Dienstag, 10. März 2020

Il Primo Re - Romulus & Remus: The First King (2019)

https://www.imdb.com/title/tt7278824/

Als ein plötzlicher Tsunami über die als Hirten tätigen Romolus (Alessio Lapice) und Remus (Alessandro Borghi) hereinbricht, kommen die Brüder zwar mit dem Leben davon, geraten allerdings in Gefangenschaft. Für ihre neuen Herren sollen sie in Kämpfen auf Leben und Tod antreten, aber mit einem Trick können sie sich und eine Reihe weiterer Sklaven befreien. Gemeinsam flieht der zusammengewürfelte Trupp durch den Wald, ihre Verfolger sind ihnen dabei immer dicht auf den Fersen. Remus avanciert dabei immer mehr zum Anführer, während Remus aufgrund einer schweren Verletzung mit dem Tod ringt. Allerdings sagt eine religiöse Vorherbestimmung, dass schon bald einer der Brüder den anderen töten wird, um Gewaltiges zu erreichen …

Die Sage von Romulus und Remus stellt einen historischen Klassiker dar. Der Legende nach werden beide Brüder am Tiber ausgesetzt und dort durch Zufall von einer Wölfin gefunden. Diese brachte beide in ihre Höhle und umsorgte sie dort. Hirten sahen dieses ungewöhnliche Spektakel, nahmen die Knaben auf und ließen sie unter ihrer Obhut aufwachsen. Am Ende einer Odyssee aus Familienzwist und Ränkespielen wurde beiden erlaubt, an der Stelle, an welcher sie als Knaben ausgesetzt wurden, eine neue Stadt zu gründen. Mittels Orakel wurde Romulus zum Namensgeber und Herrscher der Stadt ernannt. Als er jedoch Mauer und Graben anlegen ließ, übersprang sein Bruder Remus die notdürftigen Mauern und verspottete Romulus dadurch. Romulus wurde außer sich vor Zorn und erschlug seinen Bruder mit den Worten: "So möge es jedem ergehen, der über meine Mauern springt!"

Regisseur und Drehbuchautor Matteo Rovere unterzieht die Sage einer radikalen Entschlackung und zeichnet ein brutales Schlachtengemälde. Hier gibt es keine gnadenvoll eingreifenden Götter und auch keine verklärte Romantik. Roveres Geschichtsstunde präsentiert sich dreckig und blutig - abgelegt als pulpiges Barbaren-Historiendrama. Halbnackte Männer sprechen archaisches Latein und bekämpfen sich in einer archaischen Welt brutal im Dreck und Schlamm, die FSK18-Beschränkung ist dabei mehr als gerechtfertigt. So werden Romulus und Remus nicht von einer Wölfin aus ihrer misslichen Lage befreit, sondern allein durch körperliche Gewalt: Als Sklaven in Alba Longa müssen sie sich in gnadenlosen Kämpfen beweisen. Lange vor Spartacus proben die Brüder erfolgreich den Sklavenaufstand, bei dem allerdings Remulus schwer verwundet wird. Mit der Vesta-Priesterin Satnei als Geisel befindet sich die Gruppe von nun an auf der Flucht vor den rachedürstenden Soldaten aus Alba Longa.

Ihr Weg führt sie dabei durch vermeintlich verfluchte Wälder und morastige Felder. Das Setting trägt viel zur düsteren und gefahrvollen Atmosphäre bei. Auch wenn Götter und sonstige Mysterien keinen grafischen Einzug halten, so schwebt deren Allmacht, gleich einem Damoklesschwert, dennoch über allen Dialogen und Handlungen der Protagonisten. Unterstrichen wird diese mythische Atmosphäre von der famosen Optik: Dichter Nebel wallt über den Boden und verschluckt das Sonnenlicht, welches in surrealer Weise durch die Baumkronen schimmert. Hinzu kommen die brachialen Auseinandersetzungen, die zwar nie in riesige Schlachten ausarten, sich aber gerade deswegen durch ihre Unmittelbarkeit und individuelle Gefahr auszeichnen. Rovere lässt auch keinen Zweifel an der Endgültigkeit dieser archaischen Zusammenstöße von Klinge oder Beil mit Haut und Knochen aufkommen. Die Kämpfe sind naturalistisch und zeichnen sich durch wuchtige Direktheit aus. Deren Brutalität findet sich erfreulicherweise auch in der Anwendung praktischer Effekte wieder.

Historische Filme nach ihrer historischen Akkuratesse zu beurteilen, ist natürlich schwierig bis nahezu unmöglich. Rovere gibt sich allerdings große Mühe, seinem Film einen authentischen Anstrich zu verleihen. Kleidung, Bauten und Landschaften wirken angemessen, zumal es wenige Filme gibt, die in dieser Zeitepoche spielen. Zusätzlich wird in Muttersprache kommuniziert, zumindest in der originalen Tonspur. Viel gesprochen wird zwar nicht, ein nettes Detail ist diese Art der Vertonung dennoch. "Romulus & Remus: The First King" ist also kein wortgewandtes Drama, sondern überzeugt eher mit seiner greifbaren Struktur. Wer das Prinzip der zu Grunde liegenden Erzählung kennt, den wird der Ausgang des Filmes also weniger überraschen. Dahingehend erinnert "The First King" stark an "Conan, der Barbar", "Apocalypto" und "Walhalla Rising", die beiden letztgenannten Filme dienten sogar als tatsächliche Inspirationsquellen, leider erreicht Roveres Werk nie deren inszenatorische und audiovisuelle Stärke, Größe und Wucht. Schauspielerisch kann er dafür aber überzeugen. Als spannend gestaltet sich insbesondere der Aspekt, den Zuschauer in seiner Sympathie für Romulus und Remus schwanken zu lassen.

Remus, im Original Remo, durchläuft dabei den größten Wandel: Vom aufopferungsvollen Verteidiger seines geschwächten Bruders über den gnadenlosen Eroberungskrieger hin zum völlig wahnsinnigen Despoten erinnert er dabei fast schon an Colonel Kurtz aus "Apocalypse Now". Das sumpfige, undurchdringliche und feindselige Land verstärkt diese Atmosphäre nur. Romolo, wie Romulus im originalen Wortlaut heißt, liegt über lange Zeit hilf- und beinahe leblos auf einer Bahre. Erst gegen Ende des Films entsteigt er seinem Totenbett und füllt die Rolle des vernunftbegabten Gegenpols zu seinem zusehends größenwahnsinnigeren Bruder. Freunde des brachialen Geschichtsunterrichts, die endlich wieder Schwert und Schild schultern wollen, kommen hier auf ihre Kosten. Wenngleich "Romulus & Remus: The First King" kein monumentales Epos im Stile eines "Gladiator", "Troja" oder "Alexander" wird und auch gar nicht mit den alten Sandalenfilmen wie "Lawrence von Arabien" oder "Ben Hur" verglichen werden kann, weiß er durch seine kleine und feine Ausstattung zu überzeugen. Die Reduktion der sagenumwobenen Geschichte von der Gründung Roms lässt die Historie plastischer und nachvollziehbarer auferstehen.

7/10

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