Ein junger Elektriker wird in ein abgelegenes italienisches Bergdorf geschickt, um das kleine Kraftwerk, das den Ort mit Strom versorgt, zu reparieren. In dem verschneiten Örtchen herrrscht eine seltsame und bedrohliche Atmosphäre und ein Bewohner scheint spurlos verschwunden zu sein. Schnell findet er heraus, dass das Kraftwerk für finstere Zwecke genutzt wird...
Der gleichnamige Wald mag zwar makellos mit Schnee bedeckt sein, aber die Dramatik verwandelt sich schon vor dem Ende von "Der Eiswald", einem hochglänzenden, wenig logischen Noir, in Matsch. Ein wenig zäh kommt der zweite abendfüllende Spielfilm des italienischen Regisseurs Claudio Noce daher und obgleich die Story auf den ersten Blick viel Spannung verspricht und sogar - mal abgesehen von den konträren Situation - in Teilen an "Silent Hill" erinnert, ist "Der Eiswald" langatmig und bietet dem erfahrenen Thriller-/Horrorfreund wenig Neues. Auch ist die verworrene Geschichte über das Verschwinden von Menschen an der italienisch-slowenischen Grenze nicht wirlich nachvollziehbar und kokettiert mit der Aktualität des Themas Menschenhandel in Europa, ist aber ansonsten größtenteils den amerikanischen Erzählkonventionen verhaftet - bis hin zu der Country-Musik, die gelegentlich über die kühlen Ereignisse dröhnt. Das Mysterium ist zu diffus, um die Aufmerksamkeit der meisten Zuschauer zu fesseln, und es ist unwahrscheinlich, dass dieser dichte "Eiswald" den Grad an Crossover-Interesse auf sich ziehen wird, auf den er offensichtlich abzielt, obwohl er Noce als einen Genre-Handwerker von internationalem Niveau ausweist. "Grenztode sind niemandes Tode", brummt ein gereizter Bergmann - eine Aussage, die in dem geografischen und stilistischen Niemandsland, das "Der Eiswald" besetzt, angemessen erscheint, wo italienische und osteuropäische Stereotypen gleichermaßen durch das Prisma der Hollywood-Tradition gebrochen werden. Es ist ein hybrides Milieu, wie man es aus einer Reihe von jüngeren (und ähnlich frostigen) nordischen Noir-Filmen kennt, obwohl es schwer ist, nicht zu spüren, dass die von Noce gewählte Region reichhaltiger an kulturellen und soziologischen Konflikten ist, als der Film vermuten lässt. Die abwechslungsreiche, geschmackvolle Besetzung - darunter die auffällige russische Schauspielerin Ksenia Rappoport und der bekannte serbische Autor Emir Kusturica in den Hauptrollen - verleiht dem Film Struktur, auch wenn die Charaktere des Films nicht besonders ausgeprägt sind.
Es überrascht nicht, dass die Zahl der menschlichen Bestien höher ist als die der tierischen, angefangen bei den finsteren Brüdern Secondo (Kusturica) und Lorenzo (Adriano Giannini), die das örtliche Einwanderergeschäft betreiben. Die Ankunft von Lana ist nicht die einzige, die sie in Aufregung versetzt: Als der junge Elektriker Pietro (Domenico Diele) auftaucht, um einen Stromausfall in der Fabrik zu beheben, verschwindet Lorenzo kurz darauf. Dem Publikum wird es leichter fallen, die Dynamik zwischen den Figuren herauszuarbeiten, als das genaue Ziel der Ermittlungen zu bestimmen, denn der auslösende Mord sieht immer mehr nach einem MacGuffin aus. Das anfängliche Versprechen eines winterlichen Euro-Spins führt letztendlich zu machohaften, schwülstigen Ergebnissen. Dennoch ist Rappoport (der schon in italienischen Genrefilmen mitgewirkt hat) eine engagierte, intelligente Erscheinung.
Das Ganze sieht nicht nur wegen der sicheren Alpenkulisse robust und schön aus: Michele D'Attanasios geschmeidige Kameraführung strafft die Farbpalette effektiv und reduziert die winterliche Wunderlandschaft auf düstere, fast monochrome Töne, während sie gleichzeitig künstliche Rottöne im Bild zulässt. Angesichts der vielschichtigen Identität des Films ist die Filmmusik des italienischen Duos Ratchev & Carratello ein angemessenes Sammelsurium von Einflüssen, das von akustischem Bluegrass bis zu Chorkitsch reicht. Seltsamerweise ist die Kontinuitätsarbeit angesichts der allgemeinen Glätte der Präsentation ausgesprochen schlampig - das wiederholte Verschwinden von Dieles Ohrringen von Szene zu Szene gehört zu den weniger dringenden, aber bemerkenswert ungelösten Rätseln des Films.
4/10
Inhaltsangabe: amazon Video
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