Nachdem der talentierte Maler Mark Hogenkamp (Steve Carell) von fünf Hooligans verprügelt wurde, liegt er tagelang im Koma. Als er wiedererwacht, muss er nicht nur das Essen, Gehen oder Schreiben wieder lernen, darüber hinaus hat er auch keinerlei Erinnerung mehr an sein Leben vor dem folgenschweren Zwischenfall. Es ist nichts mehr so, wie es einmal war. Um mit seinem Trauma umzugehen, entwickelt er schließlich eine ganz eigene Form der Therapie: Er baut in seinem Garten ein Modell eines belgischen Dorfes aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs nach, in dessen Welt er sich von nun an regelmäßig flüchtet. Darüber hinaus entwirft er auch zahlreiche Figuren, Puppen, die auf vertrauten Menschen aus Marks Leben basieren und das Dorf bewohnen. Gemeinsam mit ihnen erlebt er jede Menge wilde Abenteuer - doch je weiter er in die Welt seines Fantasiedorfs "Marwen" eintaucht, desto mehr entfernt er sich von der Realität...
Der Film erzählt die wahre Lebensgeschichte von Mark Hogancamp. Am 8. April 2000 wurde der Künstler und Illustrator vor einer Bar im US-Bundesstaat New York vermutlich aufgrund seines Cross-Dressings angegriffen und von einer Gruppe junger Männer halb zu Tode geprügelt. Als er aus dem Koma erwachte, hatte er kaum noch Erinnerungen an sein altes Leben. Er verwendete Puppen und entwickelte Hintergrundgeschichten zu diesen, um sich sein eigenes alternatives Universum zu schaffen, in dem er seine Traumata verarbeiten konnte. Eine der Figuren war ein Avatar für ihn selbst, ein US-amerikanischer Captain der US-Army, der sich im Kampf mit Nazis befindet. Die Fotos, die Hogancamp von seinen Figuren machte, wurden Gegenstand einer Ausstellungsreihe und führten 2010 zu einer Dokumentation mit dem Titel "Marwencol" (Mar für Mark, Wen für Wendy, Col für Nicol).
Da die hier zugrunde liegende, ohnehin schon fast wie ein Biopic
gefilmte Dokumentation "Marvencol" von 2010, eigentlich schon alles
Nötige mit sich bringt, um vom Menschen Mark Hogenkamp und seiner
Geschichte zu erzählen, wird der Inhalt im Spielfilm ganz einfach nur
emotional überhöht nacherzählt und mit Realfilm-Elementen und
CGI-Parts im Stile von "Small Soldiers" zu einem, teils zu offensichtlich nach Mitleid und
Bewunderung heischenden, heroischen Motion Capturing CGI-Kampf gegen
seine posttraumatische Belastungsstörung glorifiziert und dadurch teilweise schon fast banalisiert. Doch eben nur fast. Regisseur Robert Zemeckis ist bekannt dafür, große Geschichten, liebevoll verpackt, zu erzählen und so nimmt einen, wenn man die reale Hintergrundgeschichte, bzw. den daraus resultierenden Weg, mit solch einem Trauma umzugehen, kennt, auf eine pahantastische Reise voller Phantasie, Drama und Spannung.
Die Filmkritikerin Antje Wessels erklärt, Robert Zemeckis habe für "Willkommen in Marwen" eine ganz eigene Filmsprache entwickelt, um mit den Puppen-Figuren ganz anders umzugehen als mit gewöhnlichen CGI-Charakteren: "Fällt zum Beispiel eine Figur aus großer Höhe auf einen spitzen Gegenstand, bricht sie ganz unspektakulär in der Mitte durch, statt brutal aufgespießt zu werden." Auch die Art, wie der Tod einer Puppe visualisiert werde, sei ziemlich clever gelöst, so Wessels weiter, denn man wisse sofort was gemeint ist, wenn sich die Gliedmaßen plötzlich puppenhaft versteifen. Zugleich seien die Bewegungen aber viel flüssiger als bei klassischen Puppen-Stop-Motion-Filmen. Weiter merkt die Filmkritikerin an, dass das Miniaturwelt-Marwen einen gehörigen, erotisch aufgeladenen Fetisch-Anstrich mit seinen aufreizenden Soldatinnen und hochstilisierten Folterszenen aufweise und so an Naziploitation-Werke erinnere.
Vieles in "Willkommen in Marwen" ist höchst plakativ und diese Art von Film hätte gerne noch etwas ausladender mit den Figuren und ihrem Innenleben sein dürfen. Besonders die Puppen und deren echte Vorbilder, sind nur Abziehbilder der Realität und haben keine echte Tiefe. Dies ist evtl. völlig gewollt, da auch der Protagonist nur so viel Charakter in seine Puppen projeziert, wie er eben braucht um sich besser zu fühlen. Inhaltlich wird man also wenig gefodert, da einem das meisten auf dem Silbertablett serviert wird. Emotional gibt es hier durchaus eine gemässigte Achterbahn der Gefühle. Aber man hat dauernd den Eindruck dass der Film sich selber zurückhält und es nicht wagt übliche aber funktionierende Genre-Klischees zu erfüllen. Immer wieder tritt er an die Schwelle der Momente, wo auch der Zuschauer sich der Gefühlswelt nicht mehr entziehen kann, tritt dann aber voll auf das Bremspedal. Besonders im letzten Akt hat es einen meiner Meinung nach völlig unpasssenden Schnitt, zwischen Gerichtssal und Foto Ausstellung. Dies ist schade, denn "Willkommen in Marwen" hätte der perfekte Film zwischen laut loslachen und jämmerlich weinend sein können. Positiv an dieser nüchternen Herangehensweise ist, dass der Film niemals droht kitschig zu sein, obwohl er dafür viel Angriffsfläche bieten würde. Selbst etwas überzeichnete und zu einseitige Figuren wirken glaubwürdig und stimmig, was den Film dann auch am laufen hält.Vereinzelte Anspielungen kann man zwar durchaus als etwas infantil bezeichnen, aber solche Komponenten verleihen "Willkommen in Marwen" auch diesen familientauglichen Fantasy Touch, der hier aber dann doch wieder zu erwachsen erzählt wird, als dass man von einem Film für die ganze Familie sprechen könnte - die Kleinsten hätten wohl keine Ahnung um was es geht und wären abgesichts der durchaus brutalen Actionszenen mit den Puppen eher traumatisiert.
Auch im Finale schafft es der Film nicht ganz, alle nötigen Gefühle zu transportieren und auf den Zuschauer ein Feuerwerk an Reizen einprasseln zu lassen. Dafür bekommen Zemeckis Fanboys noch eine nette "Zurück in die Zukunft"-Referenz an den Kopf geworfen, die irgendwie unpassend wirkt, aber man diesem liebenswerten Werk ganz sicher verzeihen mag. Den Film kann man eigentlich nur mögen, es ist zu schwer, ihn zu hassen. "Willkommen in Marwen" ist so ungewöhlich, traurig, tragisch, lustig und schön wie das Leben selbst. Für manche kann dies aber auch langweilig wie eine Puppenstube sein, denn für den ganz grossen Wurf hätte man die Fesseln lösen und noch viel expliziter und vielschichter sein müssen, besonders bei den Nebenfiguren. Trotz alledem bietet der Film ein paar kreativ getrickste Puppeneffekte und bleibt am Ende ein empathisches Plädoyer für Nächstenliebe, Toleranz und Freundschaft, das dazu anregen kann, die Menschen ruhig auch mal hinter dem ersten Eindruck kennen lernen zu wollen. Wirklich schön.8/10
Quellen:
Inhaltsangabe: Universal Pictures
Textauszüge: Wikipedia, Wessels-Filmkritik
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