Beau (Joaquin Pheonix) ist erfolgreicher Unternehmer und leidet zugleich an einer schweren Paranoia, die nicht zuletzt sehr wahrscheinlich im Zusammenhang mit seiner komplizierten Beziehung zu seiner mittlerweile nicht mehr lebenden Mutter steht. Dass er seinen Vater nie kennenlernte, ist der Stabilität seiner Psyche auch nicht unbedingt zuträglich. Zwar sucht sich Beau Hilfe bei einem Therapeuten, der ihm auch ein paar vermeintlich heilbringende Medikamente gegen seine Paranoia verschreibt. Aber so richtig ändert sich an seiner Situation nichts. Ganz im Gegenteil: Während Beau in die alte Heimat reist und währenddessen immer mehr den Verstand zu verlieren scheint, bricht um ihn herum die Realität zusammen. Er wird in eine Welt irgendwo zwischen Traum und Wirklichkeit geworfen, in der er nicht nur mit seinem jüngeren Ich konfrontiert wird, sondern sich auch seiner Person im hohen Alter stellen muss...
Ari Aster, bekannt für seine gefeierten Werke "Hereditary" und "Midsommar", liefert mit "Beau Is Afraid" einen Film ab, der sich radikal von seinen bisherigen Horror-Meisterwerken abhebt, dabei aber seine unverkennbare Handschrift und seinen Hang zum Albtraumhaften beibehält. Statt eines klassischen Horrors taucht der Zuschauer diesmal in einen drei Stunden langen, verstörenden, tragikomischen Psychotrip ein, der in Inhalt, Bildsprache und emotionaler Wucht alles Vorangegangene noch übertrifft. Schon mit "Hereditary" definierte Aster das Familiendrama als Horror - nun dekonstruiert er in "Beau Is Afraid" die Mutter-Sohn-Dynamik auf groteske, kafkaeske und oft auch schwarzhumorige Weise. Hier ist das Unheimliche weniger übernatürlich als vielmehr tief in der Psyche seines Protagonisten verwurzelt: Beau, großartig gespielt von Joaquin Phoenix, ist ein von Ängsten, Schuld und Scham zerfressener Mann, der auf einer absurden Odyssee quer durch sein von Traumata verseuchtes Leben stolpert.
Phoenix trägt den Film mit einer Tour-de-Force-Leistung, wie sie in den letzten Jahren nur selten zu sehen war. Seine Darstellung eines Mannes, der gleichermaßen Opfer, Überlebender und Spielball seiner eigenen Neurosen ist, ist nuanciert, tieftraurig und immer wieder komisch. Allein die Körpersprache im ständigen Grenzbereich von Panik, Apathie und existenziellem Schrecken ist beeindruckend - selten hat ein Schauspieler eine solche Verlorenheit so greifbar gemacht. Die Welt, durch die Beau taumelt, ist eine groteske Überhöhung banalster Alltagsgefahren, gespickt mit herrlich bösem Humor: Von der absurden U-Bahnhöllenstadt über ein gnadenlos spießiges Suburbia (mit famosen Nebenauftritten von Amy Ryan und Nathan Lane) bis hin zum Finale, das von Patti LuPone als omnipräsente Mutter dominiert wird, entfaltet Aster ein völlig eigenes Universum der Angst und Lächerlichkeit. Asters Mut zu surrealen Episoden, gewollter Überlänge und erzählerischer Wildheit zahlt sich aus - auch weil der Regisseur die Balance zwischen tragischem Drama und schwarzer Komödie hält. "Beau Is Afraid" ist gleichermaßen Albtraum, Gesellschaftssatire und tiefenpsychologisches Kammerspiel, angefeuert von einer dichten Bildsprache und exzellentem Sounddesign.Auffällig ist, wie sehr sich Aster dabei vom klaren Genrehorror der Vorgänger löst: Wo "Hereditary" und "Midsommar" den Schrecken im Außensichtbaren suchten, ist der Horror hier psychisch, internalisiert, manchmal fast grotesk komisch - und dank Joaquin Phoenix jederzeit glaubwürdig und mitreißend. "Beau Is Afraid" ist eine außergewöhnliche Kinoerfahrung und zugleich eine Herausforderung: ein opulentes, verstörendes, immer wieder auch komisches Psychodrama, getragen von einem herausragenden Joaquin Phoenix in der wahrscheinlich komplexesten Rolle seiner Karriere. Ari Aster unterläuft und übertrifft die Erwartungen an sein Schaffen gleichermaßen und schafft einen Film, der nicht nur diskutiert, sondern erlebt und verdaut werden will. Für Liebhaber des eleganten, intelligenten und absurden Kinos ist dies ein kleines Highlight.
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