Der Film spielt in einer dystopischen Zukunft ausschließlich in einem Gefängnis mit dem titelgebenden Namen "Der Schacht", von der Verwaltung "Vertikales Zentrum für Selbstverwaltung" genannt. Es ist ein Turm, in dem die Zellen, die jeweils von zwei Insassen bewohnt werden, übereinander liegen. Die Insassen erhalten bei Aufnahme einen neuen Namen und dürfen einen Gegenstand mit hineinnehmen. Jede Zelle ist identisch aufgebaut und minimalistisch eingerichtet: An zwei gegenüberliegenden Wänden befindet sich jeweils ein Bett, an einer weiteren Wand eine Toilette und ein Waschbecken, gegenüber ein rotes und ein grünes Licht und in der Mitte des Bodens ein rechteckiges Loch. Auch Goreng (Ivan Massagué) wacht eines Tages in diesem Gefängnis auf - im 48. Stock. Doch jeden Monat ändert sich die Ebene von ihm und seinem Mitinsassen. Als sie sich weiter unten wiederfinden, müssen sie ums Überleben kämpfen, denn die Ausgehungerten kämpfen dort mit immer radikaleren Mitteln um das letzte bisschen Essen...
"Es gibt drei Arten von Leuten: die von oben; die von unten; die, die fallen." - Trimagasi: erste Worte im Film
Der spanische dystopische Horrorthriller "Der Schacht" lehnt sich vordergründig an die Handlung von Vorgängern wie "Cube" an und lässt natürlich alleine schon deshalb aufhorchen. Regisseur Gaztelu-Urrutia schafft durch die Konzeption des Settings eine beklemmende, klaustrophobische Atmosphäre, indem der Handlungsort sowohl eng als auch weit ist. Die Insassen können den Schacht hoch und herunter schauen. Diese Bilder zeigen die scheinbare Endlosigkeit der Struktur. Dass niemand weiß, wie groß der Turm tatsächlich ist, trägt nur zu seiner Größe bei. Zugleich wird der Raum und Bewegungsspielraum innerhalb der Zellen durch das Loch in der Mitte stark eingeschränkt, ebenso der Handlungsspielraum in Bezug auf die Plattform durch das Zeitlimit, wie lange sie auf einer Ebene bleibt und das Essen verfügbar ist. Es gibt schlicht nie genug Raum oder Zeit für die Figuren, um zu tun oder zu sagen, was sie müssen. Der Film ist durch die Einrichtung der Zellen in einer Minimalästhetik gestaltet und hauptsächlich in einem dunklen Steingrau gehalten.
Für den Kritiker Lucas Barwenczik ist "Der Schacht" eine kritische Allegorie auf den Kapitalismus mit einer Klassenhierarchie aus mehr Vermögenden (den Oberen) und Mittellosen (den Unteren); eine Parabel auf die Brutalität sozialer Ungleichheit, dessen Raumpoetik ein bitterböses Zerrbild der "Trickle Down Economics" entwirft". Frei nach dem Motto "Wenn weg, dann weg." Entsprechend dieser Prämisse liegt die These nicht fern, dass es sich bei der Inszenierung durch Regisseur Galder Gaztelu-Urrutia um ein filmisches Spottlied auf diese Theorie handeln könnte. Dabei wird zunächst der obersten Schicht die in diesem Umfeld härteste Währung zugeführt (hier Nahrung, im realen Leben eben Geld) – und zwar von außen, nicht durch eigenes Zutun. Durch eigene Arbeit wird hier kein Reichtum generiert, sondern nur durch die Abschöpfung anderweitig produzierter bzw. abgebauter Ressourcen (oder in der realen Welt eben zumindest durch entsprechende Investitionen). Wirklich produziert werden in den obersten Etagen nur Exkremente - die dann auch nach Herzenlust nach unten weitergegeben werden. Abgesehen davon dringen eben nur die Reste nach unten durch, die oben übrig gelassen werden. Völlig undurchsichtig erscheint dabei die Systematik, nach der die einzelnen Personen nach oben oder nach unten gespült werden. Fleiß und Redlichkeit scheinen ganz offenkundig nicht die entscheidenden Kriterien zu sein. Was aber dann? Das Erkennen einer inneren Logik oder vielleicht doch purer Zufall? Dem Protagonisten ist es jedenfalls nicht vergönnt, dieses Geheimnis zu ergründen.
Die Wahlgegenstände der beiden Zellenbewohner sind Dinge,
deren Unterschied plakativer kaum sein könnte: Ein Buch und ein Messer.
Die Ironie an der Sache: Als nutzlos für ihre ursprünglichen Besitzer
erweisen sich letztlich beide. Ab einem gewissen Punkt ist es eben ganz
offenkundig auch egal, ob man die Feder oder das Schwert wählt. Bei ihrer
freiwilligen Fahrt nach unten versuchen es zwei Insassen auf ihrem
Höllenfahrtskommando mit einer Kombination aus beiden und kommen
damit immerhin - wenn auch mehr schlecht als recht - ans Ziel. Dieses
liegt bemerkenswerterweise im 333. Untergeschoss, was auf eine
rechnerische Belegung von 666 Insassen schließen lässt. Wie schon
eingangs erwähnt: Der Mensch ist eben des Menschen Biest. Man könnte auch argumentieren, das Kind wäre der 665. Insasse. Der
letzte Tropfen zum Überlaufen des Fasses fehlt also (zumindest derzeit)
noch. Am Ende steht somit die Hoffnung in Person eines Kindes (als
Vertreter einer ganzen Generation). Wohlgemerkt ein Kind, das sich
offenbar selbst schon lange innerhalb dieses Systems bewegt und darin
a-sozialisiert wurde. Kann diese Hoffnung zu irgendetwas führen?
Man weiß es nicht. Dementsprechend bleibt das Ende dann auch offen. Denn
die Hoffnung stirbt zuletzt. Zumindest vielleicht.
Als außerdem bemerkenswert erweist sich der Score, der nicht nur eine adäquate Atmosphäre setzt und abstrakte Kategorien wie Spannung, Unbehagen oder Zeitdruck hörbar macht, sondern in seiner schrulligen Art auch noch in Sachen Kreativität Akzente setzt. Natürlich sollte man nicht unerwähnt lassen, dass auch eine ganze Reihe von Fragen offen bleibt: Wie lange befindet sich das Kind schon in der untersten Ebene und wie ist es überhaupt in den Schacht gelangt? Wo befand es sich während der vorherigen Zyklen? Weshalb wird der Aufzug eine Weile im Keller zwischengeparkt? Müsste dort nicht eigentlich alles zugemüllt sein oder traut sich womöglich sogar Personal dorthin? Diese Liste ließe sich nach Belieben fortsetzen. Unter dem Strich erweist sich "Der Schacht" als kleines, dreckiges Kammerspiel, das ganz gewiss nicht frei von Fehlern ist und eine ganze Reihe von Ecken und Kanten aufweist, mit seiner politischen Agenda und ganz besonders mit der unbehaglichen Atmosphäre aber auch das eine oder andere Merkmal setzt. Gerne mehr davon.
7,5/10
Quellen:
Inhaltsangabe: Netflix
Textauszüge: Wikipedia
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen