https://www.imdb.com/title/tt4555426/
Erst wenige Tage im Amt, steht der neue britische Premierminister als
Nachfolger von Neville Chamberlain (Ronald Pickup) 1940 vor einer
Mammutaufgabe. Die gegnerische Streitmacht stürmt West-Europa, die
Niederlage gegen Nazi-Deutschland ist beinahe schon besiegelt – also
steht Winston Churchill (Gary Oldman) unter Druck, einen Frieden mit
Adolf Hitler zu verhandeln, der Großbritannien zu einer Marionette des
Dritten Reiches machen würde. Während die britische Armee in Dünkirchen
strandet, beweist Churchill Courage und kämpft weiter. In seiner wohl
dunkelsten Stunde als Premier muss er den baldigen Einmarsch der Nazis
verhindern, sich gegenüber seiner eigenen Partei und dem skeptischen
König George VI. (Ben Mendelsohn) durchsetzen, seine Nation vereinen,
kurz: den Lauf der Geschichte entscheidend ändern…
Winston Churchill löst im Mai 1940 Neville Chamberlain als
Premierminister ab. Das Biopic "Die dunkelste Stunde" dreht sich im Wesentlichen um die ersten
vier Wochen seiner Amtszeit. Die legendäre Radioansprache, Dünkirchen
und schließlich die sagenumwobene Ansprache im Unterhaus, stechen als
markante Ereignisse heraus. Schauspielerisch verkörpert Gary Oldman den
kauzigen, trinksüchtigen, grantigen und unnachgiebigen Kerl ziemlich
perfekt. Somit gab es auch zurecht zwei verdiente Oscars für den besten
Hauptdarsteller sowie fürs Make-up. Oldman als Winston Churchill ist kaum wieder zu erkennen.
Dennoch stellt er den beleibten Neurotiker, der gern im Bett liegend seine
Zigarre rauchte und seine Sekretärin tyrannisierte, wenn sie auch nur
den falschen Zeilenabstand in der Schreibmaschine einstellte, wunderbar
dar. Vordergründig geht es darum, Churchills Privatleben und seine
Auseinandersetzungen mit anderen Politikern und dem König in den Wochen
nach Amtsantritt darzustellen. Ersteres wird durch eine resolute Kristin
Scott Thomas als seine Frau ergänzt, die ihm hilfreich zur Seite steht.
Dieser Nebenaspekt ist gelungen, doch man verzettelt sich im Gros mit
zu langen Diskussionen um den richtigen politischen/militärischen Weg,
sowie mit Paktiererei der Gegner (die ihn absetzen wollen), was den Plot
unnötig zäh gestaltet. Hier wäre weniger mehr gewesen, zumal sich die
Laufzeit damit auf volle zwei Stunden zieht und diese Dialoge ohnehin
fiktiv sind, mit zum Teil sich wiederholenden Inhalten.
"Die dunkelste Stunde" ist dialoglastig, aber immer lebhaft und
emotionsgeladen und die Performance der Darsteller ist einzigartig, von
vorne bis hinten. Dennoch ist zu konstatieren, dass der Film gerade Menschen, die sich nicht oder nur wenig mit der Materie auskennen, in seiner
Gesamtheit stark überfordert: vor allem der historische Kontext ist deutlich zuviel und setzt auch zu viel beim Zuschauer voraus. Immerhin kam der
Film relativ knapp nach "Dunkirk", wodurch die dort erwähnten Punkte und
die Lage in Dünnkirchen einigermaßen präsent war. Dennoch ist der Gesamtzusammenhang nur schwer zu erfassen. Vorsicht ist also geboten, denn man sollte sich im Optimalfall ein
wenig mit der Materie auskennen oder zumindest ein Grundinteresse dafür
aufbringen können.
Mitreißende, symbolische Szenen findet man zu Hauf,
allerdings fehlt oftmals die Verbindung zwischen den episodischen
Erzählungen - eher abgehackt und wie eine sketchartige Personenzeichnung
von Churchill wirkt dadurch der Film. Wobei das wahre
Highlight in der Szene sichtbar wird, in der Churchhill sich in eine normale Bahn
setzt und das Volk um seine Meinung bittet. Alleine das, aber vorrangig
die energiegeladene Vorstellung Oldmans machen den Film vergnüglich,
interessant und selbst wenn man nicht alle Zusammenhänge soweit
hinkriegt, spannend.
Allenfalls ist es natürlich wieder so ein Quentchen pathetischer
Überbetonung, die an mancher Stelle die Brisanz und Bedeutung jenes
herrschenden Moments zu betonen versucht. Ob nun bei den Stellen über
den befürchteten Fall von Dünkirchen, die Fahrt in der U-Bahn und so
manch intim gemeinte Stelle. "Die dunkelste Stunde" bleibt dennoch ein durchweg spannungsgeladener Blick auf einen
streitbaren Charakter, der die große Bürde trug, den Landmännern und
-frauen die Notwendigkeit des Durchhaltens und der Kriegsführung gegen
die Deutschen näherzubringen. Natürlich muss Spannung in diesem Kontext
anders definiert werden. Damit ist dann eben keine atemlose Dramaturgie
gemeint, die im Minutentakt neue Zerwürfnisse und Katastrophen
aufziehen lässt. Spannend ist an "Die dunkelste Stunde" vor allem die Tatsache, welche
Machtspiele im Angesicht des Krieges geführt wurden und wie der
knurrige Churchill oftmals mit dem Rücken zur Wand stand.
Womit der Film sicherlich als Charakter-Porträt nicht allumfassend
und derart komplex ausgefallen ist, dass sich, auch Nicht-Kennern der
Biografie, derart neuartige Erkenntnisse erschließen mögen. Allerdings
funktioniert der Film schon so wie er ist. Als ein Auszug aus den Tagen,
als viele Mächtige meinten, der Sturm sei noch abwendbar, wenn sie doch
schon beinahe in dessen Mitte standen. Letzten Endes unterwirft sich „Die dunkelste Stunde“ dramaturgischen
Regeln und erklärt Churchill zum Helden, der er wohl nur bedingt war.
Doch dass Drehbuchautor Anthony McCarten eine emotionale, positive Abrundung anstrebt, ist völlig
legitim. Wie kontrovers der Premierminister und seine Politik waren,
scheint zur Genüge durch. Und selbst, wenn man vor den pathetischen
Momenten zurückschreckt, bleibt ein entscheidendes Argument für den
Film: Gary Oldman.
8/10
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