In seinem monumentalen Epos Der letzte Kaiser erzählt Bernardo Bertolucci die Lebensgeschichte des chinesischen Kaisers Puyi. Im Jahre 1908 wird der gerade einmal zwei Jahre alte Puyi zum Kaiser von China gekrönt. Nur drei Jahre später ist er zum Abdanken gezwungen, da die Revolution in China ausgebrochen ist. Da er jedoch die Palastmauern der Verbotenen Stadt nie verlässt, bleibt Puyis Einfluss groß. Unterrichtet wird er von dem schottischen Lehrer Reginald Johnson (Peter O’Toole), der ihn schließlich auf die Idee bringt, neue Reformen durchzusetzen. Erst mit 18 Jahren verlässt Puyi (John Lone) seinen goldenen Käfig.
Bernardo Bertoluccis Faszination für China, seine unstillbare Sehnsucht
für das exotische Land und seine Kultur hat dieses Meisterwerk
geschaffen. Er hat übermenschliches - künstlerisch wie politisch -
geleistet, damit dieses Werk entstandt. Niemand ausser ihm wird das je
in seiner Tiefe und orgiastischen Detailversessenheit verstehen können. Mit aufmerksamem Blick watet der italienische Regisseur durch einen
prunkvollen Ballungsraum zeremonieller Zwänge und dokumentiert das Leben
eines Menschen, welcher seit jeher von jeder Selbstbestimmtheit
entrückt wurde. Puyi wurde in einen goldenen Käfig gesperrt, zum Symbol
verdammt und zum Teil einer opulenten Inszenierung, einem
festgeschriebenen Ablauf, einer exorbitanten Choreographie erkoren, die
erst durch die adoleszente Improvisation des letzten Kaisers ins leise
Wanken gerät. Der Film spannt einen Bogen vom Anfang des 20. Jahrhunderts (1908) bis
zu den 60er Jahren, in denen Kaiser Puyi (John Lone) starb. An
Originalschauplätzen gedreht, was 1987 allein schon ein Meisterwerk der
Diplomatie ist, verschafft er dem Zuschauer Einblicke ins chinesischen
Hofzeremoniell. Dabei wechseln offizielle mit ganz persönlich intimen
Szenen. Was den Film interessant macht ist der Schnitt, was beeindruckt
ist die pompöse Ausstattung. Durchgängig wechseln Szenen im Palast mit
denen der Umerziehung des Kaisers in einem Internierungslager.
Dass sich Bertolucci oftmals mehr für das Ausstaffieren beeindruckend fotografierter Bildwelten interessiert, die seine Begeisterung für das sich im steten Wandel befindende China des 20. Jahrhundert zum Ausdruck bringen, scheint letztlich die logische Konsequenz im Umgang mit der titelgebenden Persönlichkeit: Puyi hatte nie die Möglichkeit, sich individuell zu entwickeln, deswegen blieb er eine entrückte, fremdgesteuerte Hülle, frei von jeder Eigendynamik und der Pflicht verfallen, Kaiser sein zu müssen. In "The Last Emperor" umschließt ein Ring den Plot mit der ‘Halle der höchsten Harmonie‘ als Kulisse. Anfangs wird hier der kleine Kaiser gekrönt, am Ende entwischt er dem Wachpersonal und schaut wie ein Tourist vorbei und begegnet einem kleinen Rotarmisten, dem er beweisen kann, dass er der Kaiser ist/war. Die Verbotene Stadt war lange Zeit eine Welt für sich egal, was im übrigen Reich geschah. Die Geschichte Chinas zwischen den Weltkriegen ist selbst für Historiker nicht einfach zu durchschauen, denn es entstanden ständig wechselnde Koalitionen und Gegner: z.B. Japaner, Kuomintang oder Russland kochten hier ihr imperiales Süppchen. Und auch die Chinesen selbst bildeten keine Einheitsfront. Letzte Auswirkungen sehen wir bis heute immer noch an den zwei chinesischen Staaten.
Eine auflockernde Ergänzung erfährt die Handlung durch das Auftreten des schottischen Lehrers R.J. (Peter O’Toole). So kommt durch den Gegensatz von westlicher und fernöstlicher Technik und Kultur auch humorvolle Augenblicke zustande. Zwei Frauen liegen an der Seite des ‘Herrn der Zehntausend Jahre‘: Joan Chen und Maggie Han, die unter der Bürde teilweise zusammenbrechen. Die Roten Garden haben ihren verhängnisvollen Auftritt, wobei Puyis Gefängnisdirektor als Kollaborateur bzw. Verräter durch die Straßen geführt wird und gezwungen wird vor dem Bild Maos den Kotau zu machen. Bertolucci lässt Bilder von Hiroshima und Pearl Harbour auf den Zuschauer wirken. Nach 10 Jahren Haft ist Puyi frei und arbeitet als Gärtner. Der Frontwechsel des Kaisers ist nicht leicht nachvollziehbar, die Verantwortung, die er übernimmt ist es hingegen schon. 9 Oscars bekam dieser Film - und er hat jeden einzelnen davon verdient. Trotz einiger Längen ein echtes Erlebnis.
9/10
Quellen:
Inhaltsangabe: Arthaus
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