Dienstag, 20. Mai 2025

[KINO] Final Destination: Bloodlines - Final Destination 6: Bloodlines (2025)

https://www.imdb.com/de/title/tt9619824/

College-Studentin Stefanie (Kaitlyn Santa Juana) wird von wiederkehrenden Albträumen geplagt, in denen sie nicht nur ihre eigene Familie sterben sieht, sondern auch sich selbst. Doch ein Detail stimmt dabei nicht: die Zeit. Denn diese sich in Stefanies Kopf wiederholenden Bilder scheinen aus einem längst vergangenen Jahrzehnt zu stammen. Doch mit der Zeit scheint sie auf ein Muster zu kommen und erkennt, dass der für sie so qualvolle Traum eine 50 Jahre alte Vision ihrer Oma ist. Die konnte damals nämlich zahlreichen Menschen vor dem Tod bewahren, weil sie einfach geahnt hat, dass etwas schlimmes passieren wird. Wie sich nun jedoch zeigt, ist die Gefahr doch noch nicht gebannt. Also kehrt Stefanie in der Hoffnung in ihre Heimat zurück, die eine Person ausfindig zu machen, die den Kreislauf durchbrechen und ihre Familie vor dem sicheren Tod bewahren kann...

Das "Final Destination"-Franchise, in dem der Sensenmann immer cartoonhaftere und komischere Wege findet, sich an denen zu rächen, die glauben, dem Tod entgangen zu sein, ist seit über einem Jahrzehnt auf Eis gelegt. Vielleicht ist das bezeichnend. Doch die Regisseure Zach Lipovsky und Adam B. Stein, die mit dem einfallsreichen Low-Budget-Science-Fiction-Spektakel "Freaks" für Furore sorgten, verleihen dem Film Klasse, ohne sich dabei allzu ernst zu nehmen. 

Ihr sechstes Kapitel bedient sich der bewusst albernen Prämisse und dem grausigen Nervenkitzel, den man von einer 25 Jahre alten Serie erwarten, in der verfluchte Charaktere durch Solarien, Augenoperationen und Holztransporter ihr Ende finden. In "Final Destination" macht der Tod mit seiner Vorliebe für komplizierte Methoden im Stil von Rube Goldberg selbst die banalsten und leblosesten Objekte zu einer Bedrohung, die wir nie wieder mit denselben Augen betrachten werden. Doch wo "Final Destination: Bloodlines" brilliert, ist die clevere und oft teuflische Erzählkunst und die visuelle Umsetzung. Die Dekadenz des Films steht nicht im Widerspruch zum kitschigen Charakter von "Final Destination", sondern entfaltet dessen volles Potenzial.

Nirgendwo wird das deutlicher als in der atemberaubenden Eröffnungsszene, die mit einer Nahaufnahme einer jungen Frau (Brec Bassinger) mit verbundenen Augen beginnt - ein witziges Detail, denn sie ist diejenige, die in die Zukunft sehen wird. Ihr Name ist zufällig auch Iris. Es sind die 60er. Iris wird von ihrem Freund zu einem Überraschungsabend chauffiert. Sie besuchen die Eröffnung eines schicken neuen Restaurants auf einer Aussichtsplattform, wo die magische Aussicht mit gehobenem Essen und Tanz gepaart wird; eine Hausband steigert die ausgelassene Stimmung mit "Shout" der Isley Brothers. Jeder, der die Formel von "Final Destination" kennt, weiß, dass wir Iris’ Vorahnung erleben und dass es für die Feiernden, die sich auf der Tanzfläche mit Glasboden drehen und schreien, nicht gut ausgehen wird. Die Sequenz ist so angelegt, dass sie uns auf Trab hält und uns neugierig auf das macht, was kommt. Doch die Spannung wird auf wundervolle, entspannte Weise gehalten, liebevoll in Szenerie und Chemie zwischen den Figuren vertieft, während die rasante Romantik des Abends die Zuschauer fesselt.

Die vereitelte Katastrophe bereitet nicht nur Iris' Schicksal vor, sondern rückwirkend auch das gesamte "Final Destination"-Franchise. "Final Destination: Bloodlines" führt im Prolog eine Ursprungsgeschichte ein, die spielerisch mit der Mythologie der Serie spielt. Generationen später, in der Gegenwart, wird Iris' Enkelin Stefani (eine perfekt ausgelaugte Kaitlyn Santa Juana) von derselben Vorahnung auf der Aussichtsplattform heimgesucht. Sie gräbt vergrabene Familiengeheimnisse aus, um herauszufinden, was das alles bedeutet. Währenddessen häufen sich die Geheimnisse an den Familiengräbern. Diesmal verfolgt der Tod nicht nur diejenigen, die die auslösenden Ereignisse überlebt haben, sondern auch diejenigen, die deren Fluch geerbt haben. Und weil die Besetzung so charmant sein kann, insbesondere Richard Harmon als bissiger, aber sentimentaler Cousin, drücken wir einigen von ihnen vielleicht sogar die Daumen, dass sie überleben - eine Seltenheit in einem Franchise, in dem wir uns ein Ticket gekauft haben, um alle auf spektakuläre Weise sterben zu sehen. 

Die unterhaltsamsten Morde, die diesmal alles von Gartengeräten bis zu einem MRT beinhalten, haben ein Buster-Keaton-artiges Flair für physische Komik. Diese Sequenzen, wie auch die Handlung als Ganzes, enthalten oft kleine Anspielungen auf die Vergangenheit: Busse, Grills, Deckenventilatoren und Holzscheite haben Cameo-Auftritte - spannende kleine Erinnerungen an das Chaos, das sie in Final Destination anrichten können. Klar, es ist Fanservice, wie ihn so viele feige Reboots bieten. Aber in "Final Destination: Bloodlines" fühlt er sich verdienter an, weil sie oft auf etwas Neues und in einem Fall sogar Bewegendes hinarbeiten.

Die sentimentalste - und vielbeachtete - Hommage an die Vergangenheit des Franchise ist die Rückkehr des verstorbenen Tony Todd als William Bludworth. Der legendäre "Candyman"-Darsteller ist regelmäßig in „Final Destination“ zu sehen und spielt den schelmischen Bestatter, der den potenziellen Todesopfern oft die eine oder andere rätselhafte Wahrheit vor die Füße wirft. Todd, der im Herbst starb, tritt ein letztes Mal als Bludworth auf und hält einen improvisierten Monolog. Zum Abschied regen seine Worte an, die wenige Zeit, die uns noch bleibt, optimal zu nutzen. Die Charaktere, die in dieser Szene zuhören und versuchen, dem Unvermeidlichen zu entgehen, befolgen seinen Rat nicht ganz. Der Film, der einem Franchise über die Verfolgung durch den Tod neues Leben einhaucht, nimmt sich die Idee zu Herzen, jeden Moment auszukosten.

7/10

Quellen:
Inhaltsangabe: Warner Bros.
Poster/Artwork
New Line Cinema/Practical Pictures/Freshman Year/Fireside Films

Mittwoch, 14. Mai 2025

[KINO] Thunderbolts* (2025)

https://www.imdb.com/de/title/tt20969586/

Nachdem Yelena Belova/Black Widow (Florence Pugh), Alexei Shostakov/Red Guardian (David Harbour), Antonia Dreykov/Taskmaster (Olga Kurylenko), John Walker/U.S. Agent (Wyatt Russell), Ava Starr/Ghost (Hannah John-Kamen) und Bucky Barnes/Winter Soldier (Sebastian Stan) in eine von Valentina Allegra de Fontaine (Julia Louis-Dreyfus) gestellte Todesfalle geraten sind, sehen sich die hoffnungslosen Außenseiter gezwungen, eine riskante Mission zu übernehmen. Diese führt sie nicht nur an gefährliche Orte, sondern auch tief in die dunklen Kapitel ihrer eigenen Vergangenheit. Zwischen Misstrauen, inneren Konflikten und alten Wunden steht die Frage im Raum: Wird sich die dysfunktionale Gruppe gegenseitig zerstören – oder gelingt es ihnen, über sich hinauszuwachsen und gemeinsam etwas Größeres zu erschaffen, bevor die Zeit abläuft?

Es ist merkwürdig. Denn als "Avengers: Endgame" 2019 erschien, wirkte die Tagline rückblickend wie eine Vorausdeutung auf kommende MCU-Projekte. Nicht, dass Marvel in den 2020er-Jahren keine Hits gehabt hätte, aber es gab einfach keine ununterbrochene Kette von Blockbustern mehr, und auch die Geschichte, die sich wie ein roter Faden bis dato durch alle Filme zog, fesselte das Publikum nicht mehr. Doch mit "Thunderbolts" findet diese Durststrecke ihr Ende.

Die Marvel-Filme, die seit "Avengers: Endgame" am erfolgreichsten waren, haben sich am weitesten vom Muster der sogenannten "Infinity Saga" entfernt - den ersten 22 Teilen der Reihe, die sich um den Kampf gegen den Superschurken Thanos drehten. Der letztjährige Film "Deadpool & Wolverine" enthielt fast keine Charaktere aus dem Marvel Cinematic Universe (MCU); der postmoderne "Spider-Man: No Way Home" war eine Hommage an die Spider-Man-Filme, die nicht von den Marvel Studios produziert wurden; und auch der neueste Marvel-Film "Thunderbolts"* (man beachte den Stern) hat seine ganz eigene Identität. Das soll nicht heißen, dass er nicht zum MCU gehört. Tatsächlich ist es eine seiner cleveren Eigenheiten, dass er gezielt die Niedergeschlagenheit der Menschen in einer Welt thematisiert, in der Iron Man, Thor und Captain America nicht mehr existieren. Doch dem zum Trotz haben Regisseur Jake Shreier und die Drehbuchautoren Eric Pearson und Joanna Calo eine eigenwillige Interpretation des Superhelden-Genres geschaffen, die ihn zum erfrischendsten MCU-Angebot seit Jahren macht.

Der Clou: Anstatt zu versuchen, so hochglänzend und ausufernd wie die Filme der "Infinity Saga" zu sein, bietet "Thunderbolts"* kämpferischen, schmuddelig wirkenden und bodenständigen Spaß. Es ist nicht die epische Geschichte unzerstörbarer Titanen, die das Universum, geschweige denn das Multiversum, retten; es ist ein komödiantisch angehauchtes Abenteuer über stümperhafte Geheimagenten, die von ihrer ehemaligen Arbeitgeberfirma als Belastung angesehen werden. Das Szenario ist nicht neu: Nach "Die Bourne Identität" gab es unzählige Actionfilme, in denen sich desavouierte Spione ihren ehemaligen Auftraggebern entzogen. Doch "Thunderbolts"* sticht heraus, weil er eine ganze Gruppe solcher Spione zeigt: einen zusammengewürfelten Haufen depressiver, dysfunktionaler Einzelgänger, die zusammenarbeiten müssen und ständig darüber nörgeln. Besonders ungewöhnlich an dem Film ist für Marvel-Verhältnisse, dass seine Prämisse auch ohne wirkliche Superkräfte der Charaktere tragfähig wäre. Und tatsächlich sind sie im Vergleich zu den bereits erwähnten Captain America und Thor gar nicht so superstark. Ein Teil ihres Reizes liegt darin, dass sie durch Kugeln getötet und in verschlossenen Räumen gefangen gehalten werden können, was sie viel greifbarer macht als nordische Götter.

Daraus kann der Zuschauer eine Lektion lernen, die die Macher von Box-Office-Enttäuschungen wie "Eternals" und "The Marvels" hätten lernen sollen. Nicht die Kräfte der Figuren sind entscheidend, sondern ihre Persönlichkeit. In "Thunderbolts"* sind diese Figuren Yelena (Florence Pugh), eine russische Auftragsmörderin und Adoptivschwester von Scarlett Johanssons Black Widow, die nun wegen der sinnlosen Gewalt in ihrem Leben zutiefst unglücklich ist; ihr Adoptivvater Red Guardian (David Harbour), ein abgehalfterter Chaot, der seinen Tagen als Nationalheld nachtrauert; der mit bionischen Waffen ausgestattete Winter Soldier (Sebastian Stan), der im Zweiten Weltkrieg Captain Americas Kumpel war und sich im 21. Jahrhundert immer noch unwohl zu fühlen scheint; John Walker (Wyatt Russell), ein verbitterter Supersoldat, der der neue Captain America werden sollte, dieser Aufgabe aber nicht gewachsen war; der verwirrte, hin- und hergerissene Bob (Lewis Pullman), ein weiterer misslungener Versuch, einen Ersatz für Captain America zu schaffen; und Ghost (Hannah John-Kamen), ein schiefgelaufenes wissenschaftliches Experiment - ​​die aber im Gegensatz zu den anderen Charakteren darüber hinaus nicht sehr gut definiert ist. Auf verschiedene Weise sind sie alle mit einer der denkwürdigsten, schlüpfrigsten Bösewichte von Marvel verbunden, Valentina Allegra de Fontaine (Julia Louis-Dreyfus), einer Geschäftsfrau mit all dem spröden, herablassenden Selbstbewusstsein, das man von dem zuverlässig hervorragenden Star auch erwarten würde.

Die Handlung von "Thunderbolts*" ist so clever konstruiert, dass man den Kern der Geschichte versteht und die Geschichte genießen kann, egal ob man Marvel-Fan ist oder nicht. De Fontaine, so scheint es, steckt hinter mehreren geheimen Superhelden-Operationen. Als ihre politischen Gegner ihr nun auf die Fersen kommen, beschließt sie, alle Beweise für ihre zwielichtigen Machenschaften zu vernichten, einschließlich derer, die sie durchgeführt haben. Und so kommt es, dass Yelena und die anderen nicht mehr versuchen, sich gegenseitig umzubringen, sondern sich gegenseitig am Leben zu erhalten. Sie werden zu einer Art Team, sind sich aber nicht sicher, ob sie sich "Thunderbolts" nennen sollen. Der Stern im Titel bedeutet daher, dass es sich nur um einen Platzhalter handelt, bis ihnen etwas Besseres einfällt. 

Ein kleiner Haken: Die Hintergrundgeschichten der meisten Charaktere finden sich in anderen Filmen und der Fernsehserie "The Falcon And The Winter Soldier" wieder, nicht in "Thunderbolts*". Ein weiterer Haken ist, dass die Verfolgung der Bande durch De Fontaines Truppen den Großteil der Filmlaufzeit einnimmt, sodass es kaum Szenen gibt, die nicht schon in den Trailern zu sehen waren. Andererseits sind Superheldenfilme selten so fokussiert und entwickeln sich selten so nahtlos von Szene zu Szene, ohne Atempausen und ohne plötzliche Sprünge an verschiedene Enden der Welt. "Captain America: Brave New World", der im Februar in die Kinos kam, ähnelte "Thunderbolts"* insofern, als er sich um die Politik in Washington D.C. drehte und an "The Falcon And The Winter Soldier" anknüpfte. Doch dieser Film war ein chaotisches Durcheinander, während dieser hier so geschickt konstruiert ist, dass man den Kern versteht und die Fahrt genießen kann. Die zugrunde liegenden Themen in "Thunderbolts"* sind genauso fokussiert wie die Erzählung. Alle Charaktere müssen mit der Scham und dem Trauma ihrer schwierigen Vergangenheit fertig werden - und dieses Thema zieht sich von der Eröffnungsszene bis zum obligatorischen "Final Battle" durch, welcher zwar etwas überhastet, aber stilvoll surreal genug ist. Dazwischen wird die Schuld der Charaktere in einigen berührenden und überraschend brutalen Sequenzen sowie in einigen scharfsinnig geschriebenen, zügig geschnittenen und gekonnt gespielten komischen Szenen thematisiert.

An beiden Enden des Spektrums liefert Pugh eine Leistung ab, die ihr Preise einbringen würde, wäre sie nicht in einem Superheldenfilm. Sie liefert ihre Pointen mit perfektem Timing, besonders wenn sie mit Red Guardian zankt und scherzt. Aber sie kann auch pure Emotionen ausstrahlen - und das alles, während sie einen ordentlichen russischen Akzent behält und sich durch ihre akrobatischen Kampfszenen wälzt. Letztendlich ist "Thunderbolts"* deshalb so viel besser als die meisten Marvel-Filme nach "Avengers: Endgame". Nicht nur, weil es ein knallharter, großherziger Spionagethriller über liebenswert ahnungslose Antihelden ist. Sondern weil ein so charismatischer Schauspieler wie Pugh im Mittelpunkt steht. Und damit bietet der neueste Teil der Superhelden-Reihe kämpferischen, schmuddeligen und bodenständigen Spaß, der von Anfang bis Ende wunderbar unterhält.

8/10

Quellen:
Inhaltsangabe: Marvel
Poster/Artwork: Marvel

Sonntag, 11. Mai 2025

[KINO FFFnights] The Rule Of Jenny Pen (2024)

https://www.imdb.com/de/title/tt6874690/

In einem abgeschiedenen Pflegeheim, weit entfernt von der Außenwelt, lebt ein ehemaliger Richter, dessen Körper durch einen Schlaganfall schwer gezeichnet ist. Gefangen in seiner eingeschränkten Beweglichkeit wird er Zeuge einer Reihe unheimlicher Ereignisse: Ein älterer Psychopath nutzt eine scheinbar harmlose Kinderpuppe, um die anderen Bewohner zu manipulieren und in tödliche Situationen zu treiben. Trotz seiner körperlichen Einschränkungen muss der einstige Gesetzeshüter all seine geistige Stärke und seinen Scharfsinn aufbieten, um das perfide Treiben zu durchbrechen und die Gefahr zu stoppen, bevor es zu spät ist.

Normalerweise handeln Horrorfilme, die ältere Schauspieler für den Schockeffekt ausnutzen, von Frauen. "The Rule Of Jenny Pen" ist in jeder Hinsicht anders. Anders, als alles, was man bisher so sehen konnte. In dem Film spielen John Lithgow und Geoffrey Rush zwei regelrecht melodramatischen Rollen, die den grotesken Schrecken des Alterns und das Dasein in einem Seniorenwohnheim hervorheben. Gleichzeitig behandelt "The Rule Of Jenny Pen" einige sehr ernste (manche würden sogar sagen traumatische) Themen, legt den Finger in die offenen Wunden von medizinischem Gaslighting, Misshandlung älterer Menschen und sexuellem Missbrauch. In Kombination mit der überzeugenden Kameraführung und der kunstvollen Regie wirkt der Film sehr typisch Ari Aster, insbesondere als zu Beginn des Films ein alter Mann willkürlich verbrennt.

Regisseur James Ashcroft versucht hier etwas ähnlich Schelmisches wie Aster und wenn "The Rule Of Jenny Pen" den Zuschauer einmal packt, hat er schon gewonnen. Leider wechselt Ashcroft jedoch zu oft plump zwischen schwarzer Komödie und verstörender Gewalt, anstatt die schwierigere Aufgabe zu meistern, beides zu einem widerlichen, aber dennoch unbestreitbar spannenden Erlebnis zu verbinden. Lithgow und Rush sind gleichsam ein ungleiches Paar unangenehmer Persönlichkeiten. Stefan (Geoffrey Rush) ist ein angesehener (und scheinbar freundloser) neuseeländischer Richter, der nach einem Schlaganfall in der Eröffnungsszene an den Rollstuhl gefesselt ist. (Er verkündet vor Gericht das Urteil in einem Fall von Kindesmissbrauch) Stefan ist außerdem ein herablassender Snob, unhöflich zu seinem Zimmergenossen im Pflegeheim (George Henare) und verächtlich gegenüber dem überwiegend weiblichen Pflegepersonal. Dave (John Lithgow) hingegen ist verrückt, psychotisch und viel gefährlicher, als er aussieht.

Der langjährige Bewohner Dave hat Royale Pine Mews zu seinem persönlichen Lehen gemacht, terrorisiert seine Landsleute jede Nacht nach dem Lichtausschalten und manipuliert das Personal, um seinen Willen durchzusetzen. Wer sich weigert, das Knie zu beugen und das Arschloch der titelgebenden Puppe zu lecken - wirklich; so wird es im Film formuliert und die körperliche Handlung verlangt –, könnte "im Schlaf sterben". Die Szenen, in denen Dave seine Mitbewohner foltert, sind erschreckend, wie sadistische Dominanzdarstellungen gegenüber hilflosen Menschen es sein sollten. Merkwürdig wird es, wenn später Aufnahmen derselben Nebenfiguren, von denen viele in unterschiedlichen Stadien der Demenz sind, für Lacher sorgen.

Ist das ein Albtraum oder ein schwarzhumoriger Witz? "The Rule Of Jenny Pen" wirkt die meiste Zeit wie ein Albtraum, während Stefans Dilemma sich verschärft und sein Körper gleichzeitig verfällt. Am Ende des Films kann er kaum noch Essen im Mund behalten, und wieder ist die Kluft zwischen Mitgefühl für diese Figur und dem Schwelgen in seinem Leiden unglaublich groß. So kommt es, dass Lithgow und Rush gegen Ende des Films in eine cartoonhafte körperliche Auseinandersetzung geraten, wobei die Kamera nur wenige Zentimeter von ihren Nasen entfernt ist, um einen maximalen karnevalesken Effekt zu erzielen.

Ein großer Teil der Anziehungskraft liegt in Lithgows Besetzung. Man kann nur fasziniert zuschauen, wenn dieser sanftmütige Mann sich völlig übertrieben böse gibt, und Lithgow kommt dem in bis über den Bauchnabel hochgezogenen Hosen und einer gruseligen Babypuppe an der Hand nach. "The Rule Of Jenny Pen" findet auch oft genug die Balance, sodass der angestrebte Witz letztendlich auch zündet. Er könnte jedoch noch stärker wirken, wenn seine Wirkung nicht durch die überlange Laufzeit und den uneinheitlichen Ton abgeschwächt würde. Für einen Film, der sich selbst zu seinem eigenen Vergnügen unterbietet, ist er jedoch durchaus in Ordnung.

6,5/10

Quellen:
Inhaltsangabe: Filmstarts
Poster/Artwork
Light in the Dark Productions

[KINO FFFnights] The Damned (2024)

https://www.imdb.com/de/title/tt15010692/

Die Witwe Eva (Odessa Young) muss im 19. Jahrhundert eine unmögliche Entscheidung treffen, als in einem besonders grausamen Winter ein fremdes Schiff vor der Küste ihres isländischen Fischerdorfs sinkt.

Der Psychohorror "The Damned" von Regisseur Þórður Pálsson greift auf isländische Folklore zurück und erzählt eine Geschichte von Paranoia und Aberglauben in einem abgelegenen Außenposten in einer eisigen Schneelandschaft. Die junge Witwe Eva (Odessa Young) leiht das Fischerboot ihres verstorbenen Mannes den ruppigen Fischern des Dorfes, behält dabei aber ihre Entscheidungsbefugnis. Hier entscheidet jede Tat, jede Ration und jede Handlung über Leben und Tod. Die Dorfbewohner verstehen sich größtenteils gut und singen in ihrem engen Pub bei Gaslaternen Trink- und Fischerlieder. Doch unter dieser unberührten Oberfläche brodeln Spannungen in Form männlicher Rivalitäten und der Vorstellung, dass Stärke Überleben bedeutet. Als ein Schiff mit Fremden vor der Küste kentert, stehen die Dorfbewohner vor dem Dilemma, ob sie Zeit und Ressourcen für die Suche und Rettung aufwenden sollen. Diese Debatte verschärft sich, als das Schiffswrack wertvolle Lebensmittel und Getränke an Land spült und so unbeabsichtigt zum Überleben der Stadt beiträgt. Die Frage, ob man sich zu den nahegelegenen, tückischen Felsen hinauswagen soll, wo Überlebende stranden könnten, bildet das ethische Rückgrat einer Geschichte, die langsam aber sicher ins Übernatürliche abdriftet und in Legenden verwurzelt ist, die mit dem christlichen Glauben der Dorfbewohner kollidieren. Als ihre harten Entscheidungen sie zu verfolgen beginnen, nimmt ihre Schuld schließlich eine erschreckende körperliche Form an, die in der Frage wurzelt, ob die Schatten, die sie in der Dunkelheit sehen, real oder eingebildet sind.

Obwohl der Film mit Kerzenlicht zunächst uninteressant beginnt, entwickelt er sich bald zu etwas Kränklichem, als eines Morgens das Gespenst des Todes direkt vor der Küste des Dorfes auftaucht. Sobald diese schwerwiegenden ethischen Dilemmata Einzug halten, wirken die scheinbar statischen Einstellungen haltlos. Während das Bild Eva einfängt, geplagt von Selbstzweifeln über die beste Führung, beginnt es subtil zu schaukeln, als treibe die Kamera auf See. Der Effekt ist widerlich, und der Film scheint erst dann Ruhe zu finden, wenn Eva in der Nähe ihres jungen, attraktiven Untergebenen Daniel (Joe Cole) ist. Dies führt zu einem weiteren ethischen Dilemma, als ihre Chemie spürbar wird.

Je weiter der Film voranschreitet, desto mehr tragen Youngs nachdenkliche Darstellung, Eli Arensons vielschichtige, kontrastreiche Kameraführung und Stephen McKeons nervenaufreibende Filmmusik zu einer hinterhältigen, völlig unterkühlten Atmosphäre bei. Pálssons Top-Down-Ansatz wirkt dieser vollendeten Kunst jedoch entgegen. Ein Jumpscare nach dem anderen nimmt die gleiche Form an: Gestalten schleichen in den Schatten und bauen Spannung auf, die durch schrille, unterbrechende Geräusche, meist in Form eines Lockvogelangebots, abgebaut wird. Beim ersten Mal ist es hinreißend und schelmisch, aber bei der x-ten Wiederholung? Nicht mehr ganz so sehr.

Die Auswirkungen auf den Film sind bedauerlich. Das Ensemble bleibt stets auf den sich aufbauenden psychologischen Druck und die sich vertiefenden sozialen Gräben der Handlung eingestellt, doch die monotonen übernatürlichen Visionen rauben dem Film häufig die Spannung. Die Schauspieler spielen jede schmerzlich reuevolle Note perfekt, doch die gegenständlichen, geisterhaften Metaphern des Films erschweren ihre emotionale Klarheit nur. Dies gilt insbesondere, wenn Pálsson beginnt, die Beziehung zwischen den wörtlichen und traumhaften Geschehnissen der Geschichte zu entwirren. Der Film leidet etwas unter dieser Übererklärung.

Dass "The Damned" die Puste ausgeht, wirkt wie ein unvermeidliches Ergebnis. Dass der Film jedoch so lange fesselnd bleibt - vor allem dank Hauptdarstellerin Odessa Youngs mitreißender Darstellung einer jungen Frau, die von Verantwortung belastet ist und die damit das metaphorenreiche Gruselspektakel in dem isländischen Fischerdorf des 19. Jahrhunderts mehr als nur bereichert -, zeugt von seiner Stärke als psychologisches, atmosphärisches Stück über tiefe Reue. Die Geschichte, die durch Träume und Schatten erzählt wird und die trotz ihrer oft repetitiven Herangehensweise eindringlich wirkt, ist interessant und einnehmend. Obwohl der Film als gruseliges Horrordrama mehr Wucht als Allegorie hat, ist er unterm Strich ansprechend atmosphärisch und gut gemacht und bietet einen wirkungsvollen und einprägsamen Abschluss.

6,5/10

Quellen:
Inhaltsangabe: Filmstarts
Poster/Artwork
Elation Pictures/Wild Atlantic Pictures/Join Motion Pictures/Ley Line Entertainment

[KINO FFFnights] Redux Redux (2025)

https://www.imdb.com/de/title/tt33295741/

Seit geraumer Zeit durchquert Irene Kelly (Michaela McManus) das Multiversum, um einen Mann namens Neville (Jeremy Holm) zu töten, der ihre Tochter entführt und ermordet hat und dies immer wieder tut. Dank einer Spezialmaschine reist Irene von Universum zu Universum und hofft eines zu finden, in dem ihre Tochter überlebt hat. Die Universen sind sich sehr ähnlich, aber nicht immer genau gleich. Mal arbeitet Neville als Koch in einem Diner, mal als Kellner. Mit einen Mann hat Irene immer wieder One-Night-Stands, ohne das dieser ahnt, dass es für sie nicht das erste Mal ist. In einem Universum kann sie einen Teenager davor retten, das nächste Opfer des Mannes zu werden. Irene Kelly nimmt die 15-jährige Mia (Stella Marcus) unter ihre Fittiche, obwohl sie bei ihrer Suche eigentlich jegliche dauerhaften zwischenmenschlichen Beziehungen vermeiden muss. Sie verspricht Mia, ihren Peiniger zur Strecke zu bringen. Als Mia erfährt, wie Irene Kelly dabei vorgeht, beginnt auch sie in den Rachefeldzug gegen Neville einzusteigen. Getrieben von unaufhaltsamer Rache verliert sie sich zunehmend in ihrer Mission. Doch je weiter sie geht, desto mehr gerät ihre eigene Menschlichkeit in Gefahr...

Als Dr. Strange das Tor zum Multiversum öffnete, gab es plötzlich eine ganze Fülle von neuen Abenteuern, alternativen Zeitlinien, Handlungsverläufen und teilweise vollkommen krassen Twists.  Doch "redux Redux" liefert eine ganze neue Version des Multiversums - und die interpretiert das Multiversum in einer Lo-Fi-Rachegeschichte, in der Technologie den brennenden Hass einer Frau schürt. Obwohl der Film im Kern vertraut wirkt, erschaffen die McManus-Brüder eine faszinierende und einzigartige Multiversum-Erkundung rund um Rache und Trauer, die sich über unendliche Zeitlinien erstreckt.

Die McManus-Brüder gehen den clevern Weg und lassen die Technologie für sich selbst sprechen, anstatt zu erklären, wie und warum sie entdeckt wurde. Sie halten es einfach, mit kurzen Momenten knappen Kontexts, die nicht als Expositionsschrott fungieren, sondern als kleine Momente detaillierten Weltaufbaus, die die Geschichte geerdeter und zugleich umfassender erscheinen lassen. Es ist Science-Fiction vom Feinsten: zurückhaltend, aber faszinierend, und sie verändert die Welt, wie wir sie kennen, grundlegend, aber nicht so, wie man es erwarten würde. Aber mehr als nur ein Stück Indie-Science-Fiction ist "Redux Redux" eine Meditation über Rache auf die Spitze getrieben, in der Rache nicht nur eine einzelne Tat ist, sondern ein nie endender, bösartiger, sich selbst erhaltender Kreislauf. Es ist die Personifizierung der tiefsten, wütendsten Gedanken gegenüber einer Person, die einem Unrecht getan hat, und die in den dunkelsten Momenten im Kopf eines Menschen abläuft. Irene kann diese sogenannte Fantasie ausleben, nur auf Kosten ihrer Menschlichkeit und jeglicher dauerhafter menschlicher Beziehungen. Es gibt die üblichen Reden über die Sinnlosigkeit von Rache, aber sie sind nicht übertrieben und wirken in diesem Kontext authentisch und nicht wie die üblichen Schlagzeilen einer Rachegeschichte.

Der Film leidet etwas unter dem Problem, das die meisten Racheengelfilme haben: Das Opfer wird fast vergessen, um den Racheengel selbst zu stärken. Es gibt Momente, die dies berühren, wenn Irene erklärt, zu welchem ​​Monster sie geworden ist, um ihre Tochter zu retten. Doch es ist ein kleines fehlendes Puzzleteil, das das Sahnehäubchen eines fantastischen Films gewesen wäre. Das bedeutet nicht, dass Informationen über ihren gewaltsamen Tod nötig gewesen wären, sondern vielmehr einen tieferen Einblick in Irenes Beziehung zu ihr. Es ist ein kleines Detail, das die Geschichte des Films keineswegs entgleisen lässt, sondern sie vielmehr stärken würde. McManus und Marcus sind ein hervorragendes Pseudo-Mutter-Tochter-Duo, das zankend durch die Wüste zieht und einen Möbelwagen mit einer Multiversum-Sprungmaschine auf der Ladefläche fährt. McManus verkörpert Irene als eiskalte Killerin, die keine Angst hat, ihre weiche Seite zu zeigen. Sie ist freundlich und einfühlsam, aber auch streng und unnachgiebig - eine durch jahrelanges Morden abgehärtete Mutterfigur. Marcus ist ein Chaosball, der Inbegriff eines frustrierenden Teenagers - aber andererseits, kann man es ihr verdenken? Zwischen dem Leben in Pflegefamilien und der knappen Flucht vor einem Serienmörder versucht Mia, sich an etwas Stabiles und Reales zu klammern, genau wie Irene. Sie sind zwei haltlose Individuen, die durch das Multiversum treiben und nach Liebe und Familie suchen, wo immer diese auch sein mögen.

Mit "Redux Redux" beweisen die McManus Brothers, dass sie ein Auge für einzigartige Genre-Geschichten haben, in deren Mittelpunkt zutiefst menschliche (und oft gebrochene) Charaktere stehen. So wie "Everything Everywhere All At Once" die Macht des Multiversum-Konzepts in eher Indie-Settings bewies, veranschaulicht "Redux Redux" die unendlichen Möglichkeiten des Indie-Horrors, selbst bei der Erschaffung unendlicher Universen. Der Film betritt vertrautes Terrain, tut dies aber auf eine besondere Art und Weise, die einem das Herz bricht und gleichzeitig den Verstand mit eingestreuten Science-Fiction-Elementen verdreht. Man könnte Irene und Mia tagelang dabei zusehen, wie sie durch das Multiversum reisen und Kindermörder töten. Ein toller Film!

7,5/10

Quellen:
Inhaltsangabe: Bloody Disgusting
Poster/Artwork: Mothership Motion Pictures

[KINO FFFnights] Memoir Of A Snail - Memoiren einer Schnecke (2024)

https://www.imdb.com/de/title/tt23770030/

Grace Pudel (Stimme im Original: Sarah Snook) blickt zurück auf eine Kindheit voller Brüche und Verluste. Nach dem frühen Tod der Mutter wachsen sie und ihr Zwillingsbruder Gilbert (Kodi Smit-McPheebei) ihrem pflegebedürftigen, alkoholabhängigen Vater auf. Als auch dieser stirbt, werden die beiden getrennt und in verschiedene Pflegefamilien gegeben. Während Gilbert in einem strengen, religiösen Haushalt am anderen Ende des Landes landet, zieht sich Grace zunehmend zurück - wie die Schnecken, die sie mit Hingabe sammelt. Der Schmerz über die Trennung und die Einsamkeit lassen sie verstummen, bis eine ungewöhnliche Begegnung neue Wege öffnet. In Pinky (Jacki Weaver), einer lebenslustigen älteren Frau mit schillernder Persönlichkeit, findet Grace nicht nur eine Freundin, sondern auch neue Zuversicht. Stück für Stück beginnt sie, der Welt wieder zu begegnen - und entdeckt darin ungeahnte Möglichkeiten.

Wer an Stop-Motion-Animation denkt, dem kommt wahrscheinlich als Erstes die liebenswerten Knetanimationen des Aardman Studios in Bristol in den Sinn. Doch tatsächlich eignet sich Stop-Motion, vielleicht mehr als jede andere Animationsform, für düsterere, gewalttätigere Themen: die makabren, gespenstischen Gothic-Märchen aus Tim Burtons Fantasiewelt und den schaurigen Horrorfilm "Coraline" für Jugendliche. Der australische Stop-Motion-Filmemacher Adam Elliott besitzt ein natürliches Talent für das Schreiben von Komödien - und darüber hinaus die Fähigkeit, dies mit der Einfachheit und Direktheit seines Animationsstils zu verbinden. Dadurch entsteht eine unverwechselbare Art von Liebenswürdigkeit und Pathos und vor allem ein Gespür für Außenseiter und Außenseiter. Er lässt Mainstream-Animation etwas neurotypisch erscheinen. 

Elliots neuester Film, der mehrfach preisgekrönte und für den Oscar nominierte Film "Memoiren einer Schnecke“, erzählt die traurige Geschichte einer melancholischen Frau namens Grace Pudel, der Sarah Snook mit weltmüder Resignation ihre Stimme verleiht. Es ist eine Aneinanderreihung von Unglücken: Graces Mutter stirbt bei der Geburt; sie und ihr Zwillingsbruder Gilbert (Kodi Smit-McPhee) werden zu Waisen, als ihr depressiver, alkoholkranker Vater an Schlafapnoe erkrankt. Und dann wird es richtig schlimm. Grace möchte, wie die Schnecken, die sie zu ihren engsten Freunden zählt, nur noch in ihr Haus kriechen und sich vor der Welt verstecken. Gilberts Pflegefamilie ist eine repressive, sektiererische religiöse Gruppe, die einen Obsthandel betreibt und darauf besteht, das Jesuskind anzubeten, anstatt die erwachsene Version. Grace wohnt bei einem fröhlichen Paar aus Canberra, das süchtig nach Selbsthilfebüchern und Swingen ist und sie abends allein lässt, während sie zu wichtigen Partys gehen. Die einzige Freundin der traurigen kleinen Grace ist eine exzentrische, aber unbezwingbare alte Dame namens Pinky, gesprochen von Jacki Weaver, die "nach Ingwer und Secondhand-Läden riecht" und bunte Kleidung und riesige Brillen bevorzugt - wie eine Mischung aus Iris Apfel und Edna Mode aus "Die Unglaublichen". Und Pinky wird zur zentralen Figur in Graces Leben, während sie eine dramatische Abrechnung mit ihrem Schicksal und ihrem lebenslangen Schneckenfetisch macht.

Das ist bitter und düster, durch und durch. Doch was diesen Film zu einem typischen Elliot-Film macht, ist nicht das unerbittliche Unglück, sondern die beißenden Humorblitze, die neben Graces gehortetem Nippes aufblitzen, und die Sorgfalt, mit der der Regisseur mit seinen beschädigten, aber geschätzten Außenseitern der Gesellschaft umgeht. "Memoiren einer Schnecke" strahlt eine gewisse Unbefangenheit und Unschuld aus, eine Familienunterhaltung, die eine seltsame Intensität verbirgt. Die offensichtlich persönlichen Erzählelemente lassen deutlich erkennen, dass in diesem Film sehr realer Schmerz und Wut von Erwachsenen offen zutage treten - oder eigentlich gar nicht, obwohl die überraschende erzählerische Wende am Ende die Ergriffenheit des Films nur noch verstärkt. Der Film ist durch und durch unterhaltsam, und er sei jedem, der auch nur ein Quäntchen Interesse dafür aufbringen kann, dringend ans Herz gelegt.

8/10

Quellen:
Inhaltsangabe: Fiilmstarts
Poster/Artwork
Arenamedia/Screen Australia/Snails Pace Films/Soundfirm

[KINO FFFnights] The Weekend (2025)

https://www.imdb.com/de/title/tt32151255/

Kurz vor der Hochzeit entdeckt eine Frau ein schockierendes Geheimnis über ihre zukünftigen Schwiegereltern. Während sie versucht, die Wahrheit ans Licht zu bringen, gerät sie in ein Netz aus Lügen, Misstrauen und gefährlichen Enthüllungen, die alles infrage stellen.

Familien können wunderbar sein, aber auch chaotisch, dysfunktional und skurril. Und weil Familie – insbesondere die Herkunftsfamilie – in vielen Kulturen weltweit so wichtig ist, ist es oft schwierig, über dieses Thema zu sprechen, wenn die eigene Familie nicht gerade perfekt ist. Besonders schwierig ist es, wenn man entweder keine Herkunftsfamilie hat oder sich von ihr entfremdet hat. Regisseur Daniel Orihai präsentiert mit "The Weekend" einen treibenden, mitreißenden Horrorklassiker aus Nigeria, erzählt die Geschichte einer toxischen Familie und zeigt, wie schwer es ist, aus dysfunktionalen Dynamiken auszubrechen - und wie leicht man wieder hineingezogen werden kann.

Nikiya (Uzoamaka Aniunoh) ist alles, wovon ihr sanftmütiger, vegetarischer Verlobter Luc (Bucci Franklin) nur träumen konnte; sie ist selbstbewusst, wunderschön und genauso in ihn verliebt wie er in sie. Doch ohne eigene Familie sehnt sie sich nach einem Platz in einer traditionellen Familie, Großeltern, Cousinen, Neffen - was im direkten Widerspruch zu Lucs jahrelangem Entschluss steht, alle Verbindungen zu seiner Mutter, seinem Vater und seiner Schwester abzubrechen. Als Luc eine Einladung zur Hochzeitstagsfeier seiner Eltern in seinem Heimatdorf erhält, gibt er widerwillig nach. Doch bei seiner Ankunft erinnert er sich schnell daran, warum er ursprünglich auf Distanz bleiben wollte.

Für Genrefans dürfte "The Weekend" schnell sein Geheimnis offenbaren. Das erste Treffen erfüllt Nikiya mit Hoffnung auf eine Versöhnung zwischen Luc und seiner Familie. Doch alles hier gerät recht schnell ins Wanken. Noch vor Ende des Wochenendes kommt die schreckliche Wahrheit über Lucs Familie ans Licht. Obwohl "The Weekend" eine vielversprechende Prämisse hat, ist der Film nicht so gelungen, wie er hätte sein können. Das Tempo ist durchweg langsam. Übertrieben erklärende Dialoge ziehen den Film zusätzlich in die Länge. Die Figuren beschreiben oft die Handlungen der vorangegangenen Szenen und erklären ihre Motive und Gedanken so präzise, ​​dass kein Raum für Nuancen bleibt. Der letzte Akt, obwohl ein Höhepunkt, zieht sich viel zu lange hin.

Und doch: Trotz dieser Mängel liefert "The Weekend" in einigen Bereichen. Mit einer Laufzeit von knapp zwei Stunden ist "The Weekend" auch überraschend gut getaktet und enthüllt jede Wendung mit einem fesselnden Rhythmus, der volle Aufmerksamkeit erfordert. Einige Momente des Films sind düster-komisch und befriedigend. Alle Schauspieler sind sichtlich talentiert und spielen ihre Rollen mit großer Aufrichtigkeit. Das Bühnenbild ist visuell interessant und verbindet traditionelle nigerianische Kunst mit modernen Elementen. Damit ist es schwer, genau zu sagen, was "The Weekend" so erfolgreich macht. Einerseits verdient die Leistung zweier der Schlüsselfiguren des Films – der Schauspielerinnen Uzoamaka Aniunoh, die Nikiya spielt, und Meg Otanwa, Lucs Schwester Kama – sofort Anerkennung. Es ist ein Ensemblefilm voller faszinierender Charaktere und insgesamt starker Leistungen, die selbst bei kurzen Ausflügen ins Seifenopern-Gebiet kaum nachlassen. Doch es sind insbesondere Aniunoh und Otanwa, die den Film auszeichnen und ihn nicht nur zu etwas Besonderem, sondern auch zu etwas grundlegend Authentischem auf eine sehr zugängliche und menschliche Weise machen. "The Weekend" ist damit eine gute Geschichte über Familien, Rituale, Dinge, die man fraglos für selbstverständlich hält und zugleich eine düstere Geschichte über Loyalität und außer Kontrolle geratene Traditionen.

6,5/10

Quellen:
Inhaltsangabe: Filmstarts
Poster/ArtworkTrino Motion Pictures