http://www.imdb.com/title/tt3741834/
Mit fünf Jahren wird der kleine indische Junge Saroo (Sunny Pawar) von
seiner Familie getrennt, woraufhin er sich schließlich tausende Meilen
von Zuhause entfernt und verwahrlost in Kalkutta wiederfindet. Nach
dieser beschwerlichen Odyssee nehmen ihn Sue (Nicole Kidman) und John
Brierley (David Wenham) auf, ein wohlhabendes australisches Ehepaar, das
ihn in ihrer Heimat wie seinen eigenen Sohn aufzieht. Doch seine
Wurzeln hat Saroo nie vergessen und so macht er sich als junger Mann
(nun: Dev Patel) mit Hilfe seiner trüben Erinnerungen und Google Earth
auf die Suche nach seiner wahren Mutter. Während seiner Reise in die
eigene Vergangenheit hofft er endlich auf jenes Dorf zu treffen, das
sich mit seinen Erinnerungen ans Vergangene deckt...
"Lion" ist die unglaubliche, aber wahre Geschichte um den indischen
Jungen Saroo Brierley, der im Alter von fünf Jahren verloren ging und 25 Jahre später wieder
zurück nach Hause findet. Regisseur Garth Davis Debütfilm schöpft dabei komplett aus dem Vollen. So eine
wahre herzzerreißende Geschichte mit einem verzweifelten Jungen punktet
ja immer, man muss schon fast Angst davor haben, emotional manipuliert
zu werden. "Lion" nimmt sich seine Zeit. Das erste Drittel zeigt nur
den jungen Saroo, wie er sein ärmliches Leben als kleiner Junge in
Indien lebt. Erst relativ spät kommt der Film in der nahen Gegenwart an,
wo Saroo als Erwachsener gezeigt wird. Und dann dauert es erneut einige
Zeit bis ihm klar wird, dass er seine leibliche Familie wiedersehen
muss. Dies alles wird sehr ruhig, mit sehr hochwertigen Bildern
eindrucksvoll und
eindringlich geschildert.
Dev Patel, der den Saroo der Gegenwart spielt, macht dabei einen sehr guten Job, auch David Wenham und Nicole Kidman, die endlich mal wieder eine Rolle spielt, in der sich sich nicht nur auf einen Gesichtsausdruck verlassen kann, sind glaubwürdig und hervorragend, aber ausgestochen werden sie alle, ohne Ausnahme, von dem jungen Sunny Pawar, der den Saroo im Alter von fünf Jahren spielt. Man kann ihn und seinen Charakter innerhalb von Sekunden ins Herz schließen und bereits nach 10 Minuten Film klammert man sich an Taschentücher und versucht mit Mühe, die Tränen zu unterdrücken, sofern dies einem überhaupt gelingt. Ja, "Lion" ist dramatisch und berührend. Mehr als das, er ist geradezu Herzzerreißend, wenn man mit dem kleinen Saroo mitgerissen wird und sein Leben verfolgt. Dabei gibt es immer wieder total dramatische Elemente, die durch glückliche Fügung oder Cleverness des Kleinen aufgelockert werden.
Eine Stärke des Films ist auch der Stimmungswechsel in die Gegenwart,
wo Saroo nun ein schönes Leben in
Australien leben darf. Dieser Kontrast lässt Indien und Australien fast
wie zwei verschiedene Welten wirken. Aber obwohl von außen gesehen alles
super läuft, er dank seiner priveligierten Eltern alle Chancen der Welt
erhält, ist nicht alles so heile Welt wie es auf den ersten Blick
wirkt. Diese Familiendramatik packt den Zuschauer, Saroo's
Zerrissenheit wird sehr gut übersetzt, aber auch wie sich die Familie fühlt
und wie ihn der durch eine Erinnerung erweckte Gedanken seine echte
Familie wiederzusehen aus dem Konzept bringt ist nachvollziehbar. Leider schleichen sich in diesen Part gewisse Längen ein, die man so hätte etwas besser hätte ausarbeiten können.
Davis brüllt sein "Lion" jedoch insgesamt so
zurückhaltend, fast schon sparsam, dass sich ein wunderbar sanfter
filmischer Sog entfalten kann. Natürlich ist die erste Hälfte des Films
alles andere als 'Feel-Good-Kino', aber Davis deutet vieles nur an und
überlässt es uns Zuschauern, die Bilder in Schwarz oder Bunt auszumalen.
Die zweite Hälfte ist damit eigentlich ein komplett anderer Film. Was "Lion" allerdings zu einem Ganzen verbindet, ist
genau das, was man an Dramen so lieben kann: emotional herausfordernd, ganz
wunderbar gefilmt und mit einem schönen Score unterlegt,
schauspielerisch herausragend und am Ende Herzen sprengend. "Lion" reisst von Anfang an mit und entlässt mit einer bitter-süßen, klaffenden Wunde in den Familienalltag.
9/10
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