzählt er eine Geschichte, die man genauso auch mindestens 90 Minuten kürzer erzählen hätte können. Die Anfangssequenz mit der Uni-Feier ist ebenso überflüssig wie das langatmige Ende auf dem Boot, welches zwar ganz nett wirkt, aber tatsächlichen Nutzen hat der Schwachsinn keinen. Auch die Tatsache, dass in der Haupthandlung in der Mitte die ganzen Immigranten nicht englisch miteinander sprechen, sondern jeder sein eigenes Babylonisch, gibt dem Film zwar ein großes Stück an Authentizität, aber mit Sicherheit kein sonderlich großes Publikum.

Die Bilder sind wirklich imposant, gold- und Brauntöne dominieren. Aber es ist auch zu oft die gleiche Hütte vor den Bergen, zu oft die kleine Siedlung um die Kirche, die sich trotzdem nicht erschließt, weil es immer der gleiche Ausschnitt ist und man kein Gefühl für die Geographie bekommt. Die Schauspielerleistung ist nicht grandios, aber in Ordnung, das Drehbuch ist es nicht: Der Film beginnt mit einer langen Abschlussfeier in Harvard (die in Oxford gedreht wurde). Junge enthusiastische Menschen feiern ausgelassen. Rund 20 Jahre später treffen sich drei davon im kargen Montana wieder, doch spielt dieser Aspekt nur eine Nebenrolle, zeigt höchstens den Kontrast zwischen Ostküste und rückständigen Gebieten. Die Hauptrolle spielt Kris Kristofferson, im Mittelpunkt steht seine Liebe zu der Prostituierten Ella, die aber auch den Revolverhelden Nathan Champion liebt.

Obwohl der Film mit 209 Minuten Zeit genug hat, bleibt vieles unklar. Was macht eigentlich der von Kris Kristofferson verkörperte James Averill? Immer überaus elegant gekleidet wirkt er wie ein Fremdkörper. Er ist offenbar Jurist, zugleich ist der vornehme, reiche Harvard-Absolvent Marshall einer ärmlich Siedlung von Osteuropäern, denen von Viehbaronen zugesetzt wird. Dieser sehr interessante geschichtliche Hintergrund kommt leider etwas zu kurz, man erfährt z.B. nicht, warum Präsident und Kavallerie auf Seiten der Viehzüchter stehen, die offensichtliches Unrecht begehen. Kurz zusammengefasst besteht der Film aus der Harvard-Szene, einem sehr langen Mittelteil, in dem Averill oft Ella in ihrer abgelegenen Behausung besucht, in dem auch Champion Ella in ihrer abgelegenen Behausung besucht und sich bei den Dorfversammlungen auf der Rollschuhbahn ärmliche Osteuropäer in ihrer Muttersprache anbrüllen. Dann gibt es eine große Schlacht zwischen Siedlern und von den Viehbaronen angeheuerten Revolvermännern und ganz zum Schluss eine wortkarge Szene auf einer luxuriösen Jacht vor Rhode Island - 11 Jahre später.

Die Personenzeichnung bleibt meist in Klischees stecken, selbst bei den Hauptfiguren bleibt vieles unklar: Warum setzt sich Averill überhaupt in dieser ärmlichen Gegend für die Siedler ein? Warum liebt er Ella? Warum liebt diese Nathan? Warum glaubt der, mit Averill befreundet zu sein? Trotz gelungener einzelner Sequenzen ist "Heaven's Gate" insgesamt eher eine Enttäuschung, obwohl derart epische Werke eigentlich oft gefallen, doch wurde hier viel zu viel versucht das Bild der damaligen Gesellschaft in an überzogenen Perfektionismus grenzender Art darzustellen. Dennoch sollte der Film von jedem Filmfreund mindestens einmal angeschaut werden, besonders wegen der Schlacht, die trotz seiner Unübersichtlichkeit doch recht interessant anzusehen ist.

5/10

Von CAPELIGHT PICTURES erschien der Film hierzulande in HD in einem tollen Mediabook:

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