Montag, 7. Juli 2025

Snow White - Schneewittchen (2025)

https://www.imdb.com/de/title/tt6208148/

Schneewittchen (Rachel Zegler) ist jung und schön. Deshalb wird ihre Stiefmutter, die böse Königin (Gal Gadot), regelrecht vom Neid zerfressen. Denn sie will um jeden Preis die schönste Frau im ganzen Land sein, doch wegen ihrer Stieftochter wird daraus eben nichts. Das lässt sie auch der magische Spiegel (Stimme im englischen Original: Patrick Page) regelmäßig wissen. Schneewittchens Leben bei der Königin wird deshalb immer unerträglicher. Also fasst sie sich eines Tages ein Herz und ergreift die Flucht. Ihr Weg führt sie tief in den Wald, wo sie schließlich auf ein Haus stößt und sich darin versteckt. Was sie jedoch nicht weiß: Dort leben die sieben Zwerge Pimpel (Stimme im englischen Original: Tituss Burgess), Chef (Jeremy Swift), Seppel (Andrew Barth Feldman), Brummbär (Martin Klebba), Happy (George Salazar), Schlafmütz (Andy Grotelueschen) und Hatschi (Jason Kravits).

Nach dem Zeichentrickklassiker "Schneewittchen und die sieben Zwerge" (1937) bringt Disney die Geschichte um das junge, schöne Schneewittchen und die neidische Stiefmutter als Realfilm zurück ins Kino. Und es gibt so Filme, die mit einer gewissen Vorbelastung ins Kino kommen - "Schneewittchen" ist zweifellos einer davon. Seit Disney seine klassische Zeichentrickbibliothek in aufwendige Realverfilmungen umwandelt, ist jede Neuerscheinung sowohl ein nostalgisches Versprechen als auch ein Wagnis. Dieses Remake ist kein einfaches Reenactment des 1937er Klassikers, sondern eine radikale Neuinterpretation mit politischem Anspruch, visueller Ambition und fragiler Emotionalität. Was man bekommt, ist ein Film, der oft schöner aussieht, als er sich anfühlt - und der gelegentlich mehr auf seine Symbolkraft vertraut als auf seine filmische Substanz. 

Rachel Zegler ist in der Titelrolle der klare Mittelpunkt. Sie besitzt jene schlichte Anmut, die Disney‑Prinzessinnen traditionell auszeichnet, aber kombiniert diese mit einer jungenhaften Entschlossenheit und wachsendem Selbstbewusstsein, das eher aus modernen Coming-of-Age-Dramen stammt. Ihr Schneewittchen ist keine Träumerin mehr, sondern eine junge Frau mit klarem Ziel: Die Rückgewinnung ihres Königreichs, das unter der Herrschaft einer machtgierigen Königin leidet - gespielt von Gal Gadot, die ihre Rolle mit einem überzeichneten Glamour versieht, der zugleich faszinierend und unterentwickelt bleibt. Gadots Königin lebt mehr von Kostüm, Maske und Blicken als von innerem Konflikt oder psychologischer Tiefe. Es ist ein schöner Auftritt - aber keiner, der haften bleibt. Zeglers Performance hingegen trägt den Film über viele seiner dramaturgischen Schwächen hinweg. Ihre Stimme, besonders in Songs wie dem melancholischen "Good Things Grow" oder dem optimistischen "Rise Above", verleiht Schneewittchens Reise eine emotionale Note, die der Film sonst oft schuldig bleibt. Man merkt, dass Zegler Erfahrung auf der Musical-Bühne hat - sie singt nicht nur, sie erzählt währenddessen. Ihre Augen sprechen in den leisen Momenten Bände, auch wenn das Drehbuch sie manchmal mit plakativen Sätzen alleine lässt.

Die eigentliche Heldinnenreise ist eine Neuerung, mit der Disney bewusst bricht mit der alten Formel vom "Gerettetwerden". Hier rettet Schneewittchen sich selbst - und damit auch ihr Volk. Dabei wird die Figur aber weniger durch innere Zweifel als vielmehr durch äußere Prophezeiung motiviert. Dieser narrative Kniff erzeugt ein modernes Empowerment-Motiv, bleibt aber bis zum Schluss eher Behauptung als tief empfundene Wandlung. Visuell ist "Schneewittchen" eine zweischneidige Angelegenheit. Mandy Walkers Kameraarbeit liefert einige eindrucksvolle Kompositionen - insbesondere die Szenen im verzauberten Wald, wo das Licht wie durch flüssiges Glas fällt und Farben sich beinahe körperlich anfühlen. Doch diese Schönheit wird konterkariert von einer CGI-Ästhetik, die zwar gewollt märchenhaft sein will, aber letztlich fremd und künstlich wirkt. Und ironischerweise singt der König von Realität, während eineindeutig computeranimierter Vogel auf seiner ausgestreckten Hand landet. Die sieben Zwerge, ersetzt durch digital animierte Figuren unterschiedlichster ethnischer Herkunft, erscheinen weniger wie Charaktere und mehr wie Artefakte eines Designprozesses. Es ist eine Entscheidung, die technisch nachvollziehbar ist - politisch sensibel, aber filmisch unbefriedigend. 

Der Film ist außerdem musikalisch nicht so mitreißend, wie er sein müsste. Die neuen Songs stammen aus der Feder von Benj Pasek und Justin Paul, doch keiner von ihnen bleibt wirklich im Ohr. Vielmehr wirken sie wie elegante Zwischenspiele, stilvoll, aber wenig einprägsam. Nur in den letzten zehn Minuten - wenn Handlung, Musik und Bild endlich eine echte Einheit bilden - gelingt dem Film eine emotionale Pointe, die man sich früher gewünscht hätte.

Thematisch bleibt der Film in seiner feministischen Neuausrichtung recht ambivalent. Zwar spricht Schneewittchen von Selbstbestimmung und Verantwortung, doch oft scheint diese Botschaft mehr behauptet als wirklich durchdrungen. Man hat nie das Gefühl, dass die Figur einen inneren Konflikt durchlebt oder an sich selbst wächst - vielmehr wirkt sie von Anfang an wie eine "fertige Heldin". Die Spannung, die aus Widersprüchen entsteht, bleibt aus. Damit fehlt Schneewittchen jener innere Puls, der etwa "Cinderella" oder "Maleficent" gelegentlich beflügelte. Was bleibt, ist ein Film, der mit edlen Absichten, großer Ausstattung und sympathischer Hauptdarstellerin aufwartet, aber sich letztlich selbst im Wege steht. Die Modernisierungen sind mutig, aber inkonsequent. Die Bildsprache ist stark, aber nicht kohärent. Und der emotionale Kern - so wichtig für jedes Märchen - bleibt zu oft hinter Glas. "Schneewittchen" ist nicht das Desaster, zu welchem er in der Presse gemacht wurde - er ist aber auch keine Krönung. Es ist ein Film, der sich zu oft damit begnügt, bedeutungsvoll zu wirken, statt Bedeutung zu entwickeln. Und vielleicht ist das die größte Ironie: Dass ein Film, der ausgerechnet von Wahrhaftigkeit, Mut und Aufbruch erzählt, sich nicht traut, wirklich zu fühlen. Oder kurz gesprochen: Ein schöner Versuch - aber der Spiegel zeigt uns nur eine Projektion, keine Wahrheit.

4,5/10

Quellen:
Inhaltsangabe: Disney
Poster/Artwork: Disney

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