Montag, 30. Oktober 2023

Barbie (2023)

https://www.imdb.com/title/tt1517268/

In Barbieland ist alles an seinem Platz. Die Frisur sitzt, die Kleidung und jedes Accessoire passen zueinander. Kurz: Es ist eine perfekte Welt, zumindest äußerlich. Wer hier leben will, muss sich nämlich ausnahmslos an die aufgestellten Normen halten. So auch die stereotypische Barbie (Margot Robbie), eine der einflussreichsten Barbies im Land, die vom platinblonden Schönling Ken (Ryan Gosling) angehimmelt wird. Doch irgendetwas stimmt in letzter Zeit nicht, denn Barbie beschleichen immer wieder Gedanken an den Tod. Ein absolutes No-Go im Barbieland, wo jeder Tag doch einfach nur perfekt sein sollte. Ihre einzige Hoffnung ist die seltsame Barbie (Kate McKinnon), die außerhalb des Barbielands ein Einsiedler-Dasein führt. Diese offenbart ihr, dass der Ursprung ihres merkwürdigen Verhaltens in der richtigen Welt zu finden ist und sie die Person aufspüren muss, die mit ihr spielt. Also brechen Barbie und Ken gemeinsam in die reale Welt auf. Doch kaum angekommen, müssen sie feststellen, dass dort andere Regeln als im Barbieland gelten. Während Barbie sich den neuen Herausforderungen stellt und dabei mehr als einmal mit dem Gesetz in Konflikt kommt, entdeckt Ken das Patriarchat für sich... 

Die filmische Real-Interpretation von Mattels berühmtestem Spielzeug durch die Autorin und Regisseurin Greta Gerwig wirkt wie ein zuckersüßes Mashup aus "Toy Story 2" und "Pinocchio". Aber es ist eine leidlich unterhaltsame und noch dazu bonbonfarbene feministische Fabel, die es zwar schafft, ihr fröhlich-plastisches Thema zu feiern, zu satirisieren und zu dekonstruieren, aber nur wenig zu begeistern. Das Publikum war allerdings begeistert und Mattel dürfte ebenso begeistert sein - angesichts zu erwartender steigender Umsätze. Doch dass dieser Film gegen den am gleichn Tag gestarteten "Oppenheimer" an den Kinokassen gewann - es wirkt fast schon lächerlich. Gewitzelt wurde, dass "Barbenheimer" sich gegenseitig pushen würde - und das Marketing dahinter war schon irgendwo genial und es ist auch verständlich, warum der Film beim Publikum besser ankam. Er ist leicht bekömmlich. In "Barbie" begibt sich er Zuschauer nach einem stark parodierten Trailer aus dem Jahr 2001 in eine pastellrosa Oase, in der "dank Barbie alle Probleme des Feminismus und der Gleichberechtigung gelöst wurden". Das ist Barbieland - eine Fantasiewelt, in der langhaarige Puppen alles sein können (Anwälte, Ärzte, Physiker, Präsidenten) und so zu gleichwertigen weiblichen Leistungen in der "realen Welt" anregen.

Wie eine verträumte Version des albtraumhaften "Being John Malkovich" ist hier jeder Barbie. Außer den Männern, die einfach nur Ken sind. Oder Allan (ein unglücklicher Michael Cera). Aber hauptsächlich nur Ken - ein Anhängsel ohne männliches Anhängsel. Im Zentrum all dieser selbstreferenziellen Aufregung steht die "stereotypische Barbie" von Produzentin und Hauptdarstellerin Margot Robbie - eine Rolle, die so perfekt ist, dass es niemanden stört, wenn Helen Mirrens Erzählerin einen hämischen Scherz über die Besetzung macht. Daher ist es eine Überraschung, wenn dieses stets lächelnde Wesen von Gedanken an Traurigkeit, Angst und Tod heimgesucht wird. Schlimmer noch, sie entwickelt Plattfüße und Cellulite - zwei der drei Reiter der Barbie-Apokalypse.

Ein Besuch bei Kate McKinnons "verrückter Barbie" offenbart, dass sich aufgrund dieser Veränderungen zwischen dieser und der realen Welt eine Art Wurmloch aufgetan hat. Jetzt muss unsere Märchenheldin eine Fahrt in die Realität antreten, begleitet von Ken (Ryan Gosling), der prompt das Patriarchat entdeckt, in dem Männer (und Pferde) das Sagen haben. Währenddessen schlüpft Will Ferrell in der Mattel-Zentrale wieder in seine "The LEGO-Movie"-Rolle als erwachsener Zerstörer kindlicher Träume und verlangt, dass Barbie "zurück in die Kiste" (ihre Pappschachtel) kommt. Aber inzwischen hat Barbie die Gothic-Teenagerin Sasha (Ariana Greenblatt) kennengelernt, die ihr erzählt, dass "die Barbie-Puppen dafür gesorgt haben, dass Frauen zuenhemn in Rollenbilder gedrängt wurden, seit sie erfunden wurden", und fügt hinzu: "Du wirfst die feministische Bewegung um 50 Jahre zurück, du Faschistin!" (der einzige wirkliche Lacher in diesem Film!) Weit davon entfernt, die Welt zu retten, scheint Barbie also dazu beigetragen zu haben, eine Dystopie zu schaffen, in der "Männer Frauen wie ein Objekt ansehen" und "jeder Frauen hasst!". Damit haben die Macher zumindest den Kern der Sache erfasst.

Gut, es gibt noch Gags über die rote Pille aus "Matrix", die Schneekugel aus "Citizen Kane", die männliche "Bedeutung" von Coppolas "Der Pate" und fanboyhafte emotionale Überinvestitionen an Zack Snyders Director’s Cut von "Justice League". Dennoch ist "Barbie" nie weniger als inklusiv - was bedeutet, dass junge Fans, die mit den Zeichentrickserien über Barbie aufgewachsen sind, die alleinigen Adressaten sind und damit Grund zum Jubeln finden werden. Schrumpelige, alte Kritiker, die nach intelligenten Filmreferenzen suchen, werden nur marginal bedient und dürften an "Barbie" kaum etwas wirklich Neues oder Interessantes finden. Gerwigs neuestes Werk hat defintiv nicht die Absicht, das Kernpublikum seines Ausgangsmaterials im Stich zu lassen. Publikum mit einem anderen Filmgeschmack wird kaum Freude an ihrem Film haben, wenngleich sie diesen dadurch entschuldigen können, dass sie ihn mit kanonischen Werken vergleichen. Aber da sind noch die Kulissen - an denen könnte man durchaus etwas finden, was wirklich toll und vor allem passend aussieht.

Das altbackene Drehbuch, das gemeinsam mit Noah Baumbach geschrieben wurde, erinnert den Zuschaueran Mattels ständige Versuche, sein Produkt neu zu erfinden und an die peinliche Einstellung von Modellen, die Verbraucher/Einzelhändler in Mitleidenschaft gezogen haben. Darüber hinaus ist die Geschichte aber keineswegs neu. Das Ganze gipfelt in einem zu erwartendem, lebhaften Abbau der männlichen Macht ("Er hat dir dein Zuhause genommen; er hat deine Freunde einer Gehirnwäsche unterzogen; er will die Regierung kontrollieren"), immerhin aufgepeppt durch Goslings köstlich leeren Apex-Ken-Auftritt und schulterhoch getragen von Margot Robbie. Ohne die beiden wäre dieser kühne Schwachsinn durchaus auf der Strecke geblieben. Ein bewegender Cameo-Auftritt von Rhea Perlman als Schöpferin all dieses Wahnsinns verleiht einen Hauch von herzlichem Pathos. Aber es sind Robbie und Gerwig (zusammen mit den Produktionsdesignern und Songwritern), die dafür sorgen, dass alles großartig wirkt, auch wenn es nicht so ist.

5/10

Quellen
Inhaltsangabe: Warner Bros.

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