http://www.imdb.com/title/tt0309987/
Paris 1968: In einer Zeit der sexuellen Experimentierfreude treffen sich
der Amerikaner Matthew und das französische Geschwisterpaar Isabelle
und Theo auf einer Protestveranstaltung gegen die Entlassung des Leiters
der Cinematique, Henri Langlois. Sie teilen nicht nur die Liebe zum
Film, sondern auch die Begierde nach sexueller Befreiung. Und da die
Eltern für eine Woche verreist sind, laden die Zwillinge den neuen
Freund zu einer gemeinsamen Zeit in ihr Zuhause ein. Was als harmloses
Filmquiz in der elterlichen Wohnung beginnt, entwickelt sich zu einem
gefährlichen Spiel um Lust und Leidenschaft. Es gibt kein Tabu und kein
Pardon in dieser "Menage a trois", die Träumer überschreiten die Grenzen
bürgerlicher Moral, stellen in ihrer hermetisch abgeschlossenen Welt
eigene Regeln auf. Ohne sich darum zu kümmern, was draussen passiert,
lieben und quälen sie sich, entdecken die Freiheit der Sexualität,
entblößen nicht nur ihre Körper, sondern auch ihre Seelen. Doch dann
werden sie plötzlich in die Wirklichkeit zurück geholt...
Regisseur Bernardo Bertoluccis "Die Träumer" ist eine wundervolle
Reminiszenz an das epische Universum Film im Allgemeinen, sowie an
seine persönlichen Titanen im Besonderen. Berühmte
Leinwandgrößen, von Stars wie Greta Garbo und
heimlichen Stars wie Wallace Ford bis zu genialen Regiegrößen
wie Chaplin, Keaton, Truffaut und natürlich dem großen Godard, werden
über Schnittechnik eingespielt oder vielsagend nachgeahmt und mit derart
großer Freude zitiert das man sich über den ganzen Film hinweg in einem
einzigen großen Traum eines begeisterten Cineasten wähnt. Gleichzeitig
jedoch erscheint Bertolucci als Schullehrer mit mahnendem Finger,
erinnert doch sein Werk endlich mal wieder an die machterschütternde
Kraft die von Filmkunst, Musik und
Schriftstellerei ausgehen kann und auch sollte.
Die Ménage à trois namens "Die Träumer" entführt den Zuschauer in das 68er Paris, eine Zeit des
Umbruchs, und in die Psyche des verschüchterten Matthew, der sich von
dem etwas ominös anmutendem Geschwister-Gespann Isabelle und Theo von
den äußeren Geschehnissen in eine Altbau-Wohnung fortbringen lässt, wo
sie ihren Leidenschaften zum Film und ebenso ihren Lüsten frönen, ihre
gemeinsame Zeit in Rausch und Sinnlichkeit verbringend. Die Grenzen
zwischen Scham, Begierde, Moralität, Manipulation, Freundschaft und
Genuss verschwimmen dabei mehr und mehr. Wie die Protagonisten auch,
verliert sich der Zuschauer in der selbst geschaffenen Welt der Träumer, einem Strudel der Emotionen, ein Ort der Zügellosigkeit, ein
Ort der Liebe und der Eifersucht - ein Ort ohne Regeln.
Was Bertolucci in den auf das erste Treffen folgenden 90 Minuten
präsentiert ist ein einfühlsamer Bild u. Ton- Reigen in dem sich, teils
in sexuellem "Tabubruch" und teils in Gesprächen, politischer,
emotionaler und philosophischer Natur, ein Kampf zwischen
Realitätsverweigerung/flucht und Revolution im inneren der Protagonisten
wie im Außen der Gesellschaft vollzieht. Bertolucci macht den damaligen Zeitgeist beinahe greifbar. Das Darsteller-Trio ist
phänomenal - ihre Handlungen, so unverständlich sie auf der einen Seite
auch sein mögen, sind andererseits so in Szene gesetzt, dass sie niemals
abartig oder gar pervers wirken.
Michael Pitt, Eva Green und Louis Garrel gehen mit ihrem Spiel an
die äußersten Grenzen, beweisen in so mancher Szene großen Mut und viel
Gefühl. Ein interessanter, tiefgründiger, zitatreicher Film und aufgrund
der gewagten Erotik, dem komplexen Chaos der Gefühle auch zart und
zerbrechlich - und dadurch sehr angreifbar.
8/10
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