Becky (Ricarda Seifried) und ihr Freund Tommi (Thomas Schubert) leben in einer viel zu kleinen und schmuddeligen Wohnung in Köln und sind zunehmend frustriert und gelangweilt von ihrem Leben. Auch ihr Sexleben ist nicht so, wie sie es sich wünschen. Und eigentlich hält es das vermeintliche Paar kaum zusammen aus. Die beiden träumen allerdings davon, als Terrorzelle Ausländer zu bekämpfen und damit landesweite Aufmerksamkeit zu erregen. Doch erst als der ebenfalls rechtsradikale Maik (Jean-Luc Bubert) zu ihnen stößt, nehmen diese Pläne plötzlich Gestalt an. Als er zum passiven Duo stößt, ändert sich die Dynamik der Gruppe, die angeblich nach Ehre, Stolz und Loyalität strebt. Nachdem Becky, Tommi und Maik willkürlich ausgewählte Ausländer ermorden, feiern sie exzessiv und beginnen, sich selbst zu überschätzen. Ihre menschenverachtenden, radikalen Vorstellungen gehen über alle Grenzen...
Das von Jan Bonny verfilmte, abscheuliche und grimmige Portrait über den geistigen Bodensatz der Gesellschaft zeigt die alternativlos Abgehängten Deutschlands. Eine äußerst unangenehm anzuschauende Collage aus Sex, Suff und
Rassismus. Ein radikaler Schlag in die Fresse der üblichen
Sehgewohnheiten und keine pädagogisch wertvolle oder gar intellektuelle
Analyse. Aber das will der Film auch gar nicht bieten. Mit der versifften, dreckigen, düsteren Atmosphäre, getaucht in Blut, Korn, Bier und Sperma, mit seinen herumtorkelnden Protagonisten mit leerem Blick und einer Hartz-IV-Wohnung, in der eine Matraze das ganze Bett ist, bedient "Wintermärchen" aber auch genau die Vorstellung, die man von solchen Leuten hat. Dass dies der beste Nährboden für Gewalt und vor allem Rassismuss, entstanden aus Frust, Vorurteilen, Neid, Unzufriedenheit und der eigenen Situation, ist, führt einem der Film vors Auge. "Wintermärchen" klagt nicht an. Es ist eine Bestandasaufnahme. Seine beinahe farblosen, Depressionen hervorrufenden Bilder sind niemals schön oder gar ästhetisch reizvoll. Bis zur Selbsterniedrigung spielen sich die
Darsteller ihre Seele aus dem Leib und bringen alles Hässliche ans Licht. Die
verwackelte Kamera, die halbdunkle Beleuchtung und der rohe Schnitt
beobachten sie dabei. Distanz lässt der Film kaum zu, das Unangenehme
überträgt sich beinahe physisch auf den Zuschauer, der sich in manchen Szenen ebenso beschämt wie voyeuristisch vorkommt. Gewalt dient nur einem: Befriedigung. Sex ist dem längst gewichen.
Bleibt die Frage, was in den Köpfen von (mäßig) organisierten Neo-Nazis vor sich geht. Regisseur Jan Bonny beantwortetet diese Frage ebenso plakativ wie schlicht: Nichts, rein gar nichts. Es sind brutale Täter, die nur dumm vor sich her reden. Wenn man ihnen zuhört, sie verstehen will, findet man keinen Konsenz, nur blanken (Selbst-)Hass, ohne tiefen oder höheren Sinn. Die Bösartigkeit ihres unmenschlichen Handelns bekommt nur in wenigen Szenen eine psychologische Ursache, die dann in ihrer Vergangenheit verortet ist. Und hier ist das Politische, das Private. Denn diese Art von dumpfer und moralischer Abstumpfung passiert nicht im Film. Es passiert mitten in unserer Gesellschaft, es ist der Nährboden für (gewalttätigen) Rassismus. Das ist brutal frustrierend. Einen Diskurs strebt der Film nicht an, er beobachtet wertend. Und hinterlässt defintiv einen bleibenden Eindruck. Wie ein Autounfall. Man will das eigentlich nicht sehen, weil es unangenehm ist. Aber man bleibt doch am Ball. Ja, "Wintermärchen" ist radikales Kino. Und mögen muss man das nicht.
7/10
Quellen:
Inhaltsangabe: Lighthouse
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