Mittwoch, 6. Oktober 2021

La haine - Hass (1995)

https://www.imdb.com/title/tt0113247/

Paris 1995. Der Hass wächst im Problembezirk Cité des Muguets. Abdel, ein junger Araber, wurde nach den Krawallen der letzten Nacht von der Polizei festgenommen und liegt jetzt schwer verletzt im Krankenhaus. Er schwebt in Lebensgefahr. In den folgenden 24 Stunden greift der Hass auch auf das Leben dreier Jugendliche über: Saïd (Saïd Taghmaoui), auch Araber, Vincent (Vincent Cassel), ein Jude und Hubert (Hubert Koundé), ein schwarzer Amateur-Boxer. Die drei jungen Männer wachen am Morgen nach den Krawallen in ihrem zerstörten Viertel auf. Überreste der Randale und Polizisten sind noch allgegenwärtig. Sie haben keinen Job, keinen Schulabschluss, keine Zukunft, aber der Hass gegen das System, das sie vergessen hat und sogar ihre Hoffnungen raubt, wird größer und größer. Die Dienstwaffe eines Polizisten, die während der Krawalle verloren ging, könnte für Selbstjustiz verwendet werden, falls Adbel an seinen Verletzungen sterben sollte...

Der Film wurde in Anlehnung an ein reales Ereignis gedreht. 1993 wurde während eines Verhörs auf einem Polizeirevier in einer der Banlieues ein sechzehnjähriger Zairer namens Makomé Bowole von einem Polizisten durch einen Schuss in die Schläfe getötet. Bowole war zu diesem Zeitpunkt mit Handschellen an einen Heizkörper gefesselt. Die Ausschnitte am Anfang des Filmes sind echte Videos der Krawalle, die sich in Folge ereigneten. Der Film des damals 28-jährigen Regisseurs Mathieu Kassovitz wurde durchgehend in schwarz-weiß gedreht. Er zeigt die Spirale aus Gewalt - ausgehend von beiden Seiten und sich unkontrollierbar durch Taten, Gerüchte und Worte steigernd. Der Hass beider Seiten aufeinander war und ist so unüberwindbar groß, dass es zwangsläufig zur Explosion in Form von Gewalttaten kommen musste. Der Soundtrack wird von französischen und afrikanischen Rap-Bands gestaltet, deren Musik die bedrohliche und dunkle Stimmung der Bilder noch verstärkt. Ein Nebeneffekt der Veröffentlichung war, dass durch den internationalen Erfolg des Filmes die französische Hip-Hop-Szene auch über die Landesgrenzen hinaus einen höheren Bekanntheitsgrad erlangte. Der französische Rapper Joey Starr ist in seiner ersten Filmrolle zu sehen. In einer Szene wird die berühmte Taxi-Driver-Spiegelszene adaptiert - Vinz steht mit freiem Oberkörper im Bad und liefert sich ein Rede-"Duell" mit seinem Spiegelbild. Regisseur Mathieu Kassovitz hat selbst einen kleinen Auftritt. Er verkörpert im Film einen der Skinheads.

Thematisch genau so aktuell wie 1995, völlig trostlos und deprimierend. Die Hoffnungslosigkeit und der triste Alltag von Vince, Saïd und Hubert wird von Mathieu Kassovitz  perfekt eingefangen und ist dazu wunderschön gefilmt. "La Haine" gehört zu den Filmen, die auf jede Ebene den Nagel auf den Kopf treffen und genau die Botschaft an den Mann bringen, wie es der Regisseur beabsichtigt hatte. Gerade wenn man an die Pariser Aufstände oder auch an die Geschehnisse in Ferguson zurückdenkt, kriegt man dahingehend fast Gänsehaut, wie treffsicher diese Film aus den 90ern die dystopisch wirkende Zukunft vorausgesagt hatte. Obwohl basierend auf einer realen Begebenheit, wirkt er dennoch wie eine nicht beachtete Warnung, die aufzeigt, was passieren kann, wenn man diese Orte mit seinen Bewohnern sich selbst überlässt und sie in einen Schauplatz der Hoffnungslosigkeit und als metaphorische Sackgasse enden lässt. 

Es ist jedoch nicht bloß die Geschichte an sich, welche eine durchschlagende Wirkung hinterlässt, sondern auch Entscheidungen in der Narrative und im Stil, die genau dazu beitagen. Sofort fällt natürlich auf, dass einem der komplette Film im schwarz-weißen Ton entgegen strahlt, was ein simpler Kniff ist, der aber zu keiner Zeit prätentiös wirkt und die den ganzen Film überspannende Tristesse auf den Punkt bringt. Viel eindrucksvoller ist allerdings die Entscheidung, nur einen kleinen Ausschnitt aus dem Leben der drei zu zeigen, indem man den Film bloß an einem einzigen Tag spielen lässt und er dadurch einen episodischen Charakter überstülpt bekommt. Diese intelligente Verdichtung ist hier exemplarisch, man kriegt einen guten Einblick in das Leben der drei, die sich selbst fragen müssen, was sie mit dem Tag alles anstellen sollen und es resultiert in eine elektrisierende Mischung aus einer stets unterschwelligen Spannung und einer gewissen Apathie und Lustlosigkeit. Ein großartig aufspielender Vincent Cassel und eine interessante Kameraführung tun ihr übriges, um den Film zu einem Erlebnis werden zu lassen. "La Haine" ist unangenehm authentisch und vulgär ausgefallen und nicht jeder wird ihm konfrontiert werden wollen, aber genau daraus zieht er seine Stärke. Es ist ein Film, der einen am Ende mit offenen Mund dastehen lässt. Es ist die Geschichte einer Gesellschaft, die fällt. Ein absolut zeitloses Meisterwerk des französischen Kinos.

9/10

Quellen
Inhaltsangabe:Koch Films
Textauszüge: Wikipedia

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