In der Welt des Jahres 2029 sind Mutanten Geschichte, beinahe jedenfalls: Der gealterte Logan alias Wolverine (Hugh Jackman) ist einer der wenigen verbleibenden Menschen mit außergewöhnlichen Kräften und verbringt seine Tage an einem verlassenen Flecken Erde nahe der Grenze zu Mexiko, wo er sein Geld als Fahrer verdient und ihm nur zwei weitere Mutanten Gesellschaft leisten: Caliban (Stephen Merchant) und Charles Xavier alias Professor X (Patrick Stewart), dessen einst so brillanter und mächtiger Verstand von regelmäßigen Anfällen heimgesucht wird. Doch Logans selbstauferlegtes Exil endet eines Tages abrupt, als eine mysteriöse Frau ihn darum bittet, sich um die junge Mutantin Laura (Dafne Keen) zu kümmern und diese in Sicherheit zu bringen. Bald schon muss sich der krallenbewehrte Krieger mit dunklen Mächten und einem Bösewicht aus seiner eigenen Vergangenheit auseinandersetzen, um Laura zu beschützen...
Der finale Teil der "Wolverine"-Saga zeigt, das es eben Ausnahmen in Filmreihen geben kann und eben nicht jeder Teil nach dem ersten automatisch schlechter sein muss. "Logan" basiert sehr lose auf dem "Old Man Logan"-Comic und wie schon bei "The Wolverine" übernahm James Mangold die Regie. Außergewöhnlich ist bei "Logan" nun, dass sich Mangold hier auch alleinig für die Story verantwortlich zeichnet, zusammen mit Scott Frank und Michael Green das Drehbuch schrieb und mit dem finalen Produkt zeigt, was aus einem Film werden kann, wenn das Studio dem Regisseur etwas Spielraum gibt und ihm freie Hand gewährt. "Logan" ist ein bedächtiges Stück Film und gleichzeitig - und das kann man kaum anders sagen - ein brutales Blutbad. Man kann hier wirklich überrascht (und erfreut zugleich) sein, dass der Film von der FSK mit dem Siegel "ab 16" freigegeben wurde. 17 Jahre lang verkörperte Hugh Jackman den wohl beliebtesten X-Men Wolverine in insgesamt 10 Auftritten und nun verabschiedet er sich aus seiner Paraderolle, durch die er weltweit Berühmtheit erlangte. "Logan" ist damit nicht nur ein Abgesang mit Neo-Noir und Western-Einschlägen, sondern einfach ein durchweg guter und ganz besonderer Superheldenfilm. Denn letzterer Gedanke kommt während "Logan" an vielen Stellen auf und man kommt schon jetzt nicht umhin zu erwähnen, dass "Logan" nicht nur ein perfekter Abschluss der "Wolverine"-Saga ist, sondern auch der beste Teil der Reihe und zudem ein Loblied auf Hugh Jackmans und dessen Charakter.
Hier passt alles: das Setting, die Grundstimmung, der ruhige, klavierlastige Score von Marco Beltrami - einfach alles. Der Fim selbst wirkt wie eine stilistische Verschiebung des gesamten Franchise. Logan, dessen Heilungsprozess sich nun im Laufe seines Lebens rapide verlangsamt hat, ist ein in die Jahre gekommener, gezeichneter Mann geworden und auch seinem alten Freund, Prof. Charles Xavier (Patrick Stewart) sieht man das Leiden seines Lebens an; er ist ein gebrochener, alter Mann. Dies bietet eine hervorragende Vorraussetzung für das was kommt, denn Logan schüttelt in einer letzten Konfrontation seine existentielle Last ab, tritt aus dem Schatten seiner selbst heraus und offenbart einen Mann mit engen Lächeln, dessen hartes Wesen nicht über seine geschundene Seele hinwegtäuschen kann. So etwas kannte man bisher nur von einem einsamen Westernhelden, verkörpert durch Clint Eastwood.
Der Opener in "Logan" ist kinetisch, effizient inszeniert, beiläufig sadistisch und beinahe ein Ritual, welches dem Superhelden/Genre-Playbook entspricht. Es ist eine archetypische Szene, die zeigt, dass einige böse Jungs nur dazu da sind, um den Helden erneut auf den Plan zu rufen. Hier macht der Film deutlich, dass er brutaler ist als alle seine Vorgänger. Es wird hemmungslos geflucht und gemetzelt und dabei bekommt man derart brutale Szenen zu sehen, dass man schon beinahe von Splatter reden kann. Die trostlose und völlig traurige Atmosphäre haut einen schier um, wird doch die direkte Verbindung zu Logans körperlichen und seelischen Zustand deutlich. So wird dieser noch verkompliziert, als Schurke und Genetiker Dr. Rice (gespielt mit einem etwas zurückhaltendem Flair von Richard E. Grant) mit einem venalischen Adjutanten Pierce (ein äusserst charismatischer Boyd Holbrook) und einer Armee paramilitärischer Cyborgs auftaucht. Dafne Keen als Laura, ein wildes Mädchen mit Hang zum Sadismus fällt mit zwiespältigen Gefühl, jedoch insgesamt sehr positiv auf. Jackman und Stewart harmonieren fantastisch zusammen, ihr permanetes Geben und Nehmen schafft eine gemeinsame Verwundbarkeit, die sich sowohl in körperlichen Verfall ausdrückt und im kontrapunktischen Spiel zwischen Logans eigenwiliger, zynischer aber brüderlicher Zuneigung und Professor X' würdevoller und obendrein charismatischer Art.
Jackman spielt in seiner letzten Rolle als Logan einfach
überragend. Es ist mit Abstand seine beste Performance als Wolverine und er hätte für seinen letzten Auftritt auch keine bessere Show abliefern
können. Auf dem Weg zum Finale findet Mangold zwar gelegentlich zum Klischee zurück und einziges Manko ist vielleicht, dass sich der Film im zweiten Akt ein wenig zieht und Wege eingeschlagen werden, die nicht ganz schlüssig wirken. Letztlich sind aber diese kurzen "Downer" dann doch nur Jammern auf hohem Niveau, denn der dritte Akt bietet ein Finale, welches man so zwar von Anfang an kommen sehen hat, aber in Perfektion kaum zu überbieten ist. Viele von Mangolds Entscheidungen fühlen sich dennoch frisch an,
paradoxerweise, weil er ganz offensichtlich das Herz eines
Klassizisten hat. Da fällt es leicht über vorige leichte Schwächen hinweg zu sehen und verdrängt, dass das Ende von Anfang an fest steht. "Logan" ist auch einfach ein starkes Argument dafür, Comicverfilmungen nicht zu übertrieben darstellen zu müssen und diese ein Stück weit wieder zu erden. Keine Effektschachten oder Weltzerstörerisches ist nötig, eher der Realismus, der "Logan" innewohnt, der sich unter anderem in seinen Narben, den Kosten eines endlosen Kampfes, manifestiert. Das ist Unterhaltung. Trostlose, kühle und blutrünstige Unterhaltung. "Logan" gleitet nur um Haaresbreite an einem Meisterwerk vorbei. Zwar ist der Film nicht zu Einhundert Prozent perfekt geworden, aber
es ist mit Abstand der beste "Wolverine"-Film und Hugh Jackman und Patrick Stewart verabschieden sich von ihren Rollen mit einer grandiosen
Leistung.
9/10
Quellen:
Inhaltsangabe: Twentieth Century Fox
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