Dienstag, 17. Oktober 2017

Nerve (2016)

http://www.imdb.com/title/tt3531824/

Im Internet macht ein neues, illegales Spiel namens "Nerve" die Runde, bei dem die Teilnehmer riskante Herausforderungen meistern müssen, während die Welt ihnen dabei zuschaut. Nirgendwo scheint es noch ein anderes Gesprächsthema zu geben und auch die schüchterne Vee (Emma Roberts) bekommt davon Wind. Damit sie endlich mal im Mittelpunkt des Geschehens stehen kann, so wie ihre Freundin Sydney (Emily Meade), meldet sie sich als Spielerin an. Ihrer Mutter (Juliette Lewis) passt gar nicht, was die Tochter da vorhat – und wie zur Bestätigung der mütterlichen Sorgen hat Vee gleich zu Beginn von Nerve die Aufgabe, einen fremden Typen zu küssen. Spontan drückt sie Ian (Dave Franco) ihre Lippen auf den Mund. Von da an versuchen die beiden, die immer gefährlicheren Etappen zu meistern und werden dabei zur Internetsensation. Doch als Vee und Ian aus dem Spiel aussteigen wollen, merken sie, dass es dafür längst zu spät ist...

Genau wie die sich stellenden Frage "Bist du "Watcher" oder "Player"?" kann man auch als Zuschauer hin- und hergerissen sein. Aber vielleicht ist dies alles gar nicht so zwiespältig und wir sind alle einfach nur Gefangene, eingesperrt in der Trivialität und schuldig wegen unseres dummen Herdentier-Verhaltens? Der Film "Nerve" will eine warnende Geschichte über narzisstische Auswüchse und hemmungslose Gier nach Anerkennung durch die soziale Medien sein. "Nerve" ist aber leider nicht bereit, konsequent in die abartigen Tiefen des Themas einzutauchen. Er setzt einmal zu oft auf Oberflächlichkeit, auf den angenehmen Reiz, und negiert letztlich damit die Botschaft des Films, weil er von seinen Plattitüden selbst zu sehr fasziniert ist.


"Nerve" wirkt wie ein kultur-pessimistisches Comic, das das Internet als eine Art Gladiatoren-Arena aus Voyeurismus und Mutproben darstellt, in dem Smartphone-besessene Teenager herumlungern. Mit seiner durchaus mitreißenden Geschichte, seinem energischen, elektrisierenden, aber zu poppigen Soundtrack und seinen schicken Produktionswerten holt er unruhige Zuschauer da ab wo sie nicht stillstehen können. Sein zeitgenössisches Thema, mediale Sensationslust zwischen Internet-Technologie und Menschlichkeit, ist eigentlich eine originelle Idee. Er erzählt seine Story aufregend, irgendwie naiv-süß und voller Wendungen. Selbst die dunklen Seiten wirken bunt und werden mit dem Aussage-Holzhammer am Ende dem Zuschauer eingeprügelt. Mit hippen Visualisierungen von Chat-Verläufen aus Handy-/Kameraperspektive, quasi "hinter dem Display" und angesagter 80er Jahre Optik wird der überwältigende, soghafte Reiz medialer Selbstdarstellung reizvoll eingefangen und mit einer Teenager-Romanze (Mauerblümchen trifft coolen Jungen) zielgruppenorientiert aufgefangen. Die Behauptung, dass anonyme Sensationsgier "böse" ist geht aber im Rausch der Flüchtigkeit verloren. Das konstruierte Finale hat bei weitem nicht den Tiefgang oder den bitter nötigen Wumms nach dem es schreit und verlässt sich lieber auf die Wohlfühlzone. 


"Nerve" ist in seinem dystopischen Ansatz ebenso erfrischend wie frustrierend unbesonnen. Wie seine Charaktere sind Style und Tempo wichtiger als Nachhaltigkeit. Das Drehbuch ist holprig, schlampig und ziemlich naiv. Trotzdem macht dieser Neon-gesättigte Coming of age - Traum mit seinen digitalen Herzen "Spaß". Die Darstellerleistungen sind dabei eher mittelmässig, das passt aber eigentlich recht gut in dieses Konzept. Russisch Roulette im Social-Media-Style. Kann man riskieren.

6,5/10

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