Dienstag, 12. Mai 2020

菊次郎の夏 - Kikujirô no natsu - Kikujiros Sommer (1999)

https://www.imdb.com/title/tt0199683/

Masao (Yusuke Sekiguchi) ist ein kleiner Junge, der bei mit seiner Großmutter zusammenlebt. Als er in den Sommerferien die Adresse seiner leiblichen Mutter herausfindet, beschließt er sich alleine auf die Reise zu machen und diese aufzusuchen. Doch schon nach wenigen Straßen wird er von einer Gruppe junger Raufbolde aufgehalten und bedrängt. Zum Glück ist der eigentlich ziemlich letharge Kikujiro (Takeshi Kitano) zufällig vor Ort und hilft dem ängstlichen Jungen. Durch eine Verkettung von Zufällen gesellt sich der Ex-Yakuza Kikujiro zu Masao und begleitet ihn auf seiner Suche. Dabei treffen sie auf allerhand skurrile Menschen und geraten nicht selten in chaotische Situationen. Sowohl für den Jungen, als auch für den Erwachsenen Kikujiro entwickelt sich die Reise zu einer Suche nach dem eigenen Ich und der persönlichen Vergangenheit.

Irgendwann stehen Kikujiro (Takeshi Kitano) und Masao (Yusuke Sekiguchi) von Angesicht zu Angesicht mit der schäumenden Gischt des Ostmeeres. Wer bereits mit dem Schaffen von Regisseur, Drehbuchautor und Darsteller Kitano vertraut ist, weiß aus seinen Filmen, dass das Meer nur eine Bedeutung inne tragen kann: Das Ende. Nicht aus geographischer Perspektive und auch weniger aus filmischer. Es ist das Ende der irdischen Existenz, mit dem sich Kitano immer wieder beschäftigt hat, sagt der in Tokio geborene Allrounder doch von sich selbst, dass sein Dasein auf Erden immer stärker mit dem Tode als mit dem Leben in Verbindung stand. Kikujiros Sommer allerdings ist die Antithese zu Filmen wie "Hana-bi" oder "Outrage": Der Glaube an das Leben nämlich überwiegt in diesem feingesponnenen Road Movie.

Der eigentliche Hauptdarsteller des Films ist der kleine Masao, auch wenn der Titel etwas anderes suggerieren möchte. Kitano erzählt hier die Geschichte eines Kindes, welches niemals seine Mutter kennenlernen durfte und in den Sommerferien die Initiative, diese im mehrere hundert Kilometer entfernten Toyohashi ausfindig zu machen. An seine Seite gesellt sich Kikujiro, ein Ex-Yakuza, Müßiggänger und Großmaul, der sich dem Jungen natürlich nicht aus eigenem Antrieb anschließt, sondern auf die Anweisung reagiert, dass ein Kleinkind nicht alleine durch Japan ziehen sollte. Natürlich ist dem Zuschauer hinsichtlich dieser reichlich konventionellen Ausgangslage schnell klar, wohin sich "Kikujiros Sommer" entwickeln wird: Er wird von Freundschaft erzählen, von einer Vater-Sohn-ähnlichen Beziehung. Und er wird das, selbstredend, als hürdenreichen, aber umso bereichernden Prozess des Vertrauens formulieren.

Dass "Kikujiros Sommer", trotz seiner fast schon formelhaften Anlagen, niemals althergebracht oder trocken wirkt, liegt an Takeshi Kitanos ungeheurem Talent als Regisseur und Autor. Kikujiro und Masao werden zu Leidensgenossen, die niemals das Glück hatten, mit einer Mutter aufzuwachsen, die im Zuge ihrer episodisch erzählten Odyssee durch die Lande aber nun die Chance bekommen, ihrer sozialen Reservehaltung zu entwachsen, in dem sie mitmenschliches Handeln erlernen. Das gilt für das kleine Kind, das gilt für den verhärmte Mann. Kitanos Ägide zeichnet sich dabei durch ein umfängliches Maß an Einfühlungsvermögen und Lebensgewandtheit aus. Als leise Hommage an Charlie Chaplins Klassiker "Der Vagabund und das Kind" treffen sich im Herzen des emotionalen Reifeprozesses nicht nur Momente aufrichtiger, von Melancholie gestreichelter Zwischenmenschlichkeit, sondern auch eine dermaßen verspielte Situationskomik, die diesen märchenhafte Bilderbogen erst recht vitalisiert.

"Kikujiros Sommer" ist ein wunderbar gefühlvoller, von leiser Melancholie unterwanderter und gleichwohl lebensfroher und teilweise sogar sehr skurril und verrückter Ausflug in die Ferne Japans. Takeshi Kitano beweist mit "Kikujiros Sommer" ein weiteres Mal sein Können und inszeniert einen emotionalen Reifeprozess, der auf dem Papier konventionell erscheinen mag, in der Umsetzung aber als herzerweichendes und unverkrampft humorvolles Road Movie berührt respektive aufblüht.

7,5/10

Von CAPELIGHT PICTURES erschien der Film hierzulande in einem tollen Mediabook:

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