William Tell (Oscar Isaac) hat die hohe Kunst des Kartenzählens perfektioniert. Nicht nur als Hobby, sondern auch um seine inneren Dämonen irgendwie in Schach zu halten. Der ehemalige Elite-Soldat hat eine Schuld auf sich geladen, die ihn einst für zehn Jahre ins Gefängnis brachte. Nach seiner Entlassung beginnt er als Pokerspieler durch die Staaten zu touren und folgt dabei einer strengen Routine. Um dabei keine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, hält er den Einsatz konsequent niedrig - bis er schließlich auf den jungen Cirk (Tye Sheridan) trifft. Die beiden haben einen gemeinsamen Freund - und Cirk will den ehemaligen Soldaten für seinen Racheplan gewinnen. William hingegen sieht in dem jungen Mann seine Chance auf Vergebung. Zusammen mit der undurchsichtigen Agentin La Linda (Tiffany Haddish) will er erstmals um das große Geld spielen - doch die Geister der Vergangenheit lassen sich nicht so einfach abschütteln.
Wenn die Namen Scorsese und Schrader über den Bildschirm flimmern, steigt natürlich die Erwartungshaltung. Bei "The Card Counter" können Titel und Aufmachung aber in die falsche Richtung führen. Dies scheint ein weiterer Film über einen Glückspieler zu sein, allerdings erweist sich der Film dann als etwas vielschichtiger. Und tatsächlich bekommt man mit "The Card Counter" ein anspruchsvolles, aber auch sehr ruhiges Drama, das (fiktiv) das persönliche Innenleben eines der beteiligten Soldaten rund um die Skandale der US-Foltergefängnisse von Abu Ghraib, Guantanamo und Co. beleuchtet, eingebettet vor dem Hintergrund eines Profikartenspielers. Paul Schrader hat wohl eindeutig ein Faible dafür zerstörte Menschen zu zeigen die auf unterschiedliche Weise mit der düsteren Vergangenheit umgehen.
Im Grunde ein Rachedrama ohne die typischen Komponenten dazu, denn statt Vergeltung wird versucht eine Ordnung im Alltag herzustellen, man könnte allerdings auch sagen wie am Beispiel von "The Card Counter", gefühlslos in die Casinowelt zu flüchten. Nach außen verschlossen halten, um den inneren Scherbenhaufen zu verdecken. Viele Emotionen (und Empathien) sind in Schrader's Welt nicht zu finden.
Oscar Isaac brilliert in seiner Rolle, der als scheinbar stoisch wirkender Spieler hin und wieder durchblicken lässt wie emotional vernachlässigt und unaufgeräumt er in Wirklichkeit ist. Was die Ursachen sind, erfährt der Zuschauer erst nach und nach und alles entwickelt sich tatsächlich wie ein Pokerspiel. Was als nächstes passieren wird ist nicht ersichtlich, was die Figuren planen und dann auch wirklich umsetzen ist mitunter überraschend. Die Figuren bluffen, auch mit dem Zuschauer. Das endet in keinem Twist-Fiasko sondern bis zum nachhallenden Ende erzählt Schrader sehr behutsam aber auch eindringlich die Zerrissenheit seiner Hauptfigur. Ähnlich wie Ryan Gosling in "Drive" verzieht Oscar Isaac kaum eine Miene und doch genauso zeichnen sich seine Blicke messerscharf wie charakterstark durch den kompletten Film, der trotz seiner gemählichen Erzählweise durch stetige Unruhe geprägt ist. Die hohe Anzahl an Monologen wären daher nicht mal nötig gewesen, etwas mehr Pepp im Plot für die Intensität dafür umso mehr, jedoch fängt Isaac mit seiner minimalistischen Ausdrucksstärke und Präsenz das entscheidend auf. Eine Charakterstudie ohne besondere Eigenschaften, jedoch mit leisen, wirkungsvollen Tönen Menschen und ein Land zeigt, das seelisch ziellos zerbröckelt ist. Schwierig einzuordnen, aber hat was.7/10
Quellen:
Inhaltsangabe: Weltkino
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