https://www.imdb.com/de/title/tt17526714/Elisabeth Sparkle (Demi Moore) ist eine Schauspielerin, die ihre besten Jahre bereits hinter sich hat. Nachdem sie von dem sexistischen Studioboss Harvey (Dennis Quaid) schließlich gefeuert wird, sie deshalb kein regelmäßiges Einkommen mehr hat und aufgrund ihres Alters nun auch keine anderen Rollen mehr bekommt, gerät sie in eine gefährliche Abwärtsspirale der Verzweiflung - bis zu jenem schicksalhaften Autounfall, der sie zu einer mysteriösen Firma führt, die ihr eine rätselhafte Substanz anbietet, die angeblich dafür sorgt, dass man sich vorübergehend in eine bessere Version seiner selbst verwandelt. Wird Elisabeth der Versuchung nachgeben? Die Regeln sind simpel und nicht verhandelbar. Nimmt sie die Spritze mit dem Wundermittel an, muss sie exakt eine Woche in ihrem "besseren" Körper verbringen, gefolgt von einer Woche in ihrem eigentlichen Körper usw. usf.. Wird dieser Rhythmus gebrochen, drohen schlimme Konsequenzen...
"The Substance", Coralie Fargeats blutrünstige Fabel über Bodyshaming, Ageshaming, Ruhm, Selbsthass und den Schrecken einer Identität, die auf den Blicken anderer beruht, ist ein grandioser Film. Punkt. Und das, obwohl man von der 141-minütigen Laufzeit anfänglich abgeschreckt sein könnte. Zu viele Filme blähten in letzter Zeit eine Kurzgeschichte auf epische Ausmaße auf. Doch eines ist ganz sicher: vermutlich noch nie in der Geschichte des Films vergingen 141 Minuten so schnell wie hier und holten den Zuschauer so schnell ab. Elisabeth Sparkle (Demi Moore), der alternde Star im Zentrum der Erzählung, könnte genauso gut tot sein, als die Geschichte beginnt. Eine Karriere vor der Kamera - zunächst als gefeierte Schauspielerin, dann als prominente Fitnesstrainerin in der Sendung "Sparkle Your Life with Elisabeth" - endet abrupt, als der Manager (Dennis Quaid) entscheidet, sie sei zu alt, um die Show weiter zu führen. Dieser Manager ist laut und widerlich und heißt Harvey, was ein wenig über die Subtilität dieses Films verrät: Er hat keine und will auch keine. Er übertreibt, wie der Großteil des Films, absichtlich maßlos. "Ab 50 hört es auf", erklärt er ihr mit einem Mund voll fettiger Garnelen, um zu erklären, warum sie nicht mehr attraktiv ist. Doch dann stammelt er, als sie fragt, was "es" sei - dem Zuschauer ist es längst klar. Dieser Tiefschlag kommt recht früh - sowohl für den Zuschauer, als auch für Elisabeth - und damit ist dieser Tag noch lange nicht dabei, denn schon geht es weiter mit einem brachialen Autounfall, der Elisabeth in ein Krankenhaus bringt, wo ihr ein Assistenzarzt einen Zettel zusteckt "Es hat mein Leben verändert" ist darauf zu lesen.
In Elisabeths Welt gibt es überall Spiegel: echte Spiegel und polierte Türklinken, aber auch Fotos von ihr in den Fluren ihres Ateliers und ein riesiges Porträt in ihrem Haus, sodass ihr jüngerer Körper und ihr Gesicht sie immer wieder anblicken. Wohin sie auch blickt, da ist sie - oder war sie - geschmeidig, durchtrainiert, mit einem verführerischem Lächeln. Elisabeth ist nach Einschätzung jedes vernünftigen Menschen immer noch wunderschön (und Moore ist Anfang 60), aber ständig von einer Version ihrer selbst mit etwas mehr Kollagen umgeben, bringt sie langsam um den Verstand. Eigentlich nachvollziehbar. Und es scheint, als hätte Regisseurin Coraline Fargeat erkannt, dass das menschliche Gehirn nicht dafür entwickelt ist, die Last dieser Art von Selbstbewusstsein zu tragen. Und medizinische Eingriffe zur Veränderung des Aussehens - Medikamente, Eingriffe, eine Spritze hiervon, ein Laser davon - sind zugänglicher denn je. Wenn wir in diese Spiegel starren, wissen wir, wir könnten einfach etwas Geld ausgeben und aufhören, überhaupt darüber nachzudenken. Wir sind besser denn je in der Lage, eine ideale Version von uns selbst zu erschaffen, nämlich die, von der viele Menschen glauben, dass andere sie sehen wollen.
Dieser Zustand versetzt auch Elisabeth in Angst und Schrecken. Sie fühlt, als entgleitet ihr ihre Existenz, als ein paar Dutzend Rosen und eine oberflächliche Dankeskarte für ihre Jahre im Studio in ihrer Wohnung eintreffen. ("Du warst unglaublich!", steht auf der Karte - mit deutlicher Betonung auf "warst".) Doch da ist ja dieser zugesteckte Zettel, der zu einer völlig nebulösen Organisation führt, die Elisabeth schon bald eine Schachtel voller Spritzen und Flüssigkeiten zukommen lässt. Nach der Verabreichung verspricht "The Substance", dass "eine bessere Version von dir selbst" zum Vorschein kommt. Und wie sich herausstellt, ist das sehr wörtlich zu nehmen. Allein in ihrem geräumigen, gefliesten und sehr sterilen Badezimmer bringt Elisabeth (durch ihren Rücken) ein glamouröses, attraktives jüngeres Ich (Margaret Qualley) zur Welt, das sich Sue nennt und für Elisabeths früheren Sendeplatz im Fernsehen vorspricht. Natürlich bekommt sie ihn, denn Harvey kann sich kaum zurückhalten, als er ihren glänzenden rosa Turnanzug, ihr Lächeln und ihren perfekt runden Hintern sieht. Die verbesserte neue Show heißt "Pump It Up With Sue" und ist ein überwältigender Erfolg.
Für Elisabeth ist das ein gewisser Triumph. Doch bald nehmen die Dinge eine unerwartete Wendung. Elisabeth und Sue "sind eins", wie die Beipackzettel von "The Substance" einen auch durch stroboskopartige Texttafeln immer wieder daran erinnern. Sie müssen alle sieben Tage die Körper tauschen, aber Sue zu sein, bringt Elisabeth Bewunderung ein. Also verbringt sie längere Zeit als Sue, und Elisabeth beginnt zu verkümmern.

"The Substance" ist unheimlich direkt und überhaupt nicht subtil. Und das ist gut so. Es ist ein sehr ekliger, blutiger und oft bombastischer Film. Zwar ist die Logik nicht immer ganz schlüssig, insbesondere wenn es darum geht, ob und wie Sue und Elisabeth sich ein Bewusstsein teilen. Es ist jedoch alles Metapher und nicht im Geringsten für eine wörtliche Analyse gedacht. Und am Ende sind wird das alles geradezu monströs und richtig irre - etwas zu irre vielleicht. Fargeat und ihr Kameramann Benjamin Kracun verleihen "The Substance" eine bewusst übertriebene Ästhetik, die außerhalb von Raum und Zeit zu existieren scheint. Die Welt, in der Elisabeth Sparkle lebt, wirkt wie eine Halluzination von Los Angeles - eine Welt mit brutalistischer Architektur und fast menschenleeren Straßen. Es gibt offenbar nur ein einziges Showbusiness-Studio, dessen Interieur aus den 1980er-Jahren stammt, während Elisabeths Wohnung eindeutig im 1990er-Jahre-Stil eingerichtet ist. Der springende Punkt des Films ist auch nicht schwer zu erraten, insbesondere mit Moore in der Hauptrolle, einer Ikone jener Zeit, die in Filmen oft als Sexbombe besetzt wurde. Hier gibt es eine Szene, in der sich Elisabeth auf ein Date vorbereitet - und sich so lange umstylt, bis sie letztlich doch verzweifelt zu Hause bleibt - eine absolut starke Sequenz.
Doch "The Substance" interessiert sich auch - vielleicht mehr als alles andere - für das, was oft als "männlicher Blick" bezeichnet wird, obwohl dieser Begriff heute reduktionistisch wirkt. Die Kamera gafft hier unverhohlen Moores und Qualleys Körper an, gleitet langsam an ihrem Bild auf und ab, gekleidet und beleuchtet in einer scharfen, glänzenden Art und Weise, die vor allem an Pornos erinnert. Es geht endlos weiter, und es ist unangenehm, und genau darum geht es. Man hat unzählige Schauspielerinnen - und in letzter Zeit auch Schauspieler - gesehen, die so gedreht wurden. Doch die Steigerung und Übertreibung macht den Film satirisch, um den Zuschauer daran zu erinnern, was Filme mit unserer Wahrnehmung von Körpern gemacht haben. Man stellt sich die Frage, ob ein männlicher Regisseur dies mit genau solche einer Ästhetik hinbekommen hätte und die Antwort dürfte eher zum "Nein"-Bereich tendieren. "The Substance" erinnert nicht nur an die absurden Maßstäbe weiblicher Schönheit und die zerstörerische Macht des Berühmtseins, sondern richtet die schärfste Kritik gegen die Art und Weise, wie wir uns antrainiert haben, Schönheit zu betrachten, und die Wirkung, die das auf uns selbst hat. Der Film ist, passenderweise, ein Spiegel, und das Unbehagen offenbart unsere eigenen verborgenen Vorurteile und Ängste über uns selbst. Älter sein, berühmt sein, gesehen werden, geliebt werden, von jemandem Jüngeren und Attraktiveren verdrängt werden - all das steckt hier drin. Nichts erinnert einen besser daran, was darunter lauert, als ein Spiegel.
9/10
Quellen:
Inhaltsangabe: MUBI
Poster/Artwork: Working Title Films/Blacksmith/A Good Story