http://www.imdb.com/title/tt2543164/
Zwölf Alien-Raumschiffe landen auf der Erde, jeweils in
unterschiedlichen Regionen. Die Menschen versuchen, mit den
Außerirdischen zu kommunizieren, aber niemand versteht die walartigen
Laute, die von den Aliens abgesondert werden. Im Auftrag der
US-Regierung stellt Colonel Weber (Forest Whitaker) darum ein Team um
die Linguistin Louise Banks (Amy Adams) und den Physiker Ian Donnelly
(Jeremy Renner) zusammen, das eine Kommunikation mit den fremden Wesen
herstellen soll, um deren Absichten in Erfahrung zu bringen. In Montana,
wo eines der Schiffe über dem Boden schwebt, machen sich die beiden an
die Arbeit – er, der rationale Naturwissenschaftler mit klarer Ansicht
zu den Dingen, sie mit ihrem Sprachverständnis und ihrer ansteckenden
Entdeckungsfreude. Doch bald beginnt ein Rennen gegen die Zeit, bei dem
es um nicht weniger als den Fortbestand der Menschheit geht...
Basierend auf der spannend klingenden Kurzgeschichte "Story Of Your Life" von Ted Chiang, inszeniert der großartige Regisseur Denis Villeneuve mit "Arrival" einen
ruhigen, leicht melancholischen Alien-Film, bei dem die Aliens im Grunde
genommen nur die zweite Geige spielen. Im Zentrum der Geschichte steht nämlich mal nicht der ausserirdische Erstkontakt
und dessen Auswirkungen auf die Welt (von ein paar plakativen und wenig innovativen "Fragen nach dem Gegeneinder oder Miteinander"-Momenten mal ganz abgesehen) sondern das Leben von Dr. Louise Banks (Amy Adams). Wer also
mit der Erwartungshaltung an den Film geht, er bekomme spannende und phantasie-/actiongeladene Unterhaltung im Aufeinandertreffen zwischen Menschen und Außerirdischen
geboten, dürfte sicher enttäuscht werden.
"Arrival" bietet etwas völlig anders. Etwas, das vorher so noch nicht da war. Hier muss die Menschheit erkennen, dass sie - nach all den
Erfahrungen, die sie im Lauf der Vergangenheit mühsam gesammelt hat –
diesen schicksalhaften Punkt erreicht und nicht einmal dazu in der Lage
ist, "Hallo" zu sagen. Es ist frustrierend und verblüffend, genauso wie
der Film selbst, der vor seiner immensen Bedeutung nahezu selbst
erzittert. Letzten Endes darf er das aber auch, weil es so unfassbar
wichtig ist, den Dialog anzustreben und in der Kommunikation eine Lösung
zu finden.
Die Faszination von "Arrival" beruht vor allem auf einer unglaublich dichten Atmosphäre. Die meiste Zeit gibt es non-verbale Kommunikation über kreativ
ausgearbeitete Kalligraphien welche auf - zu Beginn - unverständliche
Traumsequenzen der Hauptprotagonisten treffen. Hier wird erneut schnörkellos in einer abgestimmten Symbiose aus in sich
ruhenden Bildern und unterschwellig wirkender Musik Spannung und Interesse aufgebaut. Dafür
nimmt sich Villeneuve wie in all seinen Filmen viel Zeit, was sich im Laufe der Geschichte auszahlen wird. Man kann sich als Zuschauer in diese
klassische Sci-Fi-Geschichte bereitwillig hineinziehen lassen, die man anfangs genauso ahnungslos wie die
Protagonistin selbst verfolgt und mit ihr gemeinsam erst mit zunehmender
Laufzeit an Sicherheit in dieser neuartigen Ausnahmesituation gewinnt. Durch die stimmige Atmosphäre und die unruhestiftenden Bässe
wird dem Zuschauer keine Ruhe vergönnt und lange ist die Richtung, in
die der Film gehen wird, vollkommen unklar. Das korreliert mit dem
Wissensstand der Protagonistin, was insgesamt richtig toll umgesetzt ist.
Besonders im Gedächtnis bleibt die Ankunft im Forschungscamp, bei
der die Unruhe, die Hektik, mit der eine solche "Begegnung der dritten
Art" zwangsläufig verbunden sein muss, richtig spürbar ist. Man merkt,
dass alles 'auf der letzten Rille' läuft, wie ein Bienenschwarm - nur
nicht halb so gut organisiert - versucht der Mensch, das Beste aus der Situation zu
machen. Die Zivilisten sind dabei mit der Situation noch stärker
überfordert als die Militärs und man selbst ist hautnah dabei. Mehr oder
weniger hilf- und ratlos steht man in einem 500m hohem, halben Ei
aus unbekanntem Material gegenüber, was durch seine stylische
Schlichtheit und Funktionalität alles und nichts über seine Erbauer
aussagt. Von aussen ist kein Einlass zu sehen, kein Fenster, kein Licht, keine
Scharniere. Ein kompletter, dichter Körper. Eine Faszination für sich.
Und es fallen im Folgenden noch ein paar weitere Referenzen an "2001"
auf.
Visuell ist "Arrival" also wieder ein Leckerbissen. Nicht nur besticht das
Produktionsdesign durch wohldosierte
außergewöhnliche Ideen, auch die Kamera weiß, was sie will und zieht
ihre Charakteristiken (und der Handschrift Villeneuves) stringent durch
den ganzen Film. Auch wenn vor der Kamera alles zu eskalieren droht, sie
dokumentiert in aller Ruhe, was geschieht, und schafft so eine noch
bedrohlichere Atmosphäre, in der man nie weiß ob und wann sie kippen könnte. Amy Adams brilliert hier in
einer komplexen Hauptrolle mit einer eindrucksvollen Performance, die man ihr voll und ganz abnimmt. Auch Jeremy Renner und Forest Whitaker spielen ihre Rollen ansprechend und mit sichtbarer Hingabe äußerst interessant.
Die Herangehensweise welche Dr.
Louis Banks anwendet, um mit den Alienwesen zu kommunizieren, kommt der
Definition des linguistischen Thrillers sehr nahe. Mit kleinen Nuancen und Schritten
führt Villeneuve in die Erkenntnisse der
Anthropologie. Über außerirdische überdimensionale Wesen wird eine
Analyse dessen gegeben, wie unsere Sprache und damit verbunden auch
unser Denken sich über Prozesse entwickelt und heranreift. Wie muss
beispielsweise der soziale sowie textale Kontext sein, damit man
versteht, was ein "Fragezeichen" ausdrückt oder was uns veranlasst "you" zu "your" zu unterscheiden. Dieser Akt wird von Villeneuve
derartig originell und authentisch inszeniert, dass man sich als
Zuschauer selber dabei ertappt, Assoziationen aus dem Alltag im
Gedächtnis abzurufen, um die dargestellten Kommunikationswege
nachzuvollziehen. So wird in der ersten Hälfte des Filmes der Zuschauer
regelrecht auf natürlichem Wege aufgefordert mit Dr. Louis Banks eine
Reise durch das Linguisten Milieu zu machen, um schließlich heraus zu
finden, warum die Ausserirdischen denn überhaupt hier sind.
Und ab hier erschließt sich
einem dann, wieso Villeneuve so detaillierte Ausschweifungen in die Welt
der Kommunikation gemacht hat, wieso Wörter wie Palindrom, Theorien
über wie verschieden gesprochene Sprachen das Denken verändern können
oder Zeit nur eine relative Größe im Universum ist. All dies gibt dem
Zuschauer einen Nährboden seine eigenen Interpretationen nachzugehen und
mit seinen eigenen Gedanken das Finale für sich selbst zu
entschlüsseln. Einzelne Stücke des Filmes fügen sich in Gedanken zu
einem imposanten Ganzen zusammen. Abhängig wie man bestimmte Details von
Villeneuve assoziiert oder reflektiert hat geben einem eigene
Interpretationen über die "Waffe", das "Geschenk" oder die "geheime
Nachricht". So bleibt der Film immer ein versöhnlicher, in dem die Naturwissenschaft und ihre Oppositionisten sich
wieder vertragen, Supermächte Konflikte überwinden, indem sie ihre
eigene Menschlichkeit wieder entdecken, oder ganz einfach Mensch und Mensch sich durch eine höhere Macht, die
über alle Dimensionen geht, nämlich der Liebe, zueinander finden.
Bei einem solchen Plot, in dem gerade Assoziationen beim Zuschauer
erzeugt werden sollen, ist Villeneuve mit seiner atmosphärischen und
dramatischen Inszenierung der Richtige. Denn dadurch werden einem immer
wieder Freiräume geschaffen. Die Kamera und die wundervolle bedrohlich
klingende Musik, welche einem durch ihren vibrierenden tiefen Unterton
unter die Haut geht, runden das Erlebnis perfekt ab. Mit diesem Film hat
Villeneuve vieles richtig gemacht, zu bemängeln ist lediglich, dass
einige Stellen manchmal ein wenig zu aufgesetzt bzw. stockend daherkommen. Damit ist einer der befriedigendsten Aspekte an Villeneuves elegantem und
packendem "Arrival", dass es viele Alien-Invasion-Klischees auf
unerwartete Weise mit Intelligenz und Herz neu aufrollt. "Arrival" ist eben genau das, was man in unsicheren Zeiten braucht -
eine clevere Parabel über Aufgeschlossenheit und Vereinigung. Denis Villeneuve ist ein verdammtes Genie.
9/10
Von SONY Pictures Home Entertainment kam der Film auch im limitierten Steelbook. Dieses war bereits vor dem Tag der Veröffentlichung ausverkauft:
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