Dienstag, 5. Mai 2020

Die Reise nach Sundevit (1966)

https://www.imdb.com/title/tt0060889/

Tim Tammer (Ralf Strohbach) fristet als Sohn eines Leuchtturmwärters ein eher einsames Dasein. Er freut sich daher umso mehr, als eine Gruppe von jungen Pionieren ihre Zelte in seiner Nähe aufschlagen. Er freundet sich schnell mit der Gruppe an und sie laden ihn zum Kap Sundevit ein, um dort gemeinsam die Ferien zu verbringen. Doch der hilfsbereite Tim muss vorher noch einige Arbeiten erledigen, die doch mehr Zeit in Anspruch nehmen, als er dachte. Die Pioniere reisen ohne ihn ab. Tim fährt seinen Freunden hinterher, fest entschlossen die Fähre zur Insel rechtzeitig zu erreichen...

Wer die Kinderbucherzählungen von Benno Pludra nicht kennen sollte, aber ein gewisses Interesse für Literatur hegt, vielleicht sogar Kinder hat, dem sei auf jeden Fall "Die Reise nach Sundevit" ans Herz gelegt. Ein einfach zu lesendes, kleines Buch über Abenteuerlust, Hilfsbereitschaft und in gewisser Weise auch Moral. "Die Reise nach Sundevit" erzählt die Geschichte eines 8-jährigen Jungen, der in den Ferien allein in den Tag hineinlebt. Seine Freunde und Klassenkameraden sind weit auf die umliegenden Dörfer verstreut und so bleibt für Tim nichts zu tun, als in den Dünen zu wandern und die Tage verstreichen zu lassen. Das ändert sich an einem sonnigen Sommertag, als in den Dünen 5 Zelte auftauchen, über denen ein blauer Wimpel im Wind flattert und die nur eines bedeuten können: andere Kinder.

"Die Reise nach Sundevit" ist zumindest für Kinder der DDR ein Stück nationales Kulturgut, schwelen doch fast unbemerkt in jeder Zeile die Werte einer sozialistischen Erziehung mit. Doch ganz so schlimm wie das klingen mag, ist das alles nicht, denn die Werte, um die es geht, sind allgemeingültige Werte. Hilfsbereitschaft, Kameradschaft, Freundschaft und auch ein kleines Stück Familie. Die in schwarz-weiß gehaltene Verfilmung (so war das eben damals in der DDR) von Heiner Carow nimmt das Kinderbuch und übersetzt seinen Stoff nahezu identisch auf die Leinwand. Mit dem dramaturgischen Kniff der Rückblende erzählt nun Tim Tammer selbst die Geschichte und lässt den Ausgang offen. Carow, ein gebürtiger Rostocker, kennt das Leben an der Ostsee, das merkt man dem Film an. Nahezu alles ist realitätsnah, so wie es auch schon das Buch war, alles ist flüssig, greift ineinander und ist anfangs auch treu der Vorlage. Leider ersetzt Carow aber die Matrosen, die Tim helfen, durch die Volksarmee, vermutlich zu Propagandazwecken. Das ist einerseits schade, weil so eine Schlüsselfigur aus der Geschichte gnadenlos gestrichen wird, andererseits hinterlässt es einen faden Beigeschmack bezüglich der Geschichte, die Pludra im Buch noch verfolgte.

"Die Reise nach Sundevit" wartet mit einer tollen Besetzung auf. Tim Tammer, Hermann, Heinrich Bradenkuhl und Kalli Kröger - alle sind so gut getroffen, wie man sich das aus dem Kinderbuch vorstellte oder es sich aus den im Buch enthaltenen Zeichnungen ableitete. Mit nur knapp 75 Minuten Laufzeit ist der Film auch nicht zu sehr in die Länge gezogen. Doch der Film dichtet ab der Hälfte der Laufzeit ein wenig zu viel hinzu und lässt sich weiterhin etwas zu viel gestalterische Freiheit in der Erzählung. Das sorgt für Unbehagen - vor allem, wenn man die ursprüngliche Geschichte kennt. Die moralische Keule mag dagegen heute schon etwas zu sehr angestaubt wirken ("Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft wird stets belohnt"), doch deswegen kann man Carow und seinen Darstellern kaum einen Vorwurf machen. Letztendlich ist "Die Reise nach Sundevit" ein tolles Buch und auch ein guter Film. Das Buch ist aber in jedem Fall vorzuziehen.

7/10

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen