Donnerstag, 30. März 2017

[KINO] Ghost In The Shell (2017)

http://www.imdb.com/title/tt1219827/

In der nahe Zukunft hat die Menschheit gewaltige technologische Fortschritte gemacht, aber dennoch ist Major (Scarlett Johansson) die erste ihrer Art: Sie wurde nach einem schrecklichen Unfall in einen Cyborg mit übermenschlichen Fähigkeiten verwandelt, eine perfekte Waffe im Kampf gegen gefährliche Kriminelle überall auf der Welt. Und so ist Major auch am besten geeignet, gemeinsam mit ihrer Elite-Einsatztruppe Sektion 9 den skrupellosen Cyber-Terroristen Kuze (Michael Pitt) aufzuhalten, dem es gelungen ist, sich in den Verstand von Menschen zu hacken und diese zu kontrollieren. Doch während der Jagd auf Kuze macht sie eine furchtbare Entdeckung: Die Wissenschaftler, die ihr angeblich das Leben gerettet haben, haben ihr in Wahrheit ihr Leben weggenommen. Fortan begibt sich Major auf die Suche nach den Verantwortlichen, um zu verhindern, dass andere dasselbe Schicksal erleiden müssen, und sie versucht gleichzeitig herauszufinden, wer sie vor ihrem Leben als Cyborg war...

Was ist Mensch? Was ist Maschine? Von all den Vorstellungen, Ideen und Thesen, die "Ghost In The Shell" dem Zuschauer anbietet, ist eine wichtige, dass eben nicht das Gedächtnis oder die Vergangenheit all unsere eigene Menschlichkeit definiert. Stattdessen definiert sich der Mensch durch aktuelle Handlungen und Taten. Und hier, in dieser von Hologrammen geprägten Stadt, diesem Moloch an kantigen Bauwerken, Glasfassaden, Licht und Farben entsteht die radikale Gelegenheit, die Definition von Mensch oder Maschine unter Berücksichtigung der Vergangenheit neu zu erschaffen, jedoch ohne sich an diese zu klammern. Diese These und deren Ausarbeitung im Film hätte eine der größten Stärken von "Ghost In The Shell" seinkönnen. Als Teil einer größeren Cyberpunk-Generation greift er nämlich genau die alten Ideen auf und versucht, diese auf einem neuen Pfad voran zu treiben. In Hinblick auf den bestehenden "Ghost In The Shell"-Anime-Franchise ist zumindest dies an einigen Stellen auch gelungen, während der Film in anderen Punkten fatal scheitert.

Als Live-Action-Adaption des weltweit erfolgreichen 1995er Anime-Meisterwerks von Shirow Masamune in einer potenten Mischung aus "Blade Runner", "Total Recall" und "Matrix" ist "Ghost In The Shell" ein technisch solider Film, der in mehr als in nur ein paar Szenen in Form von Hommagen dem Anime hervorragenden Tribut zollt. Er kämpft mit Fragen über die Posthumaintät und eigene Individualität in einer visuell überwältigenden Entsehungsgeschichte, die noch dazu viel Raum für Fortsetungen bietet. Und vielleicht wäre diese Form von Style-over-Substance auch genug, wenn es nicht im Herzen um die angesprochenen und immer wieder als Frage gestellte Kontroverse des Films gänge. Wo der 1995er "Ghost In The Shell" das Problem gesellschaftlicher Stellung, Rasse und Herkunft nahezu gänzlich unter den Tisch fallen lies, bringt das Update dies nicht nur an die Oberfläche, sondern macht es zu einem Monster. Dieser Ansatz macht allerdings auch die Risse in den alternden Vorstellungen aus, die den ersten Film und eventuell sogar das gesamte Cyberpunk-Genre reformierten.

Scarlett Johannson war eine sehr gute Wahl für die Rolle der Major Mira Killian, Anführerin einer Cyborg-Eliteeinheit, genannt 'Section 9'. Unter der Regie von Rupert Sanders folgt sie zusammen mit ihren Teamkollegen Batou (passt perfekt: Pilou Asbæk) und Togusa (Chin Han) in einer unbenannten futuristischen Stadt in Ostasien den Befehlen von Sektionschef Daisuke Aramaki (Regisseur/Schauspieler-Legende "Beat" Takeshi Kitano, der nur (untertiteltes) japanisch spricht) und ist spezialisiert auf das Einfangen von Cyber-Kriminellen, die sich in die "Shells", die durch Technik veränderten Körper von Menschen, hacken und diese für ihre Zwecke missbrauchen. Hier bedeutet diese Art von Terrorismus aber auch, das falsche Erinnerungen in den Köpfen der Opfer platziert werden, um diese in Marionetten des Angreifers zu verwandeln. Im Laufe ihrer Ermittlungen führt Killian die Spur zu einem Hacker, der nur als Kuze (Michael Pitt) bekannt ist und eine Vendetta gegen "HANKA Robotics", dem einzigen und mächtigen Hersteller der Shells, zudem noch Regierungsunternehmen und Erschaffer von Miras Körper, zu führen scheint. Kuze nimmt von da an Mira ins Visier und zieht sie tief in eine Verschwörung hinein, die sogar die Menschen betreffen könnte, die ihr am nächsten stehen.

Regisseur Sanders und seine Crew haben ihre Hausaufgaben gemacht. In nahezu jeder Szene wird ihr Respekt vor dem Manga, dessen Remakes und Spin-Offs deutlich. Obwohl der Film hier die Geschichte um den Ghost, der in Mamoru Oshiis 1995 klassischen Anime-Filmen seinen Ursprung fand, mit Story-Elementen aus Shirow's Manga, der 2004er Fortsetzung "Ghost In The Shell 2: Innocence" und die TV-Serie "Ghost In The Shell: Stand Alone Complex" umrahmt wird, ist der hiesige Cyberpunk-Thriller ganz anders und doch irgendwie doch vertraut. VFX-Spezialisten MPC und Weta Workshop haben den Film jetzt schon zu einem der visuell schönsten Filme des Jahres gemacht. Eine sehr frühe Szene, die direkt aus dem Anime entlehnt wird, zeigt die Geburt von Miras kybernetischem Körper, vom Endoskelett über das Anbringen von synthetischen Muskeln und Haut, bis zum Auftauchen aus einem milchigen Bad und "Absprengen" der Schutzschicht, was allein schon faszinierend und hypnotisch-fesselnd ist. Später platzt Mira in einen Raum in einer Wolke aus Pixeln und Glas, um Terroristen und Roboter zu bekämpfen, die sich just in die Chefs von "HANKA Robotics" hacken. Diese Szene gab es exakt so in "Ghost In The Shell: Stand Alone Complex" und ihr Kampf erinnert nicht nur einmal an die Choregraphien in "Matrix". Sanders Film kommt da manchmal als zu sklavisch mit seinem Ausgangsmaterial überein, aber es ist wunderschön und in einer Weise, die es etwas von den heutigen Superheldenfilmen abhebt.

Und trotz alledem, so Hundertprozentig gelungen ist "Ghost In The Shell" nicht. Es fehlt ein wenig zu sehr an Substanz und gerade weil der Manga ein herrliches philosophisches Spielzeug ist ist es sehr schade zu sehen, dass  Fragen zwar aufgegriffen, aber nicht beantwortet oder zumindest nur fortgeführt und zu Ende gedacht werden. Sanders verlässt sich lieber auf Klischees und absichtliche Genre-Stereotypen, anstatt die Lunte, die er zu Beginn noch entzündet hat, bis zum Ende brennen zu lassen. Der Soundtrack von Clint Mansell, anfänglich noch elektronisch und stimming wandelt sich im Verlauf de Films zu etwas, das man nichtmehr wahrnimmt und erst in den Credits an Kenji Kawais 1995 Pendant erinnert.

Dazu hat der Film ein Pacing-Problem und gerade im Mittelteil gibt es viel zu lange Atempausen, die Sanders aber auch nicht nutzt um zu fachsimpeln, sondern eher als Füllwerk zwischen die interessanten Teile stopft. Somit entfernt er sich rasch wieder von seinen tieferen Ansätzen und verwandelt sich in einen im Mittelteil etwas zu schlaffen Actionfilm, dessen Hauptargument irgendwann tatsächlich nur Styling, Effekte und Schauspieler werden.

7/10

Von Paramount erschien der Film auch im limitierten Steelbook: 

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