Montag, 14. Juli 2025

28 Years Later (2025)

https://www.imdb.com/de/title/tt10548174/

Fast dreißig Jahre sind vergangen, seit das gefährliche Rage-Virus aus einem Labor für biologische Waffen entkam und die Welt gnadenlos überrollte. Während das Gebiet seitdem weiterhin unter strikter Quarantäne steht, haben einige Überlebende Wege gefunden, sich inmitten der immer noch umherstreifenden Infizierten anzupassen. Eine kleine Gruppe hat etwa auf einer abgelegenen Insel Zuflucht gefunden, die nur über einen streng bewachten Damm mit dem Festland verbunden ist. Als ein Mitglied der Gemeinschaft, Jamie (Aaron Taylor-Johnson), zusammen mit seinem Sohn Spike (Alfie Williams) jedoch die Insel verlässt, um eine gefährliche Mission auf dem Festland zu übernehmen, erwartet ihn eine Realität, mit der bisher niemand gerechnet hat. Denn neben den üblichen „normalen" Infizierten begegnet er auch anderen Überlebenden, die sich auf unerwartete und dazu erschreckende Art und Weise verändert haben. Die Menschheit scheint noch einen langen, steinigen und gefährlichen Weg vor sich zu haben...

"28 Years Later" markiert nicht nur die lang erwartete Rückkehr zu einem der prägenden Franchise des modernen Horror-Genres, sondern steht auch als eigenständiges, filmisches Meisterwerk, das in seiner narrativen und ästhetischen Tiefe die Vorgänger "28 Days Later" und "28 Weeks Later" sowohl würdigt als auch weit übertrifft. Regisseur Danny Boyle, der mit dem Originalfilm von 2002 das Genre revolutionierte und die apokalyptische Infektionsgeschichte mit einer rohen, unvermittelten Bildsprache auf eine neue Stufe hob, kehrt mit erstaunlicher Reife und einer visionären Hand zurück. Dabei gelingt es ihm, das zentrale Thema nicht erneut auf den Schock der anfänglichen Ausbreitung zu reduzieren, sondern die viel komplexere und psychologisch tiefere Erzählung einer Generation zu entfalten, die das Virus nicht erlebt hat, jedoch in seiner Nachwirkung lebt.

Im Zentrum des Films steht Aaron Taylor-Johnson als Jamie, dessen Darstellung sowohl körperlich präsent als auch emotional facettenreich ist. Taylor-Johnson überzeugt durch seine Fähigkeit, große innere Konflikte mit minimalen Gesten und einer zurückgenommenen Körpersprache zu vermitteln. Sein Jamie ist kein klassischer Held, sondern ein Überlebender, der sich zwischen Beschützerinstinkt und einer tiefen Verunsicherung bewegt, die den psychologischen Realismus seines Charakters verstärkt. Gegenüber steht Jodie Comer als Isla, deren Performance bemerkenswert nuanciert und vielschichtig ist. Sie schafft es, einerseits die entschlossene Kämpferin zu verkörpern, die sich im zerstörten England behauptet, andererseits auch eine verletzliche Frau, deren Augen Momente der Hoffnung und zugleich der tiefen Trauer preisgeben. Das Zusammenspiel zwischen Taylor-Johnson und Comer erzeugt eine spürbare emotionale Dynamik, die dem Film neben den Horror-Elementen eine starke, zwischenmenschliche Dimension verleiht.


Alfie Williams bringt als Spike, der jugendliche Sohn, die unverbrauchte Perspektive einer Generation ein, die in einer Welt geboren wurde, die von Katastrophe und Stillstand geprägt ist. Williams überzeugt mit einer natürlichen Unbefangenheit und einem sensiblen Ausdruck, der besonders in den Szenen auffällt, in denen Spike die verlassene Welt mit staunenden Augen entdeckt. Diese Figur dient als Bindeglied zwischen der Vergangenheit, die seine Eltern prägte, und der ungewissen Zukunft, die er repräsentiert.

Die Veteranen des Ensembles, allen voran Ralph Fiennes als Dr. Ian Kelson, verleihen dem Film zusätzliche gravitas. Fiennes’ ruhige, oft zurückhaltende Performance ist ein Anker in einem Film, der von ständigem Wandel und Unsicherheit geprägt ist. Seine Figur steht für die moralische und wissenschaftliche Verantwortung, die in einer zerfallenden Gesellschaft verloren zu gehen droht. Dagegen wirkt Jack O’Connell als Sir Jimmy Crystal als Gegenpol, ein charismatischer und zugleich bedrohlicher Kultführer, dessen Performance durch die subtile Mischung aus Autorität und Wahnsinn besticht. O’Connell bringt eine schleichende, psychologische Spannung in den Film, die den Konflikt nicht nur auf die Ebene des physischen Horrors reduziert, sondern die menschlichen Abgründe in den Vordergrund stellt.

Die Kameraarbeit von Anthony Dod Mantle, der schon bei den beiden Vorgängern die eindringliche Bildsprache prägte, ist erneut ein zentrales Element des Films. Seine Wahl, lange, ruhige Einstellungen mit handgeführten, beinahe dokumentarischen Kamerabewegungen zu verbinden, schafft eine dichte Atmosphäre, in der die zerstörten Landschaften und verfallenen Städte nicht nur als Kulisse, sondern als lebendige Protagonisten wahrgenommen werden. Seine Fähigkeit, sowohl das Große - etwa weite, verlassene Stadtszenen - als auch das Kleine - intime Gesichter, staubige Gegenstände, subtile Lichtbrechungen - einzufangen, trägt maßgeblich zur emotionalen Wirkung bei.


Musikalisch gestaltet das schottische Trio Young Fathers mit einem atmosphärisch dichten, oft minimalistischen Score eine Klangwelt, die das filmische Geschehen stützt, ohne es zu überfrachten. Ihre Kompositionen setzen auf eine ausgewogene Mischung aus elektronischen Drones, sparsam eingesetzten Percussion-Elementen und zarten, melancholischen Melodien, die sich wie ein unsichtbares Netz durch den Film ziehen und die emotionale Tiefe unterstreichen. Gerade in ruhigen Momenten entfalten die Klänge eine unerwartete Intensität, die den Zuschauer in den Bann zieht und mit den Figuren mitschwingen lässt.

Das Drehbuch von Alex Garland, der bereits das Original schrieb, überzeugt durch seine kluge Balance zwischen Spannung und Reflexion. Er schafft es, eine Geschichte zu erzählen, die weniger von Aktion lebt, sondern von der Entwicklung der Figuren und ihrer Beziehungen untereinander. Die episodische Struktur ermöglicht es, einzelne Facetten der postapokalyptischen Gesellschaft zu beleuchten - von den persönlichen Traumata über die Suche nach Gemeinschaft bis hin zu philosophischen Fragen nach Identität und Verantwortung. Gerade dieser narrative Ansatz lässt "28 Years Later" zu einem Werk werden, das sich tiefgründig mit dem Thema Zeit auseinandersetzt: 28 Jahre nach dem Ausbruch sind Vergangenheit und Gegenwart auf komplexe Weise verwoben, und der Film stellt immer wieder die Frage, was es bedeutet, in einer Welt zu leben, deren Geschichte man nur aus Erzählungen kennt.

Zusammenfassend ist "28 Years Later" eine gelungene Synthese aus Horror, Drama und Gesellschaftsstudie, die das Genre weit über konventionelle Zombie- oder Infektionsfilme hinaushebt. Die herausragenden Leistungen des Ensembles - insbesondere von Aaron Taylor-Johnson, Jodie Comer, Alfie Williams, Ralph Fiennes und Jack O’Connell - verleihen dem Film eine emotionale Glaubwürdigkeit, die tief berührt. Anthony Dod Mantles Kameraarbeit und der atmosphärische Score von Young Fathers komplettieren das stimmige Gesamtbild. Danny Boyle gelingt es, die düstere Grundstimmung der Vorgänger zu bewahren und zugleich neue erzählerische und ästhetische Akzente zu setzen. "28 Years Later" ist mehr als nur ein Horrorfilm - es ist eine zeitgemäße Reflexion über Trauma, Hoffnung und den menschlichen Überlebenswillen, die als ein bedeutender Beitrag zur Filmkunst gewürdigt werden kann.

7,5/10

Quellen:
Inhaltsangabe: Sony Pictures
Poster/Artwork:  TSG Entertainment/DNA Films/Decibel Films

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