Mittwoch, 16. Juli 2025

V/H/S/99 (2022)

https://www.imdb.com/de/title/tt21651560/

m ersten Segment mit dem Titel „Shredding“ begibt sich eine Nachwuchs-Punkband (u. a. Jesse LaTourette) auf die Spuren ihrer legendären Vorbilder, die im Laufe einer Massenpanik von ihren eigenen Fans zu Tode getrampelt wurden. Im folgenden „Suicide Bit“ will die Uni-Anfängerin Lily (Ally Ioannides) einer Studentinnenverbindung beitreten. Als Aufnahmeprüfung soll sie eine Nacht in dem Sarg verbringen, aus dem eine andere Bewerberin einst spurlos verschwand. In „Ozzy‘s Dungeon“ wird dann ein TV-Showmaster (Steven Ogg) von einer Mutter (Sonya Eddy) entführt, deren Tochter sich in seiner Sendung verletzt hatte. In „The Gawkers“ wiederum geifert ein Haufen Vorstadt-Jünglinge einer hübschen neuen Nachbarin hinterher – nur um zu realisieren, dass Sandra (Emily Sweet) alles andere als ein normales Mädchen ist. Im abschließenden „To Hell And Back“ wollen zwei Doku-Filmer (Archelaus Crisanto, Joseph Winter) eine okkultistische Séance drehen. Doch anstatt einen Dämon auf Zelluloid bannen zu können, landet das Duo mit seiner Kamera selbst in der Hölle …

"V/H/S/99" ist der fünfte Teil der aus jeweils lose miteinander verbundenen Found-Footage-Kurzfilmen zusammengesetzten Horror-Reihe, taucht tief in das Y2K-Zeitalter ein und serviert fünf neue Segmente, die stilistisch wild schwanken - irgendwo zwischen grobem Slasher, absurder Komödie und makabrer Spukgeschichte. Der Trash-Charme und die stilistische Vielfalt machen Spaß, auch wenn die Qualität von Beitrag zu Beitrag variiert und nicht jedes Segment wirklich zündet.

Statt einer klassischen, stringenten Rahmenerzählung gibt es diesmal immer wieder Einschübe mit Spielzeugsoldaten. Diese sind belanglos und schaffen keinen inhaltlichen Kitt zwischen den Episoden - ein echtes Manko im Gesamteindruck. Mit "Shredding" will eine Teenie-Punkband ihren Mut beweisen und bricht nachts in einen abgebrannten Club ein, der mit einer düsteren Legende behaftet ist. Der Stil erinnert an eine Mischung aus Jackass und Creepypasta: hysterischer Humor, rohe Kamera und jede Menge schrille Überdrehtheit. Die Figuren sind laut und nervtötend – das sorgt immerhin für Genugtuung, sobald der blutige Horror über sie hereinbricht. Als Opener bleibt das Segment eher oberflächlich, macht aber als kurzer Schockmoment Laune. Stärker geht es mit "Suicide Bid" weiter. Ein Initiationsritual einer Studentenverbindung läuft grausam schief und eskaliert zu einer albtraumhaften, klaustrophobischen Horrorsequenz. Die Story setzt auf klassische Urban Legends mit ziemlich effektiven Jumpscares. Spannung und Enge werden greifbar - handwerklich eine der stärkeren Episoden, auch wenn das Ende konventionell bleibt.

Mit "Ozzy’s Dungeon" bekommt ein TV-Game-Show-Host die Quittung für seine sadistischen Methoden: Als eine Kandidatin schwer verletzt wird, nimmt ihre Familie blutige Rache. Hier wird der 90er-Jahre-Spielshow-Irrsinn in groteske Splatter-Bilder übersetzt. Dieses Segment ist wild, seltsam und manchmal schwer erträglich, glänzt aber durch seine abgefahrene Energie und originelle Bildsprache. Im dritten Segment, "The Gawkers" wird eine Gruppe jugendlicher Nachbarskinder beim Voyeurismus selbst zum Opfer. Die Chemie der Darstellenden wirkt natürlich und authentisch nervig, der Humor sitzt - das schaurige Ende knallt, auch wenn die visuellen Effekte beim großen Twist etwas billig wirken. Trotzdem eines der gelungensten Segmente, da es den Zeitgeist der 90er ironisch einfängt und mit Horror paart. Im vierten und letzten Segment, "To Hell And Back" geraten zwei Dokumentarfilmer bei einer Dämonenbeschwörung tatsächlich in die Hölle. Das Segment überzeugt als blutiges, rasant inszeniertes Finale mit einfallsreichen Sets, rabenschwarzem Humor und der auffälligsten Nebenfigur des Films: Die Dämonin Mabel (Melanie Stone) sorgt sogar für echte Sympathiewerte. Der gelungene Spannungsbogen und der kreative Höllentrip machen diesen Beitrag zum heimlichen Highlight der Sammlung.

"V/H/S/99" versteht es, die späten 90er als Zeitkapsel heraufzubeschwören - vom Soundtrack über Settings bis zur rebellisch-rohen Found-Footage-Optik. Die Atmosphäre ist deutlich mehr auf schrillen Horror und pubertären Humor ausgelegt als auf subtilen Grusel. Manches wirkt karikiert, manches verliert sich in übertriebenem Klamauk - doch für Fans von handgemachtem VHS-Horror gibt’s hier reichlich Splatter, Freakshow und Street-Credibility. Die Qualität und Originalität der Beiträge schwanken, aber die Abwechslung hält wach. "V/H/S/99" ist für Genrefans eine solide bis gute Ergänzung zur Reihe: Einige Geschichten begeistern durch Kreativität und Tempo, andere bleiben blass oder nervig. Wer auf wilde Anthologien, popkulturelle 90er-Referenzen und abgefahrene Horror-Ideen steht, wird auf seine Kosten kommen - andere werden den Film schnell ad acta legen.

5,5/10

Quellen:
Inhaltsangabe: Tiberius Film
Poster/ArtworkBloody Disgusting/Cinepocalypse Productions/Studio71

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