In dem kleinen Dorf hoch im Norden Schwedens gehen die Menschen noch zur Kirche. Die Tage sind kalt und grau, aber jeder kennt jeden, und alle halten zusammen. Das klingt nach Idylle und Geborgenheit. Oder nach bedrohlicher Enge. Wie in dieser Geschichte, die auf wahren Begebenheiten beruht. Jennifer beschuldigt einen Schulkollegen, sie vergewaltigt zu haben. Polizei und Justiz behandeln den Fall nüchtern. Die Leute im Dorf wollen nicht wahrhaben, dass derartiges bei ihnen geschehen ist. Die Mutter des Jungen drängt Jennifer und ihren Sohn zu einer versöhnlichen Umarmung. Danach aber entfacht sie einen Shitstorm im Netz. Bald richtet sich der geballte Zorn des Dorfes nicht gegen den beschuldigten Jungen, sondern gegen Jennifer, die mit ihrer Aussage das Nest beschmutzt. Selbst der Pfarrer, Freundinnen und ihre eigene Schwester wenden sich gegen sie. Dabei haben die Dörfler nicht nur Jennifer, sondern auch den Rest der Familie im Visier. Ein Albtraum für das Mädchen und die wenigen, die ihm noch zur Seite stehen. Eindringlich zeigt der Film eine dramatische Entwicklung, bei der am Ende alle nur verlieren.
Das Drama um die Folgen eines Missbrauchs zwischen zwei Fünfzehnjährigen wirft kein gutes Licht auf das Zusammenleben einer Dorfgemeinschaft. Das missbrauchte Mädchen wird, entgegen aller Annahmen von Gut und Richtig, als Nestbeschmutzerin zunehmend isoliert, als Hure beschimpft und ihre Familie in Sippenhaft für eine vermeintlich falsche Verurteilung des Täters genommen. Damit erinnert die Konstellation dieses Films ein wenig an "Die Jagd" und es finden sich sogar ein paar spiegelbildliche Szenen. Doch der schwedische Film von Beata Gårdeler setzt sich auch mit dem Täter auseinander und versucht ihn irgendwo einzufangen. Viele Figuren erscheinen neben dem eigentlichen Opfer ebenso als solche oder jedenfalls empfinden sie sich so und möchten so gesehen werden. Das bittere Ende räumt damit auf, lässt aber trotz seiner Härte einen Schimmer der Hoffnung zu. "Wut". Ein Film, der niederschwellig die Verlogenheit der Gesellschaft offen legt, wenn es um Triebsteuerung und Sexualität geht. Auf seine Weise herausragend.7/10
Quellen:
Inhaltsangabe: Berlinale
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen