1948 findet im Nürnberger Justizpalast - zwei Jahre nach dem Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher des Nazi-Regimes - einer der Nachfolgeprozesse gegen Juristen des Dritten Reiches statt. Der amerikanische Richter Dan Haywood (Spencer Tracy) wird als Vorsitzender des Gerichts auserkoren. Haywood ist hin- und hergerissen: Einerseits ist er erschüttert von den Verbrechen, an denen die Juristen beteiligt waren, und die der Chef der Anklage, Colonel Tad Lawson (Richard Widmark), immer wieder betont. Andererseits versucht der Verteidiger Hans Rolfe (Maximilian Schell) das Gericht davon zu überzeugen, dass Männer wie der Hauptangeklagte Ernst Janning (Burt Lancaster) nur ein kleines Rädchen des Systems waren und kaum ein Chance hatten, anders zu urteilen. Um die unfassbaren Verbrechen des Nationalsozialismus zu verstehen, sucht Haywood währenddessen auch den Kontakt zur deutschen Bevölkerung, unter anderem zur Offizierswitwe Berthold (Marlene Dietrich). Er stößt auf eine Mauer des Schweigens und des Selbstbetrugs.
Ein schwerer, spannender und gleichzeitig erschütternder Gerichtsfilm von Regisseur Stanley Kramer, der auf dem Nürnberger Juristenprozess von 1947 beruht und aufgrund seiner Machart ein wenig an die Monumentalfilme der 50er Jahre erinnert. Ohne aber jemals zu reißerisch zu werden. Mit Spencer Tracy, Judy Garland, Maximilian Schell, William Shatner, Burt Lancester und Marlene Dietrich namhaft besetzt versteht es Kramer von Anfang an eine gewisse Spannung aufzubauen, die den Zuschauer bis zum Ende es knapp 179-minütigen Dramas nicht mehr loslässt. Es mag seltsam klingen, doch in "Urteil von Nürnberg" ist keine Minute Laufzeit zu viel oder zu wenig eingeflochten. In ruhigen Bildern erzählt, schildert der Film wirksam und authentisch den Verlauf einer Verhandlung mit berechtigter Anklage und geschickter Verteidigung, über deren Ausgang man zwar geschichtlich informiert sein dürfte, dennoch aber gewisse Positionen beziehen kann und den Argumenten folgend eine Art Verständnis für die Situationen aufzubauen beginnt. Was aber - und das soll an dieser Stelle unterstrichen werden - keinesfalls bedeuten soll, dass man das Geschehene in diesem Film (und auch selbst) jemals gutheißen kann. Doch man gerät in einen Zwist, sich selbst zu fragen, was angesichts herrschender Regierungsformen Recht und Unrecht bedeuten kann und wie darin lebende Menschen damit umgehen. Dass dies alles letztlich und unbeirrbar stringent zum Thema Menschlichkeit, Moral und Verhalten zurückführt, ist aber nur folgerichtig. Was etwa in der Mitte des Films richtig schockt, ist das authentische Filmmaterial über die Verbrechen in den Konzentrationslagern. Man darf an dieser Stelle als Zuschauer mindestens genau so fassungslos, berührt oder geschockt sein, wie dies die Schauspieler zum Ausdruck bringen. Dass dies quasi den Ausgang des Verfahrens beeinflusst und hier bereits den Grundstein für das Urteil legt ist ein ebenso geschickter Kniff, wie auch die Urteilsverkündung des Nürnberger Juristenprozesses mit der unumstößlichen Aussage, dass Menschlichkeit stets vor dem (aufgezwungenen) Willen eines jeden Regimes steht.
8,5/10
Quellen:
Inhaltsangabe: Capelight
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