https://www.imdb.com/title/tt8579674/
Der Erste Weltkrieg befindet sich im April 1917 auf seinem grausamen Höhepunkt. In Nordfrankreich belagern sich deutsche und britische Einheiten in ihren Schützengräben, ohne auch nur einen Zentimeter vorzurücken. Die Moral der Truppen wird zunehmend schlechter. In dieser Situation werden die in Nordfrankreich stationierten, britischen Soldaten Schofield (George MacKay) und Blake (Dean-Charles Chapman) von ihrem Vorgesetzten General Erinmore (Colin Firth) mit einem ebenso dringlichen wie gefährlichen Auftrag bedacht: Sie sollen das zerbombte Niemandsland zwischen den deutschen und britischen Schützengräben durchqueren und eine Nachricht an ein anderes britisches Bataillon überbringen. Dieses ist nämlich kurz davor, in einen deutschen Hinterhalt und damit in den Tod zu stürmen. Wenn die beiden jungen Rekruten es nicht rechtzeitig schaffen, werden mehr als 1.500 britische Soldaten sinnlos ihr Leben verlieren - darunter auch Blakes älterer Bruder Leslie (Andrew Scott)…
Bei gewissen Themen kehren Filmemacher gern immer und immer wieder in die Vergangenheit zurück um doch noch eine weitere Geschichte zu erzählen. Das wohl meistbeachtetse Thema ist der Zweite Weltkrieg. Klar, dort gab es genug Stoff zu erzählen, und wenn es nur um das Schicksal eines einzigen Mannes geht. Dazu kommt, dass das klare Feindbild des Nazis als einer der Hauptaspekte solcher Filme gilt, die man eben nicht lange und breit jedem erklären müsste. Der Erste Weltkrieg wird hingegen nur selten bedacht, schon gar nicht im Rahmen einer großen Produktion. Und um eine solche handelt es sich bei "1917" zweifelsfrei, nicht allein des Budgets wegen. Umso erstaunlicher ist also, dass Regisseur und Co-Autor Sam Mendes den weniger beachteten Krieg, nämlich den ersten Weltkrieg, ausgesucht hat. Über das eigentliche Szenario erfahren wir relativ wenig. Es ist auch nicht so, als hätte "1917" eine allzu umfangreiche Geschichte zu erzählen. Die Handlung besteht fast ausschließlich darin, dass die beiden Soldaten durch das Kriegsland reisen, mit dem Ziel, die wichtige Nachricht zu übergeben. Unterwegs begegnen sie Freunden wie Feinden, was aber nur Minuten, teils sogar nur Sekunden dauert. Der namhafte Cast, mit dem der Film wirbt - unter anderem Benedict Cumberbatch, Andrew Scott, Colin Firth und Mark Strong -, ist da etwas irreführend. Sie haben nicht mehr als Gastauftritte.
Aber was sich nach einer Enttäuschung anhört, ist letztendlich keine. Zum einen hat sich Mendes mit MacKay und Chapman zwei passende Darsteller ausgesucht, die hervorragend als Identifikationsfiguren funktionieren - umso mehr, da Blake einen persönlichen Grund für das Abenteuer hat. Außerdem ist es gerade diese Rastlosigkeit, welche dem Film seine Wirkung verleiht. Nichts hat hier Bestand, bietet Schutz. Hinter jeder Ecke könnte ein Kamerad stehen oder der Tod lauern. Ruhepausen gibt es kaum. Zwar sieht sich dieser Film auch vereinzelten (zumindest teilweise gerechtfertigten) Vorwürfen ausgesetzt, sich sehr auf seine Heldenstory zu verlassen, diese fängt die Inszenierung aber nicht zuletzt dadurch auf, dass auch zahlreiche Schrecken des Krieges ungeschönt auf den Zuschauer einwirken. Der Hunger der Soldaten wirkt allgegenwärtig, statt heldenhafter Tode sieht man junge Soldaten, die qualvoll verbluten, Leichen werden von Ratten zerfressen und an der Front erleidet ein Offizier im Rang eines Captains einen Nervenzusammenbruch. Selbst wenn die beiden Soldaten mal anhalten, etwa um etwas zu trinken, hat man jederzeit das Gefühl, dass gleich etwas Schlimmes passieren wird - auch weil die Kamera so nah dran ist, dass man kaum den Überblick hat, was drumherum geschieht.
Aber gerade das ist es, was den Film so intensiv macht, und die Kamera ist es auch, die im Vorfeld für den meisten Gesprächsstoff sorgte: Kameramann und Altmeister Roger Deakins, der mit "Blade Runner 2049" den längst überfälligen Oscar für die beste Kamera gewonnen hat, dürfte auch hierfür ganz weit vorne mitspielen, wenn die nächsten Preise verliehen werden. Denn die womöglich spektakulärste Leistung dieser Verfilmung liegt in der visuellen Ausgestaltung. Präsentiert wird das Geschehen in einer Reihe versiert umgesetzter Plansequenzen, die durch eine behutsame Montage aneinandergefügt wurden. Deakins übertrifft sich einmal mehr selbst und beweist erneut, dass er in vielen seiner Filme keineswegs nur Handwerk, sondern vielmehr visuelle Kunst abliefert. Bei "1917" wurde mit der Illusion gespielt, dass alles ohne Schnitt gedreht wurde. Das ist hier besonders wichtig, da der Eindruck eines Echtzeitgeschehens entsteht und damit einer unglaublichen Dringlichkeit. Der Zuschauer schaut hier nicht nur einfach zu, wie zwei Soldaten durch Feindgebiet laufen, schleichen, manchmal auch rennen. Die Zuschauer sind mitten dabei, bekommen ebenso wenig wie die beiden Soldaten ein bisschen Ruhe von dem Inferno. Und wenn eine Passage mal ruhig ist, dann ist sie von so eindringlicher, trauriger Intensität, dass es einem die Tränen in die Augen treibt.
Über den Krieg an sich sagt das dann kaum etwas aus. Das Spektakel ist teilweise so unübersichtlich, dass man im Anschluss eher weniger als mehr weiß. Mendes lässt dem Publikum auch keine Zeit, wirklich mal etwas sacken zu lassen, selbst die emotionaleren Momente werden bald von der Hektik eingeholt. Doch was als Historienfilm letztendlich zu dünn ist und selbst vielleicht nur als Kurzfilm hätte abgehandelt werden können, wird zu einem Erlebnis, das man so bald nicht wieder vergisst, selbst wenn man dies will. "1917" schafft es, das albtraumhafte Kriegsgefühl auf das Publikum zu übertragen, zu suggerieren, dass jeder Moment der letzte sein könnte und selbst wenn der Abspann bereits läuft, braucht es eine Weile, um das Gesehene verarbeiten zu können. Dazu gibt es Aufnahmen, die mal dreckig, dann wieder gespenstisch schön sind, unmittelbar Teil des Lebens und gleichzeitig erschreckend surreal. Mit "1917" legt Regisseur Sam Mendes einen Kriegsfilm vor, der im
visuellen Bereich zu den bemerkenswertesten seines Genres gehören
dürfte. Ein Pflichtfilm.
9/10
Von UNIVERSAL kommt der Film im Steelbook, welches den Film sowohl als 4K Ultra-HD Blu-ray
und auch als Blu-ray enthält.
Quellen:
Inhaltsangabe: Universal Pictures
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