http://www.imdb.com/title/tt2172584/
Die Weiss-Familie passt perfekt nach Hollywood: Vater Stafford (John
Cusack) ist Psychoanalytiker und Motivationstrainer, er hat ein Vermögen
mit Selbsthilfe-Anleitungen verdient. Mutter Christina (Olivia
Williams) hingegen verwaltet die Karriere ihres Sohnes, des 13-jährigen
Kinderstars Benjie (Evan Bird). Ein schmutziges Familiengeheimnis trägt
Tochter Agatha (Mia Wasikowska) mit sich herum, sie wurde erst vor
kurzem aus einer psychiatrischen Heilanstalt entlassen. Benjie kommt
ebenfalls frisch aus einem Rehabilitationsprogramm, was für Spannungen
zwischen ihm und seiner Mutter sorgt. Aber auch Stafford hat so seine
Probleme und ist überfordert mit seiner neuen Patientin, der
Schauspielerin Havana (Julianne Moore). Sie eifert vergeblich ihrer
berühmten verstorbenen Mutter (Sarah Gadon) nach, die ihr in Visionen
erscheint, und droht daran zu zerbrechen. Und langsam bröckelt auch die
saubere, glatte Fassade des Hauses Weiss...
Fernab von schrillen Übertreibungen präsentiert "Maps To The Stars" Pathologie
und Zerfall einer Familie ohne zu bewerten oder anzuklagen. Abgesehen von
der ein oder anderen nötigen Pointe erscheint hier plötzlich Hollywood als ein Ort, wo menschliche Begegnungen und gesellschaftliches Treiben
eben nur asozial funktionieren können, ein isolierter Raum auf unserem
Planeten, aber letztlich absolut irdisch, der kapitalistische Traum ist
hier geballtes Pflichtprogramm, von Perversionen durchsetzt
ist er jedoch in jedem seiner weltlichen Ableger. Cronenbergs neuestes Werk ist dominiert von Gesellschafts-Analysen und
Eskapismus-Fantasien, und im Vergleich zu früheren Werken ist hier eine gewisse Menschlichkeit in seinen Werken beinahe ganz verloren gegangen, er
ist härter und radikaler geworden, vielleicht auch pessimistischer.
Vulgärer Szenetalk, Personenkult, rastlose, zerstörerische Jagd auf
einträgliche Rollen dominieren und überzeichnen alles andere.
Hinter den enormen metallenen Toren, in den luxuriösen Palästen, die wie
architektonische Spiegelungen ihrer Nachbarkonstrukte adäquat
nebeneinander aufgereiht sind, residieren die Stars und Sternchen. "Maps To The Stars" aber zeigt nicht die medialen Illusionen, nicht das
Perlweißgrinsen auf Knopfdruck, das schwelgerische Bad im
Blitzlichtgewitter, die kreischenden Fanscharen, den Glanz und den
Glamour. Jeder Blick in den Spiegel endet hier in einem gequälten
Schnaufen. Die strahlenden, sich größtmöglicher Popularität ausgeliefert
sehenden Gesichter sind kommerzialisierte und kapitalisierte Produkte
ihres Umfelds: Hollywood, ein vergifteter und vergiftender Organismus.
Menschen, die in ihrer schieren Naivität ein Leben in den Hollywood
Hills erstrebten und schließlich einen Fuß in diese Branche setzen
durften, werden in eine exzessiven Recyclingmaschinerie gesogen, die
seine massenwirksamen Klischees zwanghaft reproduziert. Maskeraden und
Marionetten.
Die Bilder sind dabei oberflächlich, genau wie die Figuren, da ist keine
Tiefe mehr vorhanden, nichts mehr Wahrhaftiges und genau darum gibt es
auch keine Menschlichkeit mehr. Die Figuren sind Unmenschen geworden.
Man kann sich ihnen nicht mehr annähern und erst recht kein Verständnis
mehr für sie aufbringen.
Cronenbergs Kino war immer durchzogen von
organischen, ausufernden Splattereffekten.
Die Szene in "Maps to the
Stars", in der sich eine der Figuren selbst anzündet, realisiert mit
grotesk miserablen CGI-Effekten, ist also vielleicht die Essenz des
Films: Nicht einmal mehr der Tod, der exzessive Untergang, der für
Cronenbergs Werk immer so bedeutend war, der für ihn immer eine
tragische Wahrhaftigkeit hatte, bedeutet jetzt noch etwas. Der Tod ist
heute nicht mehr etwas organisches, etwas "echtes". Der Tod ist nur noch
ein schlechter Computereffekt.
Im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen hat Cronenbergs Werk im Alter
nichts an Härte und Bestimmtheit eingebüßt, "Maps To The Stars" ist der
radikalste und thematisch beste Film den man sich hat wünschen können. Cronenberg
entlarvt die Karte zu den Sternen brutal als Fake, schaut in die Herzen
von ausgebrannten, kaputten Menschen und inszeniert eine aberwitzig
bittere Groteske.
7/10
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