In Barbieland ist alles an seinem Platz. Die Frisur sitzt, die Kleidung und jedes Accessoire passen zueinander. Kurz: Es ist eine perfekte Welt, zumindest äußerlich. Wer hier leben will, muss sich nämlich ausnahmslos an die aufgestellten Normen halten. So auch die stereotypische Barbie (Margot Robbie), eine der einflussreichsten Barbies im Land, die vom platinblonden Schönling Ken (Ryan Gosling) angehimmelt wird. Doch irgendetwas stimmt in letzter Zeit nicht, denn Barbie beschleichen immer wieder Gedanken an den Tod. Ein absolutes No-Go im Barbieland, wo jeder Tag doch einfach nur perfekt sein sollte. Ihre einzige Hoffnung ist die seltsame Barbie (Kate McKinnon), die außerhalb des Barbielands ein Einsiedler-Dasein führt. Diese offenbart ihr, dass der Ursprung ihres merkwürdigen Verhaltens in der richtigen Welt zu finden ist und sie die Person aufspüren muss, die mit ihr spielt. Also brechen Barbie und Ken gemeinsam in die reale Welt auf. Doch kaum angekommen, müssen sie feststellen, dass dort andere Regeln als im Barbieland gelten. Während Barbie sich den neuen Herausforderungen stellt und dabei mehr als einmal mit dem Gesetz in Konflikt kommt, entdeckt Ken das Patriarchat für sich...
Die filmische Real-Interpretation von Mattels berühmtestem Spielzeug durch die Autorin und Regisseurin Greta Gerwig wirkt wie ein zuckersüßes Mashup aus "Toy Story 2" und "Pinocchio". Aber es ist eine leidlich unterhaltsame und noch dazu bonbonfarbene feministische Fabel, die es zwar schafft, ihr fröhlich-plastisches Thema zu feiern, zu satirisieren und zu dekonstruieren, aber nur wenig zu begeistern. Das Publikum war allerdings begeistert und Mattel dürfte ebenso begeistert sein - angesichts zu erwartender steigender Umsätze. Doch dass dieser Film gegen den am gleichn Tag gestarteten "Oppenheimer" an den Kinokassen gewann - es wirkt fast schon lächerlich. Gewitzelt wurde, dass "Barbenheimer" sich gegenseitig pushen würde - und das Marketing dahinter war schon irgendwo genial und es ist auch verständlich, warum der Film beim Publikum besser ankam. Er ist leicht bekömmlich. In "Barbie" begibt sich er Zuschauer nach einem stark parodierten Trailer aus dem Jahr 2001 in eine pastellrosa Oase, in der "dank Barbie alle Probleme des Feminismus und der Gleichberechtigung gelöst wurden". Das ist Barbieland - eine Fantasiewelt, in der langhaarige Puppen alles sein können (Anwälte, Ärzte, Physiker, Präsidenten) und so zu gleichwertigen weiblichen Leistungen in der "realen Welt" anregen.
Wie eine verträumte Version des albtraumhaften "Being John Malkovich" ist hier jeder Barbie. Außer den Männern, die einfach nur Ken sind. Oder Allan (ein unglücklicher Michael Cera). Aber hauptsächlich nur Ken - ein Anhängsel ohne männliches Anhängsel. Im Zentrum all dieser selbstreferenziellen Aufregung steht die "stereotypische Barbie" von Produzentin und Hauptdarstellerin Margot Robbie - eine Rolle, die so perfekt ist, dass es niemanden stört, wenn Helen Mirrens Erzählerin einen hämischen Scherz über die Besetzung macht. Daher ist es eine Überraschung, wenn dieses stets lächelnde Wesen von Gedanken an Traurigkeit, Angst und Tod heimgesucht wird. Schlimmer noch, sie entwickelt Plattfüße und Cellulite - zwei der drei Reiter der Barbie-Apokalypse.
Ein
Besuch bei Kate McKinnons "verrückter Barbie" offenbart, dass sich aufgrund dieser Veränderungen zwischen dieser und der realen Welt
eine Art Wurmloch aufgetan hat. Jetzt muss unsere Märchenheldin eine Fahrt in die Realität antreten, begleitet von
Ken (Ryan Gosling), der prompt das Patriarchat entdeckt, in dem
Männer (und Pferde) das Sagen haben. Währenddessen schlüpft Will
Ferrell in der Mattel-Zentrale wieder in seine "The LEGO-Movie"-Rolle als
erwachsener Zerstörer kindlicher Träume und verlangt, dass Barbie "zurück in die Kiste" (ihre Pappschachtel) kommt. Aber inzwischen hat Barbie die
Gothic-Teenagerin Sasha (Ariana Greenblatt) kennengelernt, die ihr
erzählt, dass "die Barbie-Puppen dafür gesorgt haben, dass Frauen zuenhemn in Rollenbilder gedrängt wurden, seit sie erfunden wurden", und fügt hinzu: "Du wirfst die
feministische Bewegung um 50 Jahre zurück, du Faschistin!" (der einzige wirkliche Lacher in diesem Film!) Weit davon
entfernt, die Welt zu retten, scheint Barbie also dazu beigetragen zu haben,
eine Dystopie zu schaffen, in der "Männer Frauen wie ein Objekt ansehen"
und "jeder Frauen hasst!". Damit haben die Macher zumindest den Kern der Sache erfasst.
Gut, es gibt noch Gags über die rote
Pille aus "Matrix", die Schneekugel aus "Citizen Kane", die männliche "Bedeutung" von Coppolas "Der Pate" und fanboyhafte emotionale
Überinvestitionen an Zack Snyders Director’s Cut von "Justice League".
Dennoch ist "Barbie" nie weniger als inklusiv - was bedeutet, dass junge
Fans, die mit den Zeichentrickserien über Barbie aufgewachsen sind, die alleinigen Adressaten sind und damit Grund zum Jubeln finden
werden. Schrumpelige, alte Kritiker, die nach intelligenten
Filmreferenzen suchen, werden nur marginal bedient und dürften an "Barbie" kaum etwas wirklich Neues oder Interessantes finden. Gerwigs neuestes Werk
hat defintiv nicht die Absicht, das Kernpublikum seines Ausgangsmaterials im Stich zu
lassen. Publikum mit einem anderen Filmgeschmack wird kaum Freude an ihrem Film haben, wenngleich sie diesen dadurch entschuldigen können, dass sie ihn mit
kanonischen Werken vergleichen. Aber da sind noch die Kulissen - an denen könnte man durchaus etwas finden, was wirklich toll und vor allem passend aussieht.
5/10
Inhaltsangabe: Warner Bros.
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