Freitag, 3. Januar 2020

バトル・ロワイアル - Batoru Rowaiaru - Battle Royale (Extended Cut) (2000)

https://www.imdb.com/title/tt0266308/

In einem totalitären Japan der Zukunft führt die Regierung zum Millenium eine Erziehungsreform durch und erlässt das BR-Gesetz, kurz für Battle Royal. Im Zuge dessen wird regelmäßig eine Schulklasse Neuntklässler ausgewählt, um sie auf eine abgelegene Insel zu bringen. Dort müssen die Jugendlichen rund um Shuya Nanahara (Tatsuya Fujiwara) im Kampf gegeneinander antreten und sich gegenseitig töten, bis nur einer von ihnen übrig bleibt. Eine explosives Halsband hält sie vom Regelverstoß ab und beendet das Spiel blutig, wenn es nach drei Tagen keinen Sieger gibt. Also gehen die Teenager mit unterschiedlichsten Waffen aufeinander los und versuchen, auf dem unbekannten Terrain zu überleben.

Die letzte Arbeit des zur Entstehungszeit bereits 70-jährigen Kinji Fukasaku verhalf dem Regisseur zu spätem internationalen Ruhm, löste in Japan aber auch eine bis in höchste parlamentarische Kreise reichende Diskussion über filmische Gewaltdarstellungen und deren mögliche Nachahmungseffekte aus. Mit der Geschichte über notgedrungen mordende Schüler, deren erbitterter Überlebenskampf keinen Raum für dystopische Young-Adult-Romantik lässt, verhandelt "Battle Royale" das vor dem Hintergrund schulischer Amokläufe besonders heikle Motiv der Menschenjagd als Variante staatlich verordneter Teenager-Todesspiele (im Film "BR-Gesetz" genannt). Kinji Fukasaku findet dafür kontroverse und angemessen unverdauliche Bilder, die vielerorts zu einer Zensur seines Films führten. Hierzulande wurde er von vornherein marginalisiert. Eine FSK-Freigabe gab es selbst für die stark gekürzte (fast 8 Minuten!) und zügig auf den Index gesetzte Verleihversion nicht, die ungeprüfte Originalfassung war zeitweise sogar bundesweit beschlagnahmt.

Ironischer- wie bezeichnenderweise blieb die eigentliche Brutalität des Films durch Kürzungen seiner insgesamt überschaubaren Splatterszenen ohnehin unberührt. Verstörend sind in "Battle Royale" nicht unbedingt die aus Hälsen schießende Blutfontänen, sondern die dargestellten und oft auch nur angedeuteten Unterdrückungsstrukturen der heranwachsenden Figuren. Sie haben zwar etwas mit der Art zu tun, wie diese Jugendlichen auf ihre Extremsituation reagieren, ob sie den erzwungenen Kampf gegen die Schulkameraden aufnehmen oder das Spiel ganz einfach nicht mitspielen (etwa durch Freitod gleich zu Beginn). Doch wird der Zusammenhang von Ausgrenzungserfahrungen und schließlich vereinzelt ausgelebten Allmachtsfantasien andererseits nicht überstrapaziert: Statt die Teenager zu psychologisieren und ihr Verhalten unbedingt begreifbar zu machen, vermittelt Kinji Fukasaku lediglich eine Ahnung der nun doppelt und dreifach durcheinander geratenen Gefühle. So gerinnen Dinge, die nicht nur in einem bestimmten Alter die Welt bedeuten können (Gruppenbildung, Liebeleien und Eifersüchte, elterliche Vernachlässigung), zum Antriebsmotor drastischer Bewegungen, ohne moralischen Einfluss auf die teils irrationalen und gerade deshalb glaubwürdigen Handlungen der Figuren zu nehmen. "Battle Royale" meint es ernst mit sich und ihnen, mit seiner Geschichte und dem Publikum.

Ein verstörender Film also, in sehr eigener Weise unheimlich. Die Menschenjagd-Thematik, auf die sich das Kino wiederholt bezieht, wirkt in seiner mit 15-jährigen Schülern durchgespielten Abwandlung besonders finster. Organisiert werden die rituellen Teenagermorde von einem System, das gerade nicht glaubt, alles Zivilisatorische aufzugeben, sondern das Abschlachten zum Spiel von Recht und Ordnung erhebt (während Takeshi Kitano als geradezu tiefenentspannter "Spielleiter" tut, was dieses System ihm eben aufträgt). Die grausam-schlüssige Logik solcher Zukunftszerrbilder entwirft ein faschistisches System, das militärisch und medial so effizient durchorganisiert ist, dass es aller Widersprüchlichkeit zum Trotz hochentwickelt erscheint. Vielleicht wurde "Battle Royale" deshalb oft Satire genannt, wurde mit bemühten Zustandsbeschreibungen und unkonkreten Begriffen wie Gesellschafts- und Sozialkritik als Gegenwartsmetapher gedeutet. Dem liegt ein verständlicher Reflex zugrunde, der intelligentem Genrekino, das weder seine Pulp-Ursprünge noch B-Movie-Anleihen kaschiert, große Bedeutung verleihen und auch das etwas schuldige Vergnügen daran legitimieren soll - zu schnell wird einem Film wie "Battle Royale" bekanntlich das Stigma dämlicher Exploitation angeheftet. 

Wozu Überhöhungen solcher Themen hingegen auch führen können, demonstrierte die gründlich missratene Fortsetzung "Battle Royale II", in der die zum "heldenhaften" Widerstand formierten Schüler plötzlich wie islamistische Terrormilizen gegen eine kapitalistische Übermacht kämpfen. Betrachtet man den ungleich weniger infantilen Vorgänger auf einer Ebene, die zu verlassen Kinji Fukasaku selbst vermeidet, die seiner perspektivisch eingeschränkten Figuren nämlich, offenbart er sich als unerwartet intimes Actiondrama: Jugendliche ohne äußere Bezugspunkte und nicht die falsche Epik des größeren politischen Entwurfs stehen im Mittelpunkt. Damit unterscheidet sich "Battle Royale" zugleich deutlich von "Die Tribute von Panem - The Hunger Games", seinem vergleichsweise keimfreien Hollywoodpendant. Anders als die auf einer populären Jugendbuchreihe basierende Kinoserie arbeitet er nicht mit leichtfertigen Identifikationsangeboten und braucht auch keine Helden- oder Liebesgeschichte. Wo "The Hunger Games" die zum Töten gebrachten Jugendlichen mit Skizzierungen durchaus mordlustiger Spielantagonisten nur in Gegensätzen zu denken versteht (Mitfiebern statt Ausharren), erweist sich der einzige tatsächliche Bösewicht in "Battle Royale" als Überlebender einer früheren Schlacht. Dieses Monster haben ganz allein die Erwachsenen erschaffen. Und Regisseur Kinji Fukasaku gelingt es eine beeindruckende Balance zwischen gewaltüberladener Sozialkritik und mitreißender Unterhaltung zu kreieren. "Battle Royale" hat dabei an seiner Aussage nicht an Aktualität eingebüßt.

9/10

Von CAPELIGHT PICTURES/NSM erschien der Film hierzulande in HD in der "Ultimate Edition" mit tonnenweise Bonusmaterial, dem Film in 3D und einem tollen Mediabook:

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen