Freitag, 8. September 2017

Moonlight (2016)

http://www.imdb.com/title/tt4975722/

Der neunjährige, "Little" genannte Chiron (Alex R. Hibbert) spricht nicht viel. Er frisst den Kummer in sich hinein, den seine alleinerziehende Mutter Paula (Naomie Harris) mit ihrer Cracksucht verursacht. Es braucht eine Ersatzfamilie, den Drogenhändler Juan (Mahershala Ali) und dessen Freundin Teresa (Janelle Monáe), damit sich der Junge langsam öffnet. Als Teenager (Ashton Sanders) hat Chiron dann starke Probleme an der Highschool – weil er anders ist, mit seinem besten Kumpel und Schulkameraden Kevin (Jharrel Jerome) die ersten homosexuellen Erfahrungen macht. Schließlich, mit Ende 20, hat Chiron die Opferrolle abgelegt. Er nennt sich Black (Trevante Rhodes) und macht sein Geld als Drogendealer. Ein überraschender Anruf von Kevin (André Holland) aber löst etwas in ihm aus: Der Freund von früher, inzwischen ein Koch, bittet Black, ihn in Miami zu besuchen...

"Wer bist du?" wird Chiron am Ende des Films gefragt und genau darum geht es auch in diesem Werk. Inwieweit ist der Selbstentwurf von äußeren Faktoren bedingt? Inwieweit lassen sich die widrigen Umstände einer Vita überwinden? Was erfasst uns so im Kern, dass es noch lange Zeit nachwirkt und sich gar als konstitutiv für unsere Identität darstellt? In drei ruhigen, sehr gefühlvollen Episoden jenseits von Kitsch, Gefühlsduselei und Klischees werden drei Lebensabschnitte punktuell beleuchtet, die aber freilich nicht beliebig daher kommen, sondern maßgeblichen und tiefen Einblick in den unsicheren und in seiner Entfaltung gehemmten Charakter des Filmhelden gewähren. Man fühlt sich ein in den von der Welt gebeutelten jungen Mann, der sich kaum bis nicht auszudrücken vermag, aber durch kathartische Entladungen letztlich zunehmend auf die Bahn der Selbstfindung geleitet wird. Die drei Geschichten sind in sich rund und könnten auch alleine stehen, weiten im Gesamtgefüge aber freilich den Horizont.


"Moonlight" ist nicht deshalb ein so guter Film, weil es ein "schwarzer Film" ist, sondern weil es ein guter Film ist. Die rassische Frage ist dabei weitgehend irrelevant, die gesamte Story würde in einem White Trash Setting in etwa ebenso aussehen. Es ist das Soziale, nicht die Hautfarbe, auf das hier fokussiert wird. Es ist ein sensibles Portrait eines Außenseiters, der in einer machohaften Umgebung bereits in der Schule gemoppt wird, weil er anders ist, von schmächtiger Statur und schwul. In drei Kapiteln wird ein Großteil des Lebens von Chiron (Ashton Sanders, Alex R. Hibbert, Trevante Rhodes) beschrieben: Vater auf und davon, Mutter (eindrucksvoll Naomie Harris ist ein Junkie) und nur der Drogenboss der Gegend Juan (Mahershalla Ali) nimmt sich seiner an.

Aus der durchgängig dichten Atmosphäre ragen wegen ihrer darstellerischen Brisanz besonders drei Szenen heraus: als Chirons Freund Kevin (André Holland) ihn am Strand 'berührt', was ihn zeitlebens geprägt hat, dann Chirons Gespräch mit seiner Mutter, die einen Entzug macht und schließlich der Besuch Chirons nach Jahren bei Kevin. Die letzte Einstellung lässt es offen, was da zwischen den beiden Männern läuft. Überhaupt bleibt die Kamera auch schon vorher diskret auf Distanz. Der homoerotische Aspekt ist zwar latent vorhanden, bleibt aber letztendlich marginal.

Entscheidend ist, was aus Chiron und Kevin geworden ist: der eine tritt in die Fußstapfen seines Ersatzvaters. Ein Muskelprotz mit Goldkette und goldene Grills im Mund. Der andere hat eine Tochter und arbeitet als Koch. Zwei Optionen, die belegen, dass es fifty-fifty steht, was man aus seinem Leben macht, egal welche Hautfarbe man hat. Das ist genau das Verhältnis zwischen Nature und Nurture sagt die Wissenschaft. Das Original meint "Im Mondlicht sehen die farbigen Jungs blau aus". "Moonlight" ist ein sehr guter und ungemein berührender Film. "Moonlight" hat seine Lorbeeren und auch die Oscars allemal verdient.

8,5/10

Von DCM Film Distribution kam der Film auch im schicken, limitierten und glanzveredelten Mediabook.

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