In einer alternativen, retro-futuristischen Version der 1990er-Jahre, in der einst friedliche Cartoon-Roboter nach einem Aufstand ins Exil, den sogenannten „Electric State“, verbannt wurden, lebt die Teenagerin Michelle (Millie Bobby Brown) völlig auf sich gestellt. Ihre Eltern sind verstorben und auch ihr jüngerer Bruder Christopher ist seit einigen Jahren tot – zumindest glaubt Michelle das, bis sie eines Tages Besuch von einem Roboter namens Cosmo (Stimme im Original: Alan Tudyk) erhält. Das ebenso charmant klingende wie geheimnisvolle Maschinenwesen scheint von Christopher (Woody Norman) gesteuert und zu ihr geschickt worden zu sein, doch weshalb? Um dem Ganzen auf den Grund zu gehen und um Christopher zu finden, begibt sich Michelle auf eine Reise durch den Südwesten der USA. Dabei begegnet sie dem Schmuggler Keats (Chris Pratt) und seinem Roboter-Kumpel Herman (Stimme im Original: Anthony Mackie). Gemeinsam dringen sie in die isolierte Wüstenregion des "Electric State" vor. Dort entdecken sie nicht nur neue animatronische Verbündete, sondern auch die dunkle Wahrheit hinter Christophers Verschwinden.
Die Namen Anthony und Joe Russo sind den meisten nicht erst seit "Avengers: Endgame" ein Begriff für überbordende CGI-Action. Aber mit eben diesem Film haben sie sich ein Denkmal gesetzt. Noch immer zählt die finale Schlacht aufgrund der epischen Ausmaße zu einer der besten, überraschendsten, traurigsten und gleichwohl befriedigendsten Sequenzen neuerer Zeiten. Und nach diesem Erfolg, so scheint es, haben die Russo-Brüder wohl noch mehr Freiheiten bekommen. Mit "The Gray Man", ein grandioser, wenngleich völlig hilflos überladener und unrealistischer Action-Spaß, der von renommierten Kritikern schon als "Actionporno" bezeichnet wurde, weil er unter völliger Missachtung einer schlüssigen Handlung einfach darauf abzielte, so viel Schaden wie möglich mithilfe von jeder erdenklichen Waffe zu generieren.
Nun gehe ich selten mit einer vorgefassten Meinung in einen Film; eher im Gegenteil. Ich bin offen für das, was ich sehen möchte und sehe sogar über Kritiken im Vorfeld hinweg, die den Film entweder lobpreisen oder in Grund und Boden stampfen - und dies schreibe ich nicht um irgendwen zu beeindrucken, sondern um einleitend zu erklären, warum ich "The Electric State" - den neuen Film der Russo-Brüder, der derzeit von anderen Filmkritikern weltweit verrissen wird - etwas nachsichtiger anspreche. Dazu muss man aber auch sagen, dass "The Electric State" kein schwer zu verurteilender Film ist. Die Adaption des gleichnamigen illustrierten Romans von Simon Stålenhag wirkt oft selbstgefällig und süßlich zugleich. Das verleiht selbst den clevereren Elementen, wie beispielsweise der alternativen Geschichte der 1990er Jahre, inklusive eines Krieges gegen Roboter, der die eigentliche Handlung des Films einleitet, einen Hauch von Abscheu - und das nicht einmal aus dem Grund, dass offensichtliche Fehler im zeitlichen Ablauf eingebaut wurden.Mit Hilfe von Sentre-CEO und offensichtlicher Gegenspieler Ethan Skate (Stanley Tucci), ein böser Tech-Mogul (gibt es heutzutage keine anderen bad guys mehr?) wurde die Neurocaster-Technologie (eine Art VR-Headset) entwickelt, die es Menschen ermöglicht, ihre Gedanken in Drohnenroboter zu übertragen, gelang es der Menschheit, den Krieg zu gewinnen, während die verbleibenden Roboter in die sogenannte "Exklusions-Zone" verbannt wurden. Der Erfolg der Neurocaster-Technologie bedeutete jedoch, dass die Menschen gezwungen waren, ihr virtuelles Leben zu führen, während die Drohnen die meiste Arbeit erledigten. Mittlerweile sind Roboter streng verboten, was Michelle, gespielt von Millie Bobby Brown, vor ein Problem stellt. Sie entdeckt, dass das Bewusstsein ihres lange verschollenen, für tot gehaltenen, geliebten Bruders Chris in einem niedlichen, aber klobigen Bot steckt, der der einst beliebten Zeichentrickfigur Cosmo nachempfunden ist. Eine Reihe von Hinweisen verrät Michelle, dass sich das, was sie braucht, an eben einem abgelegenen und natürlich verbotenen Ort innerhalb der Exklusions-Zone befindet. Auf der Flucht vor ihrem gewalttätigen Vater (gespielt von Jason Alexander) - der wie ein Großteil der Welt ebenso süchtig nach der Neurocaster-Technologie ist - macht sie sich mit Cosmo auf den Weg und engagiert bald einen gesetzlosen Plünderer, gespielt von Chris Pratt, einem ehemaligen Soldaten mit einer komplexen Vergangenheit, als ihren widerwilligen Führer durch die verbotene Zone. Dazu gesellt sich sein Buddy Hermann, einem empfindungsfähigen Roboter. Gemeinsam trafen sie in der Sperrzone auf die Roboter unter der Führung von Mr. Peanut und ihre Reise führt sie bald zur dunklen Wahrheit über Sentre und Skate, dem mittlerweile alle auf der ganzen Welt verteilten Türme gehören, auf denen die Neurocaster-Technologie läuft.
Und man kann kaum glauben, was diese Headsets tatsächlich antreibt, ganz zu schweigen von den von Menschen gesteuerten Drohnen, die Skates Privatarmee bilden. Und wenn ich schreibe, "man kann es kaum glauben", meine ich das wörtlich, denn die Begründungen hier sind unglaublich unglaubwürdig. Das muss man sich einfach gefallen lassen und großmütig drüber hinwegsehen - man hat keine Wahl bei Russos fast schon beklemmendem Erzählstil. Letztlich läuft es genau auf das hinaus, was man irgendwann schon erahnt und der finale Showdown bestätigt bald dem gütig nickenden Zuschauer seine Ahnung. Und so verschwindet "The Electric State" irgendwo zwischen unterhaltsam und langweilig, gerade auch weil er im Mittelteil mit ein paar wenigen Längen zu kämpfen hat. Und das ist auch der Knackpunkt. Satte 320 Millionen US-Dollar hat der Streifen gekostet - und damit mehr als die Oscar-Gewinner für den besten Film der letzten 10 Jahre ("Spotlight" - 20 Millionen US-Dollar, "Moonlight" - 4 Millionen US-Dollar, "Shape Of Water" - 20 Millionen US-Dollar, "Green Book" - 23 Millionen US-Dollar, "Parasite" - 9 Millionen US-Dollar, "Nomadland" - 5 Millionen US-Dollar, "Coda" - 10 Millionen US-Dollar, "Everything Everywhere All At Once" - 20 Millionen US-Dollar, "Oppenheimer" - 100 Millionen US-Dollar, ""Anora - 6 Millionen US-Dollar) zusammen. Angesichts dessen bleibt ein gewisses Ärgernis zurück, denn hier stimmt das Preis-Leistungsverhältnis überhaupt nicht.Um etwas die Wogen zu glätten muss man aber sagen, dass Millie Bobby Brown als Michelle immerhin viel Integrität und Charisma mitbringt, Chris Pratts Leistung hätte allerdings ebenso aus Outtakes von "Guardians Of The Galaxy" zusammengeschustert sein können. Man könnte auch Spaß daran haben, die Starstimmen der Roboter wiederzuerkennen, darunter Woody Harrelson, Jenny Slate, Anthony Mackie und Brian Cox, doch letztendlich ist "The Electric State" einer dieser Filme, der lediglich okay ist, unterhaltsam zwar und mit einem gewissen Niedlichkeitsfaktor, einer Handvoll guter Actionsequenzen und ein paar Szenen, die einen mitreißen, was aber alles auch zu wenig ist um auf der einen Seite das Budget zu rechtfertigen und auf der anderen Seite, um sich in die Annalen der Filmgeschichte einzuschreiben.
6/10
Quellen:
Inhaltsangabe: Netflix
Poster/Artwork: Netflix
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