Montag, 18. Dezember 2017

The Dreamers - Die Träumer (2003)

http://www.imdb.com/title/tt0309987/

Paris 1968: In einer Zeit der sexuellen Experimentierfreude treffen sich der Amerikaner Matthew und das französische Geschwisterpaar Isabelle und Theo auf einer Protestveranstaltung gegen die Entlassung des Leiters der Cinematique, Henri Langlois. Sie teilen nicht nur die Liebe zum Film, sondern auch die Begierde nach sexueller Befreiung. Und da die Eltern für eine Woche verreist sind, laden die Zwillinge den neuen Freund zu einer gemeinsamen Zeit in ihr Zuhause ein. Was als harmloses Filmquiz in der elterlichen Wohnung beginnt, entwickelt sich zu einem gefährlichen Spiel um Lust und Leidenschaft. Es gibt kein Tabu und kein Pardon in dieser "Menage a trois", die Träumer überschreiten die Grenzen bürgerlicher Moral, stellen in ihrer hermetisch abgeschlossenen Welt eigene Regeln auf. Ohne sich darum zu kümmern, was draussen passiert, lieben und quälen sie sich, entdecken die Freiheit der Sexualität, entblößen nicht nur ihre Körper, sondern auch ihre Seelen. Doch dann werden sie plötzlich in die Wirklichkeit zurück geholt...

Regisseur Bernardo Bertoluccis "Die Träumer" ist eine wundervolle Reminiszenz an das epische Universum Film im Allgemeinen, sowie an seine persönlichen Titanen im Besonderen. Berühmte Leinwandgrößen, von Stars wie Greta Garbo und heimlichen Stars wie Wallace Ford bis zu genialen Regiegrößen wie Chaplin, Keaton, Truffaut und natürlich dem großen Godard, werden über Schnittechnik eingespielt oder vielsagend nachgeahmt und mit derart großer Freude zitiert das man sich über den ganzen Film hinweg in einem einzigen großen Traum eines begeisterten Cineasten wähnt. Gleichzeitig jedoch erscheint Bertolucci als Schullehrer mit mahnendem Finger, erinnert doch sein Werk endlich mal wieder an die machterschütternde Kraft die von Filmkunst, Musik und Schriftstellerei ausgehen kann und auch sollte.

Die Ménage à trois namens "Die Träumer" entführt den Zuschauer in das 68er Paris, eine Zeit des Umbruchs, und in die Psyche des verschüchterten Matthew, der sich von dem etwas ominös anmutendem Geschwister-Gespann Isabelle und Theo von den äußeren Geschehnissen in eine Altbau-Wohnung fortbringen lässt, wo sie ihren Leidenschaften zum Film und ebenso ihren Lüsten frönen, ihre gemeinsame Zeit in Rausch und Sinnlichkeit verbringend. Die Grenzen zwischen Scham, Begierde, Moralität, Manipulation, Freundschaft und Genuss verschwimmen dabei mehr und mehr. Wie die Protagonisten auch, verliert sich der Zuschauer in der selbst geschaffenen Welt der Träumer, einem Strudel der Emotionen, ein Ort der Zügellosigkeit, ein Ort der Liebe und der Eifersucht - ein Ort ohne Regeln.

Was Bertolucci in den auf das erste Treffen folgenden 90 Minuten präsentiert ist ein einfühlsamer Bild u. Ton- Reigen in dem sich, teils in sexuellem "Tabubruch" und teils in Gesprächen, politischer, emotionaler und philosophischer Natur, ein Kampf zwischen Realitätsverweigerung/flucht und Revolution im inneren der Protagonisten wie im Außen der Gesellschaft vollzieht. Bertolucci macht den damaligen Zeitgeist beinahe greifbar. Das Darsteller-Trio ist phänomenal - ihre Handlungen, so unverständlich sie auf der einen Seite auch sein mögen, sind andererseits so in Szene gesetzt, dass sie niemals abartig oder gar pervers wirken. Michael Pitt, Eva Green und Louis Garrel gehen mit ihrem Spiel an die äußersten Grenzen, beweisen in so mancher Szene großen Mut und viel Gefühl. Ein interessanter, tiefgründiger, zitatreicher Film und aufgrund der gewagten Erotik, dem komplexen Chaos der Gefühle auch zart und zerbrechlich - und dadurch sehr angreifbar.

8/10

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