http://www.imdb.com/title/tt5215952/
In Goksung, einem kleinen Ort abseits der großen Stadt Seoul, stimmt etwas ganz und gar nicht: Familienangehörige gehen aufeinander los, bis es
Tote gibt. Manche Dorfbewohner begehen Selbstmord – und die, die besser dran sind, bekommen merkwürdige Ausschläge auf der Haut. Ist der mysteriöse japanische Fremde (Jun Kunimura) schuld, der in seiner abgelegenen Waldhütte verdächtige Rituale durchführt? Polizist Jong-gu (Kwak Do-Won) bleibt nicht viel Zeit, die Vorfälle zu klären, den er ist persönlich betroffen: Seine kleine Tochter hat sich verändert, benimmt
sich von Tag zu Tag rätselhafter. Während Jong-gu zunächst im Dunkeln tappt, ist die Sache für den koreanischen Schamanen Il-gwang (Hwang
Jeong-min) klar: Ein Dämon muss im Dorf sein! Also beginnt Il-gwang mit der aufwändigen Austreibung...
Das südkoreanische Kino offenbart einen weiteren Meister seines Fachs, der mal eben so in die Fußstapfen von Park Chan-Wook und Bong Joon-ho tritt. Regisseur Na Hong-jin's "Chaser" (2008) und "The Yellow Sea" (2010) stellten bereits das Talent dieses großartigen Regisseurs unter Beweis und stellten klar, dass er einen ganz natürlichen Instinkt für elektrisierende, spannende Erzählungen hat, die nicht ganz gewöhnlich und eben nicht von der Stange kommen, sondern verschiedene Genreelemente in einem großen Ganzen vereinen. Und Na Hong-jin lässt ebenjene Intensität über den Rand des Abgrunds von Angst und Aberglauben über den Zuschauer in seinem neuen Film, "The Wailing", hereinbrechen.
Rein inszenatorisch erinnert "The Wailing" an "Memories Of Murder" und zieht den Zuschauer durch eine Reihe von Ereignissen zu Beginn sofort in seinen Bann. Dabei schafft es Hong-Jin, dass sich der Film ganz anders anfühlt, als die Beschreibung vermuten ließe - irgendwie komödiantisch und typisch asiatisch übertreibt hier der Protagonist seine Arbeitsweise, ohne dabei ins allzu lächerliche abzudriften, aber dabei sogar noch etwas Slapstick zu offenbaren.
Der Film beginnt. Morde geschehen. Für Detective Jong-goo (großartig und vor allem überzeugend und glaubwürdig gespielt von Kwak Do-won) ein großer Fall in diesem verschlafenen Vorort Goksung, aber anscheinend nicht groß genug für ihn, um das Haus zu verlassen, ohne zu frühstücken. Dieser Humor verwirrt. Ist dies nicht ein Horror-Thriller? Doch Hong-Jin ist ein Genie. Er verlässt die humoristische Ebene nach einer ganzen Weile eher schleichend, ohne dass der Zuschauer es merkt und nimmt ihn mit auf die Spuren eine rituellen Exorzismus bis hin zum okkulten Thriller, bei dem am Ende gar nichts mehr so ist wie es anfänglich schien. Beim Exorzismus wackelt das filmische Konstrukt etwas und die Fassade beginnt zu bröckeln, doch gerade rechtzeitig reißt Hong-Jin das Ruder herum und macht aus dem anfänglich sehr humorigen Film einen bösen Horror-Thriller, von dem man längst vereinnahmt wurde. Das dreckig-diesige Setting tut dazu sein Übriges. Ständig schwelt ein bedrohliches Etwas im Hintergrund, welches sich wie ein unangenehmes Gefühl über die Szenerie legt, ohne das man genau weiß, worauf sich dieses Gefühl gründet.
"The Wailing" ist dabei kein grotesk-blutiger Streifen (wie man sie von Filmen wie "I Saw The Devil" oder sogar "A Tale Of Two Sisters"
kennt), obwohl es einige blutige Stellen gibt. Der Horror spielt sich -
wie so oft im asiatischen Kino - in den Köpfen der Zuschauer ab. Mit
der passenden musikalischen Untermalung von Dalpalan bildet der Film ein in sich stimmiges Werk.
Typisch ist auch die Sprachgewalt und der asiatische Stil, einer Sache
auf die Spur zu kommen. Es geht stellenweise sehr hart zu, aber mit viel
Geschick wird der finale Twist dieser bizarren, zweideutigen Handlung
umschifft, der dem Zuschauer dann endgültig einen Schauer über den
Rücken jagt. Oft als comichafte Farce verpackt versteht es der Film
obgleich seiner Laufzeit von 153 Minuten den Zuschauer von Anfag bis
Ende zu fesseln - mit lediglich einem kleinen Durchhänger im Mittelteil.
"The Wailing" ist eine Erzählung von einer seltsamen, mörderischen,
Wut-induzierenden Krankheit, die in einem abgelegenen Dorf, das von
schroffen Bergen flankiert ist, auftaucht: der Ort heißt Goksung, ein
Name, der den Titel des Films trägt und der in den chinesischen
Schriftzeichen, die seinen Namen bilden, verschachtelt ist. Hong-Jin
hätte diese Story sicher auch in 90 Minuten abdrehen können, doch er
füllt die zweieinhalbstündige Laufzeit mit einer ganzen Fülle an
Intrigen, Rätseln und Mysterien. Dabei strukturiert er die Geschichte
wie eine polizeiliche Prozedur, bei der man von Beginn an an den
Ermittlungen beteiligt ist. Intensiv, überraschend und innovativ erzählt "The Wailing" von einer Seuche, die sich als Dämonenwerk entpuppt. Was ganz anderes und einfach richtig gut. Ein Genrefilm, der sich selbst beinahe schon zur Kunstform erhebt.
7,5/10
Danke an das Label Pierrot Le Fou, welche mir den Film zum Review zur
Verfügung gestellt haben. "The Wailing: Die Besessenen" ist ab dem 12. Oktober 2017 im Kino zu sehen und wird im Frühjahr 2018 auf DVD, BD und im limitierten Mediabook im Handel erhältlich sein.
"Pierrot Le Fou UNCUT #11", so lautet der Editionsname des limitierten
Mediabooks, welches den Film in der ungeschnittenen Fassung
enthält:
Quellen:
Inhaltsangabe: Pierrot Le Fou
Poster/Artwork: Pierrot Le Fou
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