Donnerstag, 1. Juni 2023

Crimes Of The Future (2022)

https://www.imdb.com/title/tt14549466/

In einer nahen Zukunft: Nur noch wenige Menschen sind in der Lage, echte Schmerzen zu entwickeln. Einige von sind zudem in der Verfassung, mehr und mehr Organe mit unbekannten Fähigkeiten in ihren Körpern zu produzieren. Saul Tenser (Viggo Mortensen) und seine Assistentin Caprice (Léa Seydoux) haben mittels neuester Technologie einen Weg gefunden, aus den Mutationen Kunst zu machen: Saul lässt sich seine neuen Organe im Zuge einer Performanceshow vor Live-Publikum entfernen. Seine spektakulären Darbietungen sind den staatlichen Organ-Registrierungsbehörden jedoch zusehends ein Dorn im Auge. Hinzu kommt eine mysteriöse Untergrundorganisation, die jeden Schritt von Saul verfolgt und sein düsteres Treiben genauestens beobachtet. Für Saul ist klar, dass er die schockierendste Performance aller Zeiten in Angriff nehmen muss...

David Cronenberg. Da weiß man schon vorab, was einen erwartet. Body-Horror in einer weiteren, kruden Form. Mit seinem neuen Film "Crimes Of The Future" kehrt der Regisseur zu der Art von metaphysischer Entstellung zurück, die die Daily Mail bei seinem Kultklassiker "Crash" von 1996 verbieten wollte. Zwar gibt es hier keine Sexualfetischisten, die das Erotische in derben Autounfällen suchen, aber "Crimes Of The Future" erforscht die Extreme der menschlichen Anatomie, etwas, mit dem sich Cronenbergs gesamtes Werk beschäftigt hat.

Der Film spielt in einer nahen Zukunft, in der sich die Körper bis zur Unkenntlichkeit verändert haben und in der eine Kombination aus technologischem Fortschritt und Evolution zwar den Schmerz beseitigt, aber auch die Lust vermindert hat. Einige Menschen haben auch die Fähigkeit erlangt, ihre eigenen Organe zu züchten - in Szenen, die sofort an Cronenbergs verrücktes 80er-Jahre-Meisterwerk "Die Fliege" erinnern. Im Mittelpunkt von "Crimes Of The Future" stehen Saul Tenser (Viggo Mortensen) und seine Partnerin Caprice (Léa Seydoux). Saul hat eine besondere Fähigkeit zur Herstellung neuer Organe, die er in einer Reihe von Live-Shows vermarktet, bei denen Caprice live operiert, Körperteile entnimmt und sie anschließend tätowiert, denn in den letzten Tagen des Kapitalismus ist sogar das Herz käuflich. Das vielleicht am wenigsten realistische Element der Handlung ist, dass es eine Regierungsbehörde gibt, die die Evolution und diese Organe reguliert. Eine solche Regulatorin ist Kristen Stewarts Timlin, die an einer Stelle sagt: "Chirurgie ist der neue Sex"- eben weil Sex nicht mehr Sex ist. In einer unverhohlenen Anspielung auf  "Crash" wird Timlin von Sauls Evolution und der Tatsache angetörnt, dass er an der Schnittstelle zwischen einem natürlichen Organismus und einer künstlichen Schöpfung existiert. Dies sind allerdings auch Themen, die schon immer Cronenbergs Arbeit bestimmt haben, als er zwischen Hollywood-Satire ("Maps To The Stars"), Neo-Noir ("A History Of Violence") und einer Geschichte über sexuelle Unterdrückung ("A Dangerous Method") hin und her schwankte, was bedeutet, dass "Crimes Of The Future" als eine Art "Greatest Hits" dient.

Die Bilder haben eine für Cronenberg ungewöhnliche, schäbige digitale Qualität, und vieles in "Crimes Of The Future" fühlt sich an, als sei es aus seinen früheren, besseren Filmen herausgeschnitten und zerschnitten worden. Die pornografische Perversion von "Crash" ist geiler, subversiver und letztlich eine effektivere Verkörperung der zentralen Idee, die in "Crimes Of The Future" präsentiert wird - nämlich, dass alles fetischisiert und kommerzialisiert werden kann und dass der Körper nur ein großer Klumpen ist, mit dem man spielen kann. Selbst die knorrigen Bilder von Sauls Körper mit Reißverschlüssen, Wucherungen und Ohren an Stellen, an denen sie nicht sein sollten, sind weniger verstörend als das, was Cronenberg in "Videodrome" von 1983 präsentierte. Wenn sich der Film jedoch dazu entschließt, mit einer Vorführung von Oralsex, wie man sie noch nie gesehen hat, auszuflippen, ist "Crimes Of The Future" herrlich provokant. Aber trotzdem ist Cronenbergs Spiel mit seinen "Hits" besser als vergleichbare Arbeiten anderer Regisseure. Er ist ein Filmemacher, der schon immer apokalyptische Visionen von der Menschheit hatte: Und die sind alle da, und sie treffen auf scharfe Art und Weise. Man lebt in einer Welt der geologischen Implosion und der mutierenden, nicht abtötbaren Krankheiten, so dass die Erde von "Crimes Of The Future", die in einer Fuge der von Menschen verursachten Tragödie existiert, nur allzu passend erscheint. "Crimes Of The Future" - sicher nicht so abgefahren wie Cronenbergs filmische Höhepunkte, aber immer noch tiefgründig

7/10

Quellen
Inhaltsangabe: Weltkino

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