John J. Dunbar (Kevin Costner) ist ein Lieutenant der Nordstaaten-Armee, dem nach einer schweren Kriegsverletzung das Bein amputiert werden soll. Dunbar erträgt diese Vorstellung nicht und will sich umbringen. Auf einem Pferd reitet er vor den Feindeslinien auf und ab, doch statt zu sterben, wird er zum Helden: Die Kugeln der Feinde verfehlen ihn wie durch ein Wunder. Dadurch werden die Feinde abgelenkt und die eigenen Männer bekommen frischen Mut. Am Ende steht ein glorreicher Sieg für die Nordstaaten. Dunbar darf sein Bein behalten und das Pferd, welches ihn so sicher vor dem Feindesfeuer bewahrt hat. Und er darf sich einen Traum erfüllen: Den Wilden Westen kennen lernen: Dunbar wird auf eigenen Wunsch an den westlichsten Außenposten versetzt, den es gibt. Dort findet er nichts vor. Der Posten ist verlassen, die dort stationierten Truppen wurden im Kampf mit den Indianern getötet oder sind geflohen. Trotzdem tritt Dunbar seine Stelle an. Alleine bringt er den Außenposten wieder auf Vordermann und genießt die Zeit in der freien Wildnis. An seiner Seite sind nur sein treues Pferd und ein einsamer Wolf, der ihn aus der Ferne beobachtet und jeden Tag ein Stückchen näher kommt...
Ein monumentales, epochales Meisterwerk voller Strahlkraft und unvergesslichen Bildern; ein Spätwestern, der den aufkommenden Konflikt zwischen den Vereinigten Staaten und dem indigenen Volk, den Prärie-Indianern des mittleren Westens thematisiert. Dieser Western hätte auch in die Blütezeit des Genres gepasst. Kevin Costners Regiedebüt (!!!) "Der mit dem Wolf tanzt" lief weltweit in den Kinos und mauserte sich nicht nur zu einem wahren Kassenerfolg, sondern Costner, der sich unter anderem gegen Martin Scorsese und Francis Ford Coppola durchsetzen konnte, gewann den Oscar für den Besten Film und die Beste Regie - und Lob und Anerkennung, auch oder gerade in Form einer angesehenen Auszeichnung, hat sich Costner in diesem Fall wirklich redlich verdient. "Der mit dem Wolf tanzt" ist zurecht ein Klassiker im Genre und gilt zudem als die Blaupause für alle späteren Filme, die eine technologisch überlegende Gesellschaft auf eine naturverbundene, unzivilisierte Welt treffen ließen. Dazu zählen "Pocahontas", "Last Samurai" und "Avatar", denen oftmals auch der Plagiatsversuch vorgeworfen wird. Aber was kann Kevin Costners Meisterstück im Ursprung liefern und was macht diesen Film so besonders? "Der mit dem Wolf tanzt" ist unbestritten ein sehr schöner Film. Hervorragend gefilmt, mit einem großartigen Soundtrack und einem ruhigen, feinfühligen Umgang mit der vergessenen amerikanischen Geschichte. Costner ist hier ein Meisterwerk geglückt, und sein Film liefert einen nahbaren und tiefen Einblick in die Beziehung der amerikanischen Einwanderer mit den Sioux-Indianern. Der Zuschauer fühlt sich schnell dabei ertappt, wie realistisch der Ansatz des Filmes ist, wie befreit die Handlung von den typischen Zutaten dieses Genres und wie unaufgeregt sowie beobachtend die Geschichte des John Dunbars ist, ohne dabei wirklich viele neue Erkenntnisse zu sammeln.
Mit "Der mit dem Wolf tanzt" wird oftmals der Film in Verbindung gebracht, der als erster ein klischeebefreites und möglichst realistisches Bild der nordamerikanischen Indianer vermittelt hat. Das gelingt dem Film gleichermaßen gut wie offensichtlich. Dass die Indianer kein mörderischer, schießwütiger Haufen waren, bedurfte scheinbar einer kinotauglichen Feststellung. Das indigene Volk ist genauso menschlich, freundlich, aber auch brutal und schonungslos wie die eindringenden Amerikaner. Das mag heutzutage wenig überraschen und als weltoffener Zuschauer wird man sich kaum neu belehrt fühlen. Hinsichtlich der nahbaren Darstellung der Sioux verfällt Kevin Costner zwar nicht in eine starke idealisierte Haltung, wie bspw. ein James Cameron, zeichnet allerdings selbst nur mit Mühe ein zweideutiges Bild. Über wenige Momente, in denen sich die Sioux über die Tötung von Bison-Wilderern freuen, geht auch "Der mit dem Wolf tanzt" nicht hinaus. Ob es so realistisch ist, wie schnell sie sich auf John Dunbar einlassen, bleibt auch eher der Fantasie überlassen. Costner bedient übliche Genre-Klischees kaum. So wird etwa der skeptische, hitzköpfige Indianer als Gegenspieler zum Protagonisten nur angedeutet, um dann schnell wieder fallen gelassen zu werden. Nicht immer klischeefrei bleiben dennoch zwei andere Gruppen: der alternative feindselige Indianerstamm und die durchgehend böswilligen Weißen. Obgleich die Amerikaner ohnehin kaum zugegen sind und lediglich in der letzten halben Stunde auftreten, hätte man doch zumindest die zweifelhaften Eigenschaften der Pawnee auf die Sioux übertragen können. Die Ermordung eines unbewaffneten Bauern wird dann aber doch ihnen überlassen, während Dunbars Freunde von so einer Zeichnung verschont bleiben.
Ungewöhnlich für das Genre ist auch die überraschend konfliktfreie Handlung. Große dramaturgische Höhepunkte oder Wendungen gibt es bis zum Finale kaum. Das Verhältnis zwischen Dunbar und den Sioux geht nicht minder harmonisch vonstatten. Womöglich liegt das an der gutmütigen und selbstlos angelegten Figur von Kevin Costner. Wer ist dieser John Dunbar? Welche Rolle hat er im Sezessionskrieg gespielt? Dunbar ist seinen weißen Mitmenschen von Anfang an moralisch überlegen. Das ist nicht untypisch für diese Art Film und trotzdem ist es so auffällig, da der Figur keine Charakterwandlung zugestanden werden muss. Dieses Element lösen Genrekollegen dann doch besser, denen an einer konventionelleren dramaturgischen Spannung gelegen ist. Ebenso ungewöhnlich wie das Verhältnis zu den Sioux beginnt, verläuft es über den gesamten Film. "Der mit dem Wolf tanzt" spielt in einer Endphase der amerikanischen Westeroberung. Für die Indianer ist es nur noch eine Frage der Zeit bis die Weißen kommen und Dunbar ist sich dieser Tatsache selbstverständlich bewusst. Ein größerer Kulturen-Austausch findet daher gar nicht erst statt. Welchen Reichtum bzw. Vorteilen haben sich die Indianer und Dunbar gegenseitig zu bieten? Was macht die Sioux-Kultur erhaltenswert und in welchen Punkten ist sie der der Amerikaner womöglich überlegen? Dieser Auseinandersetzung geht Kevin Costner gar nicht erst nach. Es bleibt bei kleinen Faszinationen der Sioux über Zucker und eine Kaffeemühle. Aufgrund der letzten Eroberungsphase untergräbt der Film hierbei allerdings nichts. Der "Culture-Clash" ist längst abgeschlossen, der Sieger der Geschichte lange bestimmt. Es gibt nichts mehr zu nehmen oder zu geben. Auch die Sioux werden verschwinden, so wie sie alle verschwunden sind. Dieser Umstand kann mit dem Wissen aus anderen Genre-Vertretern seltsam oberflächlich wirken oder aber ziemlich konsequent. Denn in der Hinsicht idealisiert der Film eben überhaupt nicht und wählt für die indigene Bevölkerung eine überraschend einfache Antwort: Es ist ein Volk unter vielen, mit ihren Bräuchen, Ritualen und Glauben. Und ihr reichhaltiges Wissen wird niemanden umstimmen. Das Rad der Zeit dreht sich erbarmungslos weiter, bis sie schließlich nicht mehr existieren.
Mit dem Blick auf "Last Samurai" oder "Avatar" kann "Der mit dem Wolf tanzt" daher eigentlich wenig zum Thema beitragen. Weder ist Dunbar so breit charakterisiert, wie ein Tom Cruise als angehender Samurai, noch geht die Handlung so tiefgründig auf die Kultur der Ureinwohner ein, wie Cameron mit seinen Na'vi. Und dennoch ist die nachträgliche Erfahrung aufschlussreich, weil eben vieles bereits vorausgesetzt wird und in seiner Entwicklung abgeschlossen ist. John Dunbar führt nicht noch am Ende den letzten Kampf an; seine Geschichte endet nicht melodramatisch im Sonnenuntergang im Beisein der Sioux. Er muss gehen, denn schon bald werden die Amerikaner die Indianer finden. Diese Geschichte hat kein Happy End und genau das macht "Der mit dem Wolf tanzt" so nahbar. Auch wenn er bei der Darstellung der Sioux durchaus idealisiert, zum Schluss entzaubert Costner den Mythos konsequent und unterliegt keiner Romantisierung der realen Ereignisse. Ein Film wie ein Plädoyer für Völkerverständigung, Naturverbundenheit, Selbstfindung, Menschlichkeit und Liebe. Ein Meisterwerk.
9/10
Quellen:
Inhaltsangabe: Kinowelt / Studiocanal
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