Sonntag, 15. März 2020

Scanners - Scanners: Ihre Gedanken können töten (1981)

https://www.imdb.com/title/tt0081455/

Cameron Vale (Stephen Lack) leidet seit Jahren an Stimmen in seinem Kopf, die er nicht kontrollieren kann. Durch Zufall stellt er eines Tages fest, dass er über telepathische Fähigkeiten verfügt, die er allerdings ebenfalls nicht gezielt einsetzen kann. So kommt es, dass er mittels seiner mentalen Kräfte unabsichtlich einen Anfall bei seiner Frau verursacht, die daraufhin ins Krankenhaus eingeliefert werden muss. Vale selbst wird verhaftet und unter die Obhut eines Dr. Paul Ruth (Patrick McGoohan) gestellt. Der erklärt Vale, er sei ein sogenannter "Scanner". Jemand, der über telekinetische Fähigkeiten verfügt, die man durch Übung kontrollieren kann. Doch es gibt auch Scanner, die ihre Kräfte für negative Zwecke verwenden. Wie der durchtriebene Darryl (Michael Ironside), ein überaus mächtiger, feindseliger Scanner, der aus Spaß tötet und seine Macht demonstriert. Ihn gilt es unbedingt aus dem Weg zu räumen, um ein großes Blutbad zu verhindern...

Wenn der menschliche Geist zur tödlichen Waffe wird und man selbst zur Geisel des eigenen Körpers. Mit "Scanners" setzt David Cronenberg seinen Body-Horror-Zyklus fort, den er 1975 mit "Parasiten-Mörder" startete und der fast sein gesamtes Schaffen bis zum Millennium maßgeblich prägte. Geist und Körper als Gabe und gleichzeitig Gefängnis, als schicksalhafter Fluch und Bestimmung. Vor der man nicht davon laufen kann, sondern sich damit auseinandersetzen muss, um letzten Endes so etwas wie Erlösung zu finden. Über die Vergänglichkeit und Instabilität des Fleisches und die übermenschliche Kraft der Gedanken oder eher einer paranormalen Energie, die ihnen entspringt. Vor dem Hintergrund phantastischen Science-Fiction-Horrors erzählt David Cronenberg eine Art subversiven Agenten- und Spionagethriller, der durchaus als Allegorie auf das damals aktuelle Weltgeschehen betrachtet werden darf. Die Ära des Kalten Krieges, geprägt von Paranoia und der Furcht vor der Bedrohung feindlicher Mächte. In diesem Kontext genießt das Lesen und Beherrschen von Gedanken natürlich noch einen viel höheren, brisanteren Stellenwert; die Manipulation und Instrumentalisierung von Verbündeten durch den Feind spiegelt eine gesellschaftlich-politische Urangst der frühen 80er wieder. Sie sind unter uns und wollen uns zerstören, nisten sich in unseren Gedanken und letztendlich auch noch ganz wo anders ein, was an dieser Stelle allerdings noch nicht verraten werden soll. Cronenberg verzichtet erstmals auf seinen immer stark dominanten, aufregenden und doppeldeutig-analytischen, sexualisierten Sub-Text, was im ersten Moment etwas bedauerlich ist, aber letztlich in dieser Geschichte auch nicht zwingend von Belang.

"Scanners" thematisiert nicht Weiblichkeit, Triebhaftigkeit und ungestilltes Verlangen, konzentriert sich mehr auf das Zusammenspiel von Geist und Körper, sogar die Vernetzung von Mensch und Maschine. Unterlegt mit einem dillirisch-bedrohlichen Synthesizer-Score von Howard Shore steht der Kampf mit und gegen das eigene Bewusstsein, die eigene Identität und auch die eigene Macht im Vordergrund, die schnell zur größenwahnsinnigen Allmachtfantasie mutieren kann. Vale und Revok sind gleichzeitig Freund und Feind. Zwei Begabte, zwei Individuen, die von der normalen Gesellschaft als Bedrohung eingestuft werden und unterschiedlich darauf reagieren. Eine Konfrontation im großen Stil ist unausweichlich und da berstet nicht nur schlicht der Schädel. Im Duell der beiden Alphatiere zelebriert Cronenberg den plastisch-bestechenden Body-Horror als destruktives, zersetzendes Effekt-Spektakel, an dessen Ende die nächste Stufe steht. Die Zerstörung des Körpers, der einschränkenden, gefangennehmenden Hülle zur Befreiung und Wiedergeburt des Geistes. Seelen-Piraterie, völlig losgelöst von allem Materiellen. Bevor das neue Fleisch bejubelt wurde, musste das alte erst zu Grunde gehen. Selbstzerstörung zur Selbsterhaltung. Ein echter Cronenberg halt. Extrem körperliches Kopf-Kino mit Leib und Seele.

Oftmals eher weniger wertgeschätzt als andere Werke des kanadischen Genre-Meisters wird "Scanners" damit Unrecht getan. Sicher erreicht er nicht die Brillanz die die meisten seiner Folgearbeiten auszeichnen sollte, verglichen mit seinen vorherigen Arbeiten fällt dieser Film aber keinesfalls negativ ab. Der sexuelle Kontext geht im klar ab, was er aber für seinen Inhalt auch nicht benötigt. Denn auch so ist das schlaues, hintergründiges und prägnantes, individuelles Genre-Kino. Exzellent inszeniert, geprägt von einem fatalistischen Grundton und mit bohrendem Nachhall versehen. Mit weit mehr Blick über den Tellerrand von platzenden Köpfen, als ihm allgemein wohl zugestanden wird.

7/10

Von WICKED VISION erschien der Film im limitierten Mediabook, welches die ungeschnittene Trilogie auf BD beinhaltet und dazu mit jeder Menge informativen Bonusmaterial ausgestattet ist.

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