Montag, 5. September 2022

The Great Gatsby - Der große Gatsby (2013)

https://www.imdb.com/title/tt1343092/

Der wenig erfolgreiche Autor Nick Carraway (Tobey Maguire) verlässt den Mittleren Westen und kommt im Frühjahr 1922 nach New York City. Es ist eine Zeit von lockerer Moral, glitzerndem Jazz und den Königen des Schwarzhandels. Auf der Jagd nach seinem eigenen amerikanischen Traum begegnet er dem mysteriösen Millionär und Party-Veranstalter Jay Gatsby (Leonardo DiCaprio). Außerdem trifft Carraway seine Cousine Daisy (Carey Mulligan), in die Gatsby verliebt ist, und ihren blaublütigen und untreuen Ehemann Tom Buchanan (Joel Edgerton). Langsam wird der junge Autor in die einnehmende Welt der Superreichen mit all ihren Illusionen, Hoffnungen und Täuschungen hineingezogen. Als Zeuge dieser Welt, die ihm so fremd ist und der Welt, die er selbst bewohnt, verfasst er eine Geschichte über unmögliche Liebe, unbestechliche Träume und eine hochgradige Tragödie...

Das Leben ist ein großes rauschendes Fest. Eine nicht enden wollende Party, die mit jeder vergangenen Stunde nur noch lauter, bunter und besser wird. Opulent muss es nur sein. Gigantomanie und Verschwendungssucht sind die willkommenen Pfeiler einer solchen Party und Jay Gatsby versteht es, seinem Heer aus Society-Nachteulen und prunksüchtigen Fest-Freunden ein immerwährendes Gefühl von Luxus, Spaß und vielleicht auch Unsterblichkeit zu vermitteln. Gatsby, "Der Große Gatsby" von F. Scott Fitzgerald ist einerseits dieser eine große amerikanische Roman. Die Geschichte eines neureichen Aufsteigers, dessen Stern kurzzeitig am hellsten erstrahlt. Mit seinem Geld und durch seine Feste scheint Gatsby zum Mittelpunkt des Universums zu werden. In den Händen von Baz Luhrmann wird diese Vorlage selbst zu einem berauschenden Erlebnis. Luhrmann fährt alles auf, was nur geht, um mit ausuferndem Szenenbild, Kostüm-, Licht- oder Ton-Gestaltung jeglichen Gedanken an die vorangegangenen Verfilmungen vergessen zu machen. Jeglicher Vergleich wird gleich im Keim erstickt. Denn Luhrmann treibt mit seinem Gatsby scheinbar die Grenzen der artifiziellen Verfremdung im Kino an seine Grenzen.

Warum denn in fremde Welten aufbrechen, wenn wir dem Leben hier auf Erden einen märchenhaft schimmernden Anstrich verpassen können? Dafür fährt Luhrmann einige schwere Kaliber auf. Die Goldenen Zwanziger werden mit modernen Stilmitteln mächtig versetzt. Da singt Lana Del Rey den Titelsong, während Jay-Z den Soundtrack mit Beats angereichert hat. So entfaltet sich Fitzgeralds Vorlage vor einem Hintergrund, der klassisch aussieht und doch genauso einem jüngeren Publikum diese High-Society-Fetenwelt cool und greifbar erscheinen lasst. Natürlich funktioniert das. Keine Frage. "Der Große Gatsby" versetzt einen nicht nur in seinen ausufernden Party-Aufnahmen in einen regelrechten Sinnestaumel. Die Augen gehen einem auch über, wenn wir auf die weniger glamourösen Szenarien wechseln. Und dank der Besetzung von Leonardo DiCaprio als tragischen Titelhelden, kann Baz Luhrmann immer wieder beweisen, dass er sich wahrhaftiger der Bedeutung von F. Scott Fitzgerald bewusst ist. Immerhin geht der Bilderzauber auch in jene Momente über, in denen Gatsby am Ufer steht und seine Hände nach dem grünen Licht ausstreckt. 

Denn natürlich ist "Der Große Gatsby" auch eine Geschichte über den Fall einer schillernden Hauptfigur, die sich nach der Vergangenheit sehnt. Nach jenem Mädchen, das für eine kurze Zeit das seine schien. Aber, und dies zeigen und Fitzgerald und Buhrmann sehr deutlich, war dies nur eine wage Hoffnung des Glücks. Jay Gatsby macht sich daran, mit sich diesen Traum mit allem erdenklichen Reichtum und Chic zurückzuholen.Carey Mulligan, die als Daisy Buchanan diesen Traum verkörpert, scheint ihrem Verehrer tatsächlich zu erliegen. Doch Gatsby scheitert. Nicht an der Tatsache, dass seine Angebetete bereits verheiratet ist. Gatsbys Verhängnis ist viel eher der Fakt, dass er nur ein Junge aus einfachen Verhältnissen ist. Und kein Geld der Welt kann ihm den Zutritt zu diesen Kreisen verschaffen, zu denen seine Geliebte und auch ihr untreuer Gatte gehören.Auf diesem Wege erzählt uns Luhrmann etwas über diese schillernde Elite, die letzten Endes im Kastenwesen verharrt. Empörkommlinge sind geduldet. Gern gesehene Besucher, doch ohne Namen und Verbindungen wirst du es nie über den Status des gern gesehenen Gastes bringen. Und vermutlich hat F. Scott Fitzgerald damals mit dem kometenhaften Aufstieg und tiefen Fall des Jay Gatsby eine erhellende wie tiefgründige Beobachtung zu Themen wie der Vergänglichkeit des Ruhms oder den Fallstricken des Sich-Neu-Erfinden (einer amerikanischen Spezialität, fragt diesen Don Draper) abgeliefert. Noch vor Andy Warhol erhob er Gatsby zum König und Talk of the Town. Bis auch diese Episode verpufft und ihre scherbenhaften Überreste still und heimlich unter dem Teppich verscharrt werden.

So betrachtet macht "Der Große Gatsby" in seinen Bemühungen nichts falsch. Baz Luhrmanns Ansatz, das Alte mit dem Neuen zu kreuzen, schmeckt sicherlich nicht jedem. Aber wer schon bei "Romeo & Julia" oder "Moulin Rouge" resignierte, wird auch hier getrost weiterschalten können. Luhrmann steht nun einmal wie kein Zweiter für diese Vermischung aus Klassik und zeitgemäßerr Pop-Kultur. Früher, so in den Neunzigern, wäre das wahrscheinlich noch als Remix bezeichnet worden. Heute ist wohl der Begriff Mash-up besser. Das Aufeinandertreffen von Swing, Jazz und Hip Hop. Dass Luhrmann dabei stets das Verständnis für das Drama seiner Vorlage im Auge hat, untermauert auch der Blick ins Making-of und auf nicht verwendete Szenen. Und es ist auch nicht so, dass "Der Große Gatsby" selbst nur aus Schall und Rauch besteht. Es macht nicht nur *Puff* und ein Konfetti-Regen vernebelt dem Zuschauer die ganze Zeit die Sicht. Trotzdem ist dies ein Film, dem sehr schwer mit gebrauchsüblichen Kriterien und griffigen Formeln beizukommen ist. 

Das Drama von "Der Große Gatsby" findet sich hier in arg übersteigerter Form. Es ist unglaublich bis ungläubig mit anzusehen. Weil Baz Luhrmann ein echter Meister in Sachen Bilderflut und Zauber ist. Manchmal wirkt die tragische Erzählung auch sehr intim. Immer dann, wenn wir wirklich mal meinen, in einem Gesicht wahrhaft die Leidenschaft sehen zu können. Oder auch, weil Tobey Maguire als Freund und Gatsby-Bewunderer immer wieder die Rolle des Erzählers und Kommentators übernimmt. Dennoch greift auch hier die Gestaltung und Bildsprache zeitweise auf die Erzählung über. Und "Der Große Gatsby" erweckt wieder den Anschein eines gekünstelten Theater-Stücks, bei dem nicht sofort klar wird, ob Klatschen oder Seufzen angebracht ist. Nicht, weil Luhrmann zu viel Schwermut eintröpfelt oder schlicht die Grenze zwischen Tragödie und Komödie übersehen hat. Nein, mitnichten. Bei "Der Große Gatsby" zeigt sich nur einmal mehr, dass all diese Bemühungen nur dann greifen, wenn sich der Betrachter auch auf die Figuren völlig einlassen kann. Und dies hängt nicht nur von der Verve von DiCaprio ab. Es hängt auch an der gefühlten Beiläufigkeit und Gleichgültigkeit, mit der sich diese Figuren hier treffen und wieder auseinandergehen. Manche Bekanntschaften wirken hier geradezu überflüssig und hätten gleich aus dem Drehbuch genommen werden können. 

Doch auch hier findet sich höchstwahrscheinlich ein echtes Stilmittel, mit dem Baz Luhrmann hantiert. Zumindest lässt sich die oberflächliche Beziehung von Maguires Nick zur Golferin Jordan gut mit dieser oberflächlichen Natur höherer Schichten erklären. So wie sich das abrupte Verschwinden jener Dame vom Zerplatzen der großen Gatsby-Blase ableiten lässt.

Wie auch immer. "Der Große Gatsby" macht dem Inbegriff der Kino-Magie auf visueller Ebene alle Ehre. Der große amerikanische Roman von Fitzgerald wird nicht durch den Reißwolf gejagt und zerfleddert ausgespuckt. Dafür sollten wir ruhig das "Based On" als lockere Inspiration begreifen. Wenn überhaupt, lesen wir eh das Buch, wenn wir meinen, der Film sei schlecht. Und selbst dann dürfte es Baz Luhrmann geschafft haben, in unserer Vorstellung, beim Lesen der Vorlage immer wieder Leonardo DiCaprio und die Pracht dieser Dekors, im Kopf aufleben zu lassen. Nur die Nähe zum Streben und Leiden dieser Figuren stellt sich bei "Der Große Gatsby" vielleicht erst beim zweiten oder dritten Anlauf ein.

7,5/10

Quellen:
Inhaltsangabe: Warner Bros.

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