Rocky Balboa (Sylvester Stallone) hat sein großes Ziel erreicht und ist Weltmeister geworden. Nun genießt er seinen Ruhm und die damit verbundenen Annehmlichkeiten. Doch da braut sich etwas aus dem Osten an. Ivan Drago (Dolph Lundgren), eine menschgewordene Maschine aus der Sowjetunion, will Rocky in die Schranken weisen. Er wurde mit neuester Technik trainiert, um aus ihm einen tödlichen Boxer zu machen. Doch dafür muss er erst Rockys guten Freund Apollo (Carl Weathers) besiegen. Und das tut er mit ungeahnter Härte. Apollo stirbt durch die Kraft des Russen im Ring. Und als nächstes fordert er den Champion heraus. Rocky weiß, dass er sich Ivan stellen muss und dass dies sein vermutlich härtester Kampf werden wird. Doch er hat für Apollo Rache geschworen und so beginnt er mit der Vorbereitung, auf einen mörderischen Kampf, der jedem der Gegner alles abverlangt...
Bereits mit der Kinofassung von "Rocky IV" durfte man zufrieden sein. Die Geschichte ist zwar etwas seicht, aber immer noch gut schaubar, wenngleich sie nicht mehr den Tiefgang besitzt, den alle drei vorherigen "Rocky"-Teile, ja, sogar der dritte Teil, besaßen. Der "Director's Cut" macht mit seinen Änderungen natürlich aus dem bekannten Film mit seinem Aufbau, seiner Exposition und seinem Finale keinen anderen Film, aber mit über 250 Änderungen ist es schon beachtlich, was Sylvester Stallone und sein Team bei MGM alles auf dem Boden des Schneideraumes noch finden konnten. Obwohl der Handlungsablauf des Films prinzipiell gleich geblieben ist, hat man sich hier extrem ausgetobt und nicht nur die Tonalität geändert, sondern quasi jede einzelne Szene nochmal angepasst. Es ging ganz offensichtlich darum, sich mehr am ernsten Ton zu orientieren, der sich immerhin durch einen Großteil der Reihe zieht. Auch wurde Filmmusik, Score und sogar Soundeffekte, etwa Schlaggeräusche, angepasst. Während diese in der Kinofassung comichaft wuchtig überzeichnet waren, ist es im Director's Cut wesentlich realistischer und abgemilderter. Obwohl der Film in etwa dieselbe Laufzeit hat, sind es knapp 40 Minuten, die man an neuem, anderen material hier finden kann, meistens beschränkt sich dies jedoch auf kleine Schnipsel.
Sowohl der Kampf von Apollo gegen Ivan als auch das Finale mit Rocky gegen Ivan wurden besonders umfangreich überarbeitet. Dafür ist zwar auch einiges an Bildmaterial herausgeflogen, vor allem überzogene Elemente wurden gestrichen. Beide Kämpfe laufen aber auch in absoluter Laufzeit gleich mehrere Minuten länger. Stallone zelebriert diese Action-Highlights nun förmlich und hat sie zugleich fetziger, aber eben auch ernster inszeniert. Auffällig ist im ersten Kampf vor allem, dass Apollo nun auch deutlich mehr Gegenwehr zeigt, insgesamt also mit etwas mehr Würde in sein Verderben geht. Bei Rocky gegen Ivan wirkt der Ablauf einfach viel flüssiger. Zugleich darf Apollo in zusätzlichen Dialogen aber auch mehr sportliche und persönliche Ambitionen offenbaren, während in der Kinofassung vor allem sein aufgeplustertes Ego und fehlgeleiteter Patriotismus im Vordergrund standen. Schon in der komplett veränderten Intro-Sequenz wird durch mehr Rückblicke auf Teil 3 gezeigt, wie Apollo einen wesentlichen Einfluss auf Rocky hatte. Die zusätzliche Grabrede von Tony Burton gibt auch noch ein bisschen emotionale Einordnung. Im "Making of" kommentiert Stallone, dass ihm Apollos Motivation in der Kinofassung stets als zu künstlich herüber kam. Zugleich hätte auch er selbst im Entstehungsprozess der Kinofassung manche Charakterzüge einfach noch nicht ausreichend einordnen können. Das hat er nun nachgebessert. Zugleich leidet Apollos Frau ausführlicher mit, sodass auch hier das familiäre Drama mehr in den Vordergrund rückt. Ob das für den Zuschauer im Gesamtkonstrukt des Films funktioniert, ist letztendlich Geschmackssache.
Es fällt zudem auf, dass Adrian mehr Platz in der Handlung einnimmt. Dies geschieht durch mehr Umschnitte auf sie während der Kämpfe, aber vor allem durch alternative sowie deutlich erweiterte Dialoge. Auch das dient ganz offensichtlich dem etwas dramatischeren und seriöser gehaltenen Grundton. Teils kommen ihre Kommentare nun als Ersatz für derbere Wortwechsel mit Apollo, womit das augenzwinkernde Rumprotzen also etwas reduziert wurde. Außerdem warnt sie Rocky vor Apollos Kampf, dass er selbst es in der Hand hätte, auf Apollo Einfluss zu üben. Gerade im Hinblick auf die innere Zerrissenheit von Rocky über die Reihe hinweg macht das natürlich Sinn und verleiht der Handlung mehr Tiefe.
Auch Ivan Drago wurde spätestens durch seinen Auftrit in "Creed II" eindeutig menschlicher und greifbarer. Dieser Marschrichtung wurde sich durch etliche kleine Details im Director's Cut konsequent angenähert. Mehrere Andeutungen zu Steroiden wurden getilgt. Zugleich sieht man Ivan häufig nun eher reserviert und eingeschüchtert schauen. Speziell Promoter Nicolai fällt ihm mehrfach ins Wort und wird in weiteren Zwischenschnitten gezeigt. Stallone war nach eigener Aussage sehr von Michael Patakis Performance begeistert und hat davon nun im Director's Cut noch etwas mehr eingebaut. Während Ivan in der Kinofassung letztendlich vor allem als übermächtige Maschine dargestellt wurde, hinterlässt der Director's Cut so eher den Eindruck, dass er als Propaganda-Werkzeug anderer quasi auch nur ein Opfer ist. Im "Making of" verweist Stallone als Analogie auf Max Schmeling als Hitlers Vorzeige-Boxer, diesen Hintergrund wollte er besser herausarbeiten. Auch hier kann man sicher geteilter Meinung sein, ob das dem Film inhaltlich dient oder eine liebgewonnene Figur etwas zu sehr umdeutet.
Letztlich ist es am Ende Geschmackssache, welche Fassung des Films man besser findet. Der Director's Cut ist eine derart gravierend veränderte Version, dass man ihn unbedingt separat von der bekannten Kinofassung bewerten muss. Die Intention hinter einigen Änderungen ist wirklich interessant und gibt den Charakteren ganz andere Schwerpunkte. Ob man das überhaupt für nötig erachtet und die Kinofassung nicht sowieso schon als perfekt einstuft, gerade auch mit all den häufig diskutierten Mängeln, die es zu einem ultimativen "guilty pleasure"-Erlebnis für viele Fans machen, ist natürlich jedem selbst überlassen.
7/10
Quellen:
Inhaltsangabe: MGM
Textauszüge: Schnittberichte.com
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