Samstag, 23. Mai 2020

Crash (1996)

https://www.imdb.com/title/tt0115964/

James (James Spader) und Catherine Ballard (Deborah Kara Unger) sind ein verheiratetes Pärchen, das sich voneinander entfremdet hat. Beide haben außereheliche Affären, die sie offen ausleben und im Detail voreinander ausbreiten. Eines Tages hat James einen Autounfall, bei dem er mit einem entgegenkommenden Auto zusammenstößt. Der Fahrer des anderen Wagens stirbt sofort, jedoch wird die Beifahrerin in das gleiche Krankenhaus wie Ballard eingeliefert. Im Krankenhaus kommt ein Mann namens Vaughan (Elias Koteas) zu James, der sein verletztes Bein fotografieren möchte. James erfährt, dass die Beifahrerin aus dem anderen Auto auch im selben Krankenhaus ist, die beiden lernen sich kennen - und beginnen nach ihrer Entlassung eine intensive Affäre, die angetrieben ist durch die gemeinsame Erfahrung des Unfalls. Sie werden zu regelrechten Unfallfetischisten und verbringen mehr Zeit mit dem mysteriösen Vaughan.

"The car crash is a fertilizing rather than a destructive event, a liberation of sexual energy, mediating the sexuality of those who have died with an intensity that’s impossible in any other form."

Was nach schierer Exploitation klingt, Geilheit und Sex durch Autounfälle, wird bei David Cronenberg zum subversiven Psychokino. Es wundert dabei nicht, dass nach William S. Burroughs ("Naked Lunch") J.G. Ballard als Vorlagengeber folgt. Beschäftigen sich doch beide Autoren mit der Transformierbarkeit des Menschen in dystopischen Gesellschaften, die schon heute beginnen zu sein. Das New Flesh von "Crash" entsteht aus dem Zusammenstoß und der Verformung von Blech, Plastik und Gummi zu lustvoll geöffneten Leibern. Autos, zunächst bloße Vehikel, Extensionen des Menschen, werden zum Teil des Menschen und dessen tiefster Triebnatur. Die unendlichen, kreativen Spielmöglichkeiten einer solchen modernen Erotik fasst Cronenberg in "Crash" auf erstaunlich ruhige, fast essayhafte Weise. Hier gibt es keine wirklichen Konflikte, Antagonisten, bloß eine Idee, die alle besessen macht. In kühler Milleniumsästhetik voll pointierter Erotik öffnet sich der menschliche Körper an allen Punkten. Narben, Verwundungen, Verschrottungen, Substanzen markieren einen Spalt, der zur neuen Vereinigung nur penetriert werden muss. Die Geschlossenheit einer modernen, polierten Welt wird in Frage gestellt, wenn sich auch die glänzenden Oberflächen in Dampf und Feuchtigkeit öffnen. Howard Shores pessimistischer Klangteppich begleitet durch diese seltsam verzerrte Odyssee, ein unvergesslicher Anti-Erotikfilm, der sich selbst einer Genrezuordnung verweigert. Ein visionäres Paradies, das längst keine Fetische mehr schafft, da es schon zuvor belebt ist, nur mehr entdeckt werden muss. Eine tragische Verfallsgeschichte einiger Perverser ist "Crash" also nicht, vielmehr ein zitterndes Stimmungsbild im Augenblick vieler neuer Möglichkeiten, naiv und brutal gleichermaßen, einzigartig sowieso.

7,5/10

Von TURBINE Medien kommt der Film im auf 1.500 Stück limitierten Mediabook auf Ultra HD Blu-ray und Blu-ray.

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