Mittwoch, 22. April 2020

싸이보그지만 괜찮아 - Saibogeujiman kwenchana - I'm A Cyborg, But That's OK (2006)

https://www.imdb.com/title/tt0497137/

Young-goon (Su-jeong Lim) und Il-sun (Rain) sind Insassen einer Nervenheilanstalt. Il-sun versteckt sein Gesicht die meiste Zeit über hinter einer Maske. Er hat Angst, dahinter gar kein eigenes Gesicht zu haben. Um seine Furcht zu kompensieren, ist er kleptoman geworden, aber auf ausgefallene Art: er klaut den Geisteskranken um sich herum ihre interessantesten Macken, die er zuvor mit äußerst scharfem Auge beobachtet hat. Young-goon kommt in die Psychiatrie, weil sie glaubt, ein Cyborg zu sein. Ist das wirklich so ungewöhnlich, wo sie doch am Fließband arbeitet? Da sie denkt, dass sie anstelle innerer Organe nur noch Hochleistungselektronik im Körper hat, benötigt sie permanent Strom. Deswegen verweigert sie in der Anstalt die Aufnahme gewöhnlicher Nahrung - lieber leckt sie an Batterien. Was Young-goon neben mangelnder Stromversorgung ihrer Ansicht nach außerdem behindert, sind Überbleibsel von Gefühlen...

"Ich soll dich vom Getränkeautomaten grüßen!"

Park Chan-Wook ist seit "Oldboy" zu einem Genie gewachsen, der in seinen Filmen immer hart auszuteilen wusste. Aber ein Liebesfilm von ihm, mit Märchen-Elementen, Halb-Fiktion-Halb-Realität? Dieser Regisseur hat mehr Vielfalt in seinem Repertoire als erwartet. "I'm A Cyborg, But That's OK" ist mit den vielen verrückten Figuren mit ihren völlig ungewöhnlichen Macken, dem ausufernden Spiel der Fantasie ein Film, der sich zu einer wahren Pracht entwickelt. Ein Film, den man mehrfach sehen sollte, um alles zu erfassen. Zu Besuch in dieser koreanischen Irrenanstalt, wo jeder sein Päckchen Wahnsinn zu tragen hat. Hier hat sich spätestens nach dem dritten Besuch noch einmal eine ganz andere Tür geöffnet: Eine kleine Liebeserklärung an die Großeltern. Den Film mit "Die fabelhafte Welt der Amelie" zu vergleichen ist naheliegend, führt aber auf eine falsche Fährte. Amélie wandelt ebenfalls auf dem schmalen Grat von Tagträumerei und Realität, aber bei "I'm A Cyborg, But That's OK" haben die Hauptfiguren mit geistigen Krankheiten zu kämpfen. Die Psychosen und Neurosen sind zwar leicht zugänglich und manchmal zum Brüllen komisch, jedoch schafft es Regisseur Park Chan-wook deren Welt nicht zu beschönigen.

Es schwingt nämlich immer etwas Ernst und Gefahr mit. Die reale Welt kann weder damit umgehen, noch kann kann ein Mensch ohne Essen leben, auch wenn er überzeugt davon ist ein Cyborg zu sein. Dies zeigt sich besonders gut im Verhalten der Mutter von Young-goon, die mit ihrer schlechten Erziehung und dem falschen Umgang der Persönlichkeitsstörung ihrer Tochter, tiefe Spuren in deren Psyche hinterlassen hat. Was beim Ansehen dieses koreanischen Märchens begeistert, ist die Liebe von Young-goon zu ihrer Großmutter, die ihren Verstand gegen den einer Maus eingetauscht hat und nur noch Rettich isst. Das wird in seiner ganzen Dramatik erst zum Ende des Films gezeigt und bricht einem als Zuschauer dann spätestens hier das Herz wie auch das unserer Cyborg-Protagonistin. Während des Films taucht ihre Großmutter immer wieder in kleineren Fantasie-Momenten auf und versucht ihr den Sinn des Lebens zu verraten, bevor sie das Gummiband der Zeit wieder aus der Welt schnippst. Eine generationsübergreifende Beziehung, die in ihrer Intensität in diesem Film nwohl nur auffällt, wenn man ganz in diese Welt eintaucht. Der Regisseur und gelernte Philosoph Park Chan-wook spricht mit seinem Film eine Vielzahl von Thematiken an: Hinter dem Wort Cyborg versteckt sich der Gedanke, Astronauten mit Hilfe von technischen Verbesserungen des menschlichen Körpers an die Lebensbedingungen anderer Planeten anzupassen. Young-goon will sich in diesem Film aber ganz und gar nicht den gesellschaftlichen Bedingungen anpassen und verzichtet sogar auf die koreanische Grundnahrung: Reis. Anpassung erfolgt durch ihren möglichen Retter Il-sun, der sich einen Weg in ihre Welt erdenkt und es dadurch vielleicht schaffen kann, sie zu retten.

Von diesen interessanten Thematiken gibt es eine Menge im Film. Man lernt beispielsweise, dass in Korea niemand fragt: "Wie geht es dir?", sondern "Haben Sie schon etwas gegessen?". Die schillernden Bilder von Kameramann Chung Cung-hoon sind ein wahrer Genuss. Es macht unglaublich viel Spaß, diesen anspruchsvollen, vielschichtigen und liebevollen Film zu sehen. Man hört oft, dass es Park Chan-wooks schwächster Film sein soll, aber dieser Künstler mit dem Herzen eines Philosophen dreht einfach keine schwachen Filme und allein die Vielschichtigkeit von "I'm A Cyborg, But That's OK" hilft enorm bei dieser Erkenntnis.

8/10

Von CAPELIGHT PICTURES erschien der Film hierzulande in einem tollen Mediabook:


Quellen
Inhaltsangabe: Capelight

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